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«Glücksstoffe werden ausgeschüttet»

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Spielsucht ist für die Betroffenen nach wie vor ein tabuisiertes, schambehaftetes Thema. Rund 2000 Jugendliche im Kanton Freiburg gelten als gefährdet oder haben ein Problem im Umgang mit Geldspielen, wie eine Studie im Jahr 2015 herausfand (die FN berichteten).

Vom 27. bis zum 29. Juni dieses Jahres findet nun an der Universität Freiburg ein internationales Fachsymposium zum Thema Spielsucht in Zusammenarbeit des Centre de jeu excessif der Universität Lausanne, dem Kanton Fribourg und dem Freiburger Netzwerk für psychischen Gesundheit sowie zahlreichen nationalen und international Partnern. Im Vorfeld werden Begleitveranstaltungen organisiert. André Kuntz, leitender Arzt beim Freiburger Netzwerk für psychische Gesundheit, erörtert im Interview die Hintergründe und Folgen von Spielsucht.

Wie gross ist das Problem Spielsucht in der Schweiz und speziell im Kanton Freiburg?

Im europäischen Vergleich steht die Schweiz mit etwas niedrigeren Zahlen recht gut da. Die Forschung geht gemäss einer Schweizer Studie davon aus, dass etwa 1,1 Prozent der Bevölkerung ein problematisches Glücksspielverhalten haben und 0,4 bis 0,5 Prozent wirklich spielsüchtig sind. Das heisst hochgerechnet, dass wir im Kanton Freiburg von rund 1200 bis 1500 Spielsüchtigen und rund 3500 Personen mit problematischem Glücksspielverhalten ausgehen können. Die Problematik findet sich in allen Altersgruppen, allen Gesellschaftsschichten und bei beiden Geschlechtern, Männer sind aber häufiger von Spielsucht betroffen als Frauen.

Spielen an sich ist nicht unbedingt etwas Negatives.

Nein, es ist menschlich. Wir wachsen damit auf und erlernen spielerisch Fähigkeiten. Das lässt sich bereits im Tierreich beobachten. Und selbst bei Glücksspielen lässt sich sagen: Die meisten Menschen, die etwa Lotto spielen, haben gar kein Problem damit, ebenso wenig wie diejenigen, die einmal in der Woche Karten spielen.

Ab welchem Punkt kann man von einem problematischen Verhalten ausgehen?

Wenn jemand zum Beispiel weiterspielt, obwohl bereits Probleme da sind und das Glücksspiel zum Beispiel zunehmend mehr Raum im Leben des Betroffenen einnimmt und andere Lebensinhalte wie etwa Familie, Freunde, Beruf, Freizeitaktivitäten verdrängt.

Und wann lässt sich eine eigentliche Spielsucht diagnostizieren?

Die Diagnosekriterien werden in international gebräuchlichen Klassifikationen definiert. Die Weltgesundheitsorganisation legt den Akzent beispielsweise auf ein häufiges und wiederholtes Glücksspiel, welches die Lebensführung des betroffenen Patienten beherrscht und negative Konsequenzen, etwa auf sozialer, beruflicher, materieller und familiärer Ebene hat. Konkret bedeutet das, dass die Person immer mehr Zeit für das Spielen aufwenden wird und sich auch die Gedanken die ganze Zeit um diese Thematik drehen.

Was löst das Spielen im Gehirn des Süchtigen aus?

Diesbezüglich zeigen substanz- und nichtsubstanzbezogene Abhängigkeiten im menschlichen Gehirn durchaus ähnliche Wirkungen. Glücksstoffe wie Dopamin werden ausgeschüttet. Dies spielt sich im Belohnungssystem ab, welches entwicklungsgeschichtlich eigentlich für die Arterhaltung zuständig ist und etwa bei der Fortpflanzung oder der Nahrungsaufnahme zum Tragen kommt. Teils reichen schon kleine Trigger-Reize, welche den Süchtigen an dieses Glücksgefühl erinnern: etwa den Anblick einer Flasche für einen Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit oder ein Roulettespiel im Fernsehen für einen Spielsüchtigen.

Suchen die Betroffenen schnell Hilfe?

Leider sucht nur ein kleiner Teil der Betroffenen überhaupt Hilfe auf – und wenn, dann sehr spät; oftmals wenn es bereits zu massiven finanziellen, beruflichen und familiären Probleme gekommen ist – zum Beispiel, wenn Schulden da sind oder die ganze Familie darunter leidet … Viele Spielsüchtige haben das Gefühl, ihr Verhalten noch kontrollieren zu können, obwohl das schon lange nicht mehr der Fall ist. Aus­serdem ist das Thema für viele Betroffene sehr tabuisiert und schambehaftet. Oft besteht die Hoffnung, das verlorene Geld durch Weiterspielen zurückgewinnen zu können. Daraus ergibt sich oftmals ein regelrechter Teufelskreis für die Betroffenen und deren Familien.

