Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Abwart auf dem sinkenden Schiff

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Gleich am ersten Schultag nach den Sommerferien die Hiobsbotschaft: Auf Ende Schuljahr geht die Primarschule im Bündner Bergdorf zu, es fehlen die Kinder und das Geld. «Wir sind auf der Ehrenrunde», sagt Herr Anselm. Seit 33 Jahren ist er Abwart und gute Seele der Schule. Und dann sagt er noch ein paar deutlich weniger nette Dinge über den Gemeinderat, diese «Lampione». Denn wie soll man sich das vorstellen, ein Dorf ohne Schule, ohne «Flagschiff, das Orientierung gibt in all dem Chaos dort draussen in der Welt»?

Assoziationen wie Steinböcke

Die letzte Dorfbeiz ist schon zu («Ustrinkata», 2012) und dem Skilift macht der Klimawandel den Garaus («Der letzte Schnee», 2018): Wie das Leben unaufhaltsam aus den Dörfern verschwindet, ist das Leit­thema in den Büchern des Bündner Autors Arno Camenisch. Und jetzt trifft es in seinem neusten Werk «Herr Anselm» eben die Schule – und mit ihr den Abwart. Seine Frau hat er schon verloren. An ihrem Grab steht er und erzählt ihr, wie sehr er sie vermisst. Wie Steinböcke hüpfen seine Gedanken dann in einem hundertseitigen Monolog von der Schulschliessung über den «Bschissihund aus La Merica» bis zum Online-Dating («wie beim Jelmoli-Katalog ist das»).

Die Welt verändert sich, der Abwart kommt nicht mehr mit. Aber dem Wandel hält er stoisch die Werte entgegen, die er als Kind gelernt hat: Anstand, Haltung zeigen, Würde bewahren. Als warmherziger Pädagoge ohne Lehrerdiplom vermittelt er diese Haltung auch den Schulkindern: Ist ein Lehrer krank, springt Herr Anselm ein und erzählt den Kindern Geschichten, dass es «klöpft und tätscht». Und wenn ein Kind Bammel hat vor einer Prüfung, dann spielt der Abwart mit ihm im Keller halt eine Runde Pingpong, «nachher sind sie ganz tranquilo im Herzen». Und Scheitern? Auch das müssen die Kinder in der Schule lernen, findet Herr Anselm, und fürs Üben von Gewinnen und Verlieren gibts das Goal auf dem Rasen hinter dem Schulhaus.

Philosoph im Abwartkittel

Arno Camenisch hat mit Herrn Anselm eine seiner typischen Figuren geschaffen, einen Philosophen im Abwartskittel, der mit schrägen Metaphern und fadengraden Einsichten die Welt im Kleinen und Grossen zu erklären versucht. Auch die Sprache ist ­typisch Camenisch, stark vom Mündlichen geprägt und mit kräftigen Dialektwörtern gespickt.

Reden heisst akzeptieren, und je länger Herr Anselm seiner verstorbenen «mia Cara» erzählt, desto deutlicher wird ihm, dass die Schliessung der Schule unausweichlich ist. So wie der Tod. Ändern lässt sich das nicht, doch Machtlosigkeit heisst für Herrn Anselm nicht Mutlosigkeit. Das Schulschiff mag seinem Untergang entgegensteuern, er bleibt an Bord. Wenn schon untergehen, dann in Würde – wie die Musiker auf der Titanic.

Arno Camenisch: «Herr Anselm». Engeler-Verlag 2019. 100 Seiten.

Stephan Moser ist Journalist und freier Rezensent.

Zur Person

Fleissiger Bündner Autor

Arno Camenisch, 1978 in Tavanasa GR geboren und aufgewachsen, studierte am Schweizerischen Literatur­in­stitut in Biel, wo er heute auch lebt. Seit seinem ersten Roman «Sez Ner» (2009) hat er Hörbücher, Hörspiele und weitere Werke verfasst. Seine Texte wurden in über 20  Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet. Seine Lesungen führten ihn deshalb quer durch die Welt, von Hongkong über Moskau und Buenos Aires bis nach New York.

im

 

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema