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Die Abgehängten am Schlepplift

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Kommt heute noch einer? Heute kommt keiner mehr. Ist ja auch schon Viertel vor vier. Die Skisaison hat begonnen, auch in einem gottvergessenen Bündner Bergdorf. Tag für Tag stehen Paul und Georg an ihrem Skilift, einem Schlepper, Baujahr 1971, und warten auf Gäste. Aber die kommen nicht, denn der Schnee «ist afängs seltener geworden als Kokain». Und wenn es doch mal schneit und sich ein Tourist an den Skihang verirrt, schickt ihn der Georg wieder heim, weil der Unterländer mit der «Plastikkarte» zahlen wollte. «So was geht hier natürlich nicht, wo kämen wir denn hin.»

Alles verschwindet

Die beiden alternden Skiliftbetreiber sind die tragikomischen Anti-Helden in «Der letzte Schnee», dem neuen Buch des Bündner Schriftstellers Arno Camenisch. Am Bügellift der beiden scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Sie sitzen unter dem Sinalco-Sonnenschirm, und an der Wand des Hüttli hängt ein Kruzifix.

Doch der Wandel macht auch vor ihrem Dorf nicht halt. Das Lädeli, die Beiz, die Tankstelle mit Kiosk, alles dichtgemacht; der Coiffeur ist gestorben, der Wirt hat sich erhängt, der Postautokurs wurde weggespart. Und der Gletscher oben am Berg, der schmilzt.

«Arno Camenisch findet in der Melancholie die Komik und erzählt berührend und witzig.»

 
 

Die Jungen sind weg. Paul und Georg sind geblieben. «Das Leben endet ja nicht, nur weil der Beck zugeht», sagt Paul. Auch wenn es schade ist um die «huara guata Cremeschnittas». Aber was soll man machen? Das Klima, die Politik, der eigene Sohn – alles entzieht sich ihrer Kontrolle. Den zwei Abgehängten bleibt nur – das Warten und das Reden. So halten sie die Stellung, auch wenn sie auf verlorenem Posten stehen: Gewissenhaft sortiert Georg die Billette, «für den Fall, dass wir Ansturm haben». Der unermüdliche Plauderi Paul lässt derweil in immer neuen Geschichten den dörflichen Kosmos aufleben, den es nicht mehr gibt. Um den ersten Kuss und die letzten Dinge geht’s und alles dazwischen, etwa das jährliche Dorfskirennen, das in der Kirche begann, weil es darauf ankam, ob man «mit gesegneten Brettern oder heidnischen Latten» den vereisten Hang hinunterraste.

Der «Camenisch-Sound»

100 Seiten dünn ist «Der letzte Schnee», schnell gelesen, aber das Buch hallt lange nach. Weil Arno Camenisch in der Melancholie die Komik findet und berührend und witzig erzählt. Und weil der 40-jährige Bündner wieder seinen typischen Sound anstimmt: Nahe dran am Mündlichen, das Hochdeutsch gespickt mit Bündner Dialekt und Rätoromanisch, und mit Sprachbildern, die wunderbar schräg und poetisch sind. Das Ende ist unausweichlich. Das wissen auch Georg und Paul. «Der Tod kuriert uns vom Leben», sagt Georg, der Philosoph am Bügellift. Da hat ein Stromausfall den Schlepper schon lahmgelegt, und bei einem «Zigarettli» schauen die beiden zu, wie das ganze Tal im Nebel verschwindet. Grossartig.

Arno Camenisch: «Der letzte Schnee», Engeler-Verlag, 2018. 100 Seiten.

Stephan Moser ist freier Journalist.

Zur Person

Ein Bündner in Biel

Arno Camenisch kam 1978 im bündnerischen Tavanasa zur Welt. Heute lebt er in Biel, wo er am Schweizerischen Literaturinstitut studiert hat. Seine Texte wurden in über 20 Sprachen übersetzt, für sein Buch «Ustrinkata» erhielt er 2012 den Schweizer Literaturpreis.

mos/Bild Janosch Abel/zvg

 

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