Kann auch eine andere psychische Störung die Ursache für die Spielsucht sein?

Ja, sogenannte komorbide Erkrankungen, das heisst begleitende andere psychiatrische oder auch Abhängigkeitsproblematiken wie Alkoholabhängigkeit oder Depressionen, finden sich gehäuft bei Menschen mit einer Spielsuchtproblematik. Wir hatten aber auch schon Patienten, die gar nicht wegen einer Spielsucht kamen, sondern wegen einer anderen psychiatrischen Problematik, beispielsweise Depressionen oder einer suizidalen Krise –und bei denen sich erst im Verlauf der Behandlung herausstellte, dass sie auch spielsüchtig sind. Spielen kann manchmal wohl auch ein Ventil in einer an sich schwierigen Lebenssituation sein.

Wenn man in die Geschichte zurückblickt: Gab es schon immer Spielsüchtige?

Sicher schon in der Antike. Davon gibt es viele Beschreibungen. Ausserdem wurden die Würfel – «aleae» – von den Römern erfunden.

Nach welchen Spielen sind die Menschen süchtig?

Die «klassischen» Glücksspiele wie beispielsweise Poker, Roulette oder Blackjack finden sich nach wie vor im Spielkasino. Mit den neuen Technologien hat sich aber auch vieles aufs Internet und sogar auf die Smartphones verlagert; der Zugang zu diesen Online-Spielen ist aber schwieriger zu kontrollieren.

Gibt es bei der Spielsucht Entzugserscheinungen?

Ja. Die Entzugssymptomatik reicht von psychischen bis zu körperlichen Symptomen wie Ängsten, Schlafstörungen, aber auch Zittern und Schwitzen.

Was sind die Gründe für Spielsucht?

Das ist ganz unterschiedlich. In Zwillingsstudien haben Forscher herausgefunden, dass es auch eine genetische Komponente gibt. Ein anderer Grund kann sein, dass die Betroffenen als Jugendliche früh mit dem Spielen konfrontiert waren. Eine Spielsucht kann aber auch in problematischen Lebenssituationen entstehen. Darüber hinaus wissen wir, dass Spielsucht gehäuft auch mit anderen Erkrankungen auftritt, wie bereits beschrieben.

Was sind die wichtigsten negativen Folgen der Spielsucht?

Am einschneidendsten sind wohl die finanziellen Probleme, verbunden mit einem möglichen sozialen Abrutschen, teils von ganzen Familien.

Wie kann man Spielsucht behandeln?

Ein leicht zugängliches Angebot ist die Internetseite www.sos-jeu.ch. Grundsätzliche sind Prävention und Sensibilisierung sehr wichtig: «Reper» setzt sich im Kanton Fribourg im Bereich der Prävention ein. Denn der Schritt in eine eigentliche Behandlung ist oft schwer. Diese beginnt mit einer ersten Abklärung, in der die Lebensgeschichte und der Kontext der Abhängigkeitsproblematik analysiert werden. Oft werden dann auch Familienangehörige in die weitere Therapie integriert. Die Behandlung kann aber unter Umständen auch einen stationären Aufenthalt beinhalten, auch wenn dies nicht sehr häufig ist.

Zahlen und Fakten

Aus der Geschichte der Glücksspiele

Die Wurzeln des Roulette-Spiels dürften im Italien des 17. Jahrhunderts liegen. Im 18. Jahrhundert kam es nach Frankreich, wo es Ludwig XV. vergeblich zu verbieten versuchte. Napoleon Bonaparte erlaubte 1806 das Glücksspiel nur noch in den Spielhäusern des Pariser Palais Royal. 1837 wurde dieses geschlossen. In Deutschland mussten 1872 alle Spielbanken schliessen; sie wurden erst 1933 von den Nationalsozialisten wiedereröffnet. Vom Glücksspielverbot in Frankreich und Deutschland profitierte vor allem das Fürstentum Monaco. Das Pokerspiel wurde um 1829 von französischen Siedlern nach New Orleans in den USA gebracht. Von dort aus breitete sich das Spiel über das gesamte Land aus. Es soll viele Siedler ihr Vermögen gekostet haben.

jcg

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