Autor: Regula Saner
FreiburgWo einst Kühe dumpf dreinguckten und munter Methangas produzierten, stehen heute Jugendstilstühle, Louis-Philipp-Sofas und Biedermeier-Sekretäre. Wir befinden uns im Reich von Michel Ettlin auf dem Landgut Agy in Granges-Paccot. Der Kunsttischler erwarb das Anwesen 1984 sozusagen für einen Apfel und ein Ei. Der damalige «Gutsherr», ein de Raemy, war im Begriff das Bauernhaus abreissen zu lassen. Als Michel Ettlin dies per Zufall mitbekam und den alten Mann als Idioten beschimpfte, weil er keine Ahnung habe, was schön sei, holte er den Gutsherrn just damit aus der Reserve. Von da an gehörten die heruntergewirtschafteten Stallungen mit Wohnhaus Ettlin. Für den heute 60-Jährigen eine unerschöpfliche Quelle der Arbeit.
Einfach ein Handwerker
Soeben wurde der neue Speicher fertig, gebaut mit dem Holz eines alten Speichers aus dem Jahr 1650. Durch eine grün gestrichene Türe aus Lerchenholz treten wir ein und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier offenbart sich das Werk eines Zimmermanns, Kunsttischlers, Steinmetzes, Lampendesigners. Fast jede Tür, jeder Balken und jeder Stein stammt aus alten Häusern, die mal abgerissen wurden. «Diese Tür gehörte zur Villa, die früher beim Freiburg Centre stand. Der Balken hier ist tausendjährig. Er stammt aus einem Haus, das beim Funiculaire stand. Und die Mauer hier habe ich aus Resten des abgebrannten Werkhofes gebaut. Ja, und dieses gotische Fenster fiel der Umfahrungsstrasse La Tour-de-Trême zum Opfer.» Und so ging das unendlich weiter. Michel Ettlin erzählte, wie der Bodenleger fast verzweifelt sei, weil er die Fliesen genau so anordnen musste, wie es der Querkopf Ettlin wollte. Ein Perfektionist, ja das sei er, bestätigte Ettlin. Und: «Ich sehe einfach gerne schöne Sachen.» Es sei für ihn schmerzhaft zu sehen, wie die Leute gedankenlos einfach alles wegwerfen würden. Als Kunsttischler steht Michel Ettlin im Dienste der Kunst. Ein Künstler also? «Nein, ich bin Handwerker, aber auch ein bisschen ein wilder Kerl.»