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«Ich fühle mich nicht konservativ»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

«Wenn ich im Gespräch mit christlichen Kollegen sage, dass ich fünfmal am Tag bete und im Ramadan faste, sagen sie: ‹Mann, bist du strenggläubig!›» Am Tonfall des jungen Mannes wird deutlich, dass er sich selber nicht als strenggläubig bezeichnen würde.

Einige in der Runde nicken, das Phänomen der «Schubladisierung» durch Aussenstehende ist auch ihnen nicht fremd. Im Lokal in Zürich-Oerlikon haben sich gut 20 junge Leute zum «Project-Träff» des Vereins Ummah versammelt. Die meisten sind in den Zwanzigern, einige wenige jünger. Gut die Hälfte sind Frauen, einige von ihnen mit, andere ohne Kopftuch. Die Diskussion wird auf Schweizerdeutsch geführt. Vereinzelt verrät ein leichter Akzent eine anderssprachige Herkunft.

Sie sind gekommen, um über ihren muslimischen Glauben zu diskutieren. Unter der umsichtigen Moderation der 26-jährigen Asmaa Dehbi steht das Thema Meinungsverschiedenheiten im Zentrum: «Wie gehe ich mit Muslimen um, die anders sind als ich?», bringt Dehbi die Frage auf den Punkt.

In einer ersten Phase bleiben die Voten noch recht allgemein: «Man sollte Gemeinsamkeiten suchen» – «Unterschiede sind eine Bereicherung» – «In jeder Hinsicht gleiche Auffassungen zu haben, ist unmöglich». Nachdem auch einige Unterschiede bei den Essgewohnheiten und beim Tragen des Hijab, also des Schleiers, benannt worden sind, hakt die Moderatorin freundlich, aber beharrlich nach: «Und wie geht ihr damit um?»

Nicht blind befolgen

Man könne Unterschiede akzeptieren, sich gegenseitig inspirieren, man müsse Kompromisse eingehen, lauten die Voten aus dem Plenum. Wenig Zuspruch findet die Variante, jemanden als «nicht-gläubig» abzustempeln, der etwa gewisse Kleiderregeln nicht einhält.

An geeigneter Stelle liest die 27-jährige Merve Sulemani, die ebenfalls zum Leitungsteam gehört, eine Passage aus dem Koran vor, in der Engel einen Gottesentscheid hinterfragen und aus der hervorgeht, dass das Hinterfragen von religiösen Dingen nicht verpönt ist, wie dies häufig angenommen wird.

Lebhafter wird die Diskussion, als Asmaa Dehbi, an­gehende Erziehungswissenschaftlerin, in der Mitte des Kreises zwei Blätter auf den Boden legt: «konservativ» steht auf dem einen, «liberal» auf dem andern. Schon in der Erläuterung dessen, was diese Begriffe meinen, sind sich nicht alle einig: Von «streng» ist die Rede, aber auch «stur» wird als Erklärung für «konservativ» genannt. Demgegenüber wird «liberal» mit «offen» und «locker» erklärt, irgendwo fällt auch der Begriff «wischiwaschi».

Widerstand regt sich, als Dehbi die Anwesenden auffordert, sich in diese beiden Kategorien einzuteilen: «Gläubig zu sein heisst oft schon, konservativ zu sein», sagt eine junge Frau. «Ich fühle mich jedoch nicht konservativ, aber ich bin auch nicht so liberal, wie dieser Begriff in den Medien verwendet wird.» Die beiden Begriffe werden offensichtlich nicht als hilfreich für die Einschätzung der eigenen Religiosität erlebt. Eine weitere Teilnehmerin wirft ein, der Islam sei keine politische Partei, man könne somit nicht von Liberalismus oder Konservatismus sprechen.

Ein Mann, der sehr intensiv mitdiskutiert, nennt schliesslich lapidar jene Namen, die unter diesen Etiketten immer wieder in den Medien präsent sind: «Liberal ist Saïda Keller-Messahli, konservativ ist der Islamische Zentralrat.»

Kein Schwarz-Weiss-Denken

An dieser Stelle hätte man sich eine vertiefende Sachinformation zu den Begriffen und ihrer Verwendung etwa in den Medien gewünscht. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit zeigt Dehbi jedoch zum Abschluss der Runde ein Video. In diesem werden muslimische Gläubige in sieben witzig karikierte Typen eingeteilt.

Die Frage, wer sich in welchem Typus wiederfindet, vermag die Diskussion zwar nicht mehr zu entfachen, aber an den Lachern in der Runde wird deutlich, dass die übertrieben gezeichneten Figuren offensichtlich doch bekannte Aspekte muslimischer Religio­sität zeigen.

Der 25-jährige Mahmoud Achour, der einzige Mann des dreiköpfigen Leitungsteams, beendet die Runde mit einem Gebet: Er dankt für den Abend und bittet Allah um Hilfe, «dass wir nicht in Schwarz-Weiss-Denken verfallen».

Lebhaft, aber nicht hitzig

«Es war eine lebhafte Diskussion heute», sagt Asmaa Dehbi hinterher, «aber sie war nicht hitzig.» Sie hätten Diskussionen auch schon stoppen müssen. Das Team hat deshalb Leitlinien zusammengestellt, von denen auch an diesem Tag zwei an den Anfang des Abends gestellt wurden: Keine Mono­loge und keine Dialoge halten, damit die Diskussion so offen wie möglich bleibt. Sachlich diskutieren, so die zweite Regel, an die sich an diesem Abend alle gehalten haben.

Das Bedürfnis nach einem Austausch über Glaubensfragen ist offensichtlich gross: Rund 20 Personen kämen an die alle 14 Tage stattfindenden Diskussionsrunden. Ziel sei es, gemeinsam nach Antworten auf Fragen zu suchen, welche die Teilnehmenden einbringen. An einer Säule hängt dazu eine Box, in welche Fragen eingeworfen werden können. Das Team, das sich in der Leitung der Abenden jeweils abwechselt, recherchiert zum Thema, will jedoch nicht einfach Antworten geben, zumal alle drei keine theologischen Fachleute sind. «Wir versuchen vielmehr aufzuzeigen, dass es auf wichtige Fragen häufig keine einfachen Antworten gibt», erklärt Dehbi.

«Ich finde hier andere Meinungen über meinen Glauben», sagt denn auch eine der Teilnehmerinnen zu ihrer Motivation. Ihr Umfeld sei mehrheitlich christlich und säkular, und die Meinungen innerhalb ihrer Familie kenne sie schon, sagt die junge Frau, die an diesem Abend zu den jüngsten ­gehört.

«Auch ich erlebe es als Bereicherung zu hören, was andere denken», bestätigt eine Frau mit einem auffallend offenen Blick. Die Diskussion helfe ihr, die eigene Meinung zu finden und zu formulieren.

«Gläubig zu sein heisst oft schon, konservativ zu sein.»

Eine Teilnehmerin

«Ich finde hier andere Meinungen über meinen Glauben.»

Eine Teilnehmerin

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