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Alleine in der Fremde

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Sieben junge Männer sitzen an einem Freitagnachmittag im März dicht aneinandergedrängt um einen Tisch im Foyer des Remparts im Freiburger Altquartier. Migrationsfachfrau Corinna Mauron erklärt ihnen, was sie nachher kochen werden: ein Gericht aus Teigblättern und einer Füllung aus Crème fraîche, Hackfleisch und Gemüse. Die Jungen, alle zwischen 13 und 17 Jahren alt, verstehen nicht alles. Mauron hat als Hilfe Zeichnungen gemacht. «Wie Lasagne», sagt schliesslich einer der Jungen. «Genau», antwortet Mauron. Auch die anderen verstehen: Lasagne, das haben sie in einem früheren Kochkurs kennen gelernt.

Die Jungen teilen sich in zwei Gruppen auf, diskutieren kurz, wer die vegetarische Variante kocht und wer für den Salat zuständig ist, dann gehen sie in die Küche. Dort herrscht Chaos: Auf dem Tisch kleben Essensreste, die Kochplatten sind fettig verspritzt. «Zuerst putzen», stöhnt ein Junge. Er greift sich einen blauen Lappen, wischt mit Schwung über den Tisch; was darauf liegt, fällt auf den Boden. Er schaut zur Kochleiterin, zuckt mit den Schultern, grinst.

Zahlen gestiegen

Den Kochkurs bietet das Foyer des Remparts seit gut eineinhalb Jahren an. «Die Jugendlichen gaben von den 10 Franken, die sie täglich fürs Essen bekommen, zu viel Geld für Kebab und McDonald’s aus. Viele wussten nicht, wie sie selbst eine Mahlzeit zubereiten können», sagt Daniel Schwenzer, Leiter des Foyers. Gleichzeitig sei der Kochkurs eine Beschäftigung für die Jugendlichen. So bietet das Foyer auch Sportkurse an, und die jungen Leute können zudem Beschäftigungsprogramme der ORS AG, die für die Betreuung aller Asylsuchenden im Kanton zuständig ist, besuchen. In einem Atelier in der Daillettes gibt es Velo- und Schneiderkurse.

Knapp 60 unbegleitete minderjährige Asylsuchende–das heisst Kinder und Jugendliche ohne ihre Eltern oder andere erwachsene Verwandte–wohnen zurzeit im Foyer des Remparts. Insgesamt leben 99 im Kanton Freiburg, einige sind in der Asylunterkunft in Grolley untergebracht. «Früher haben bei uns vor allem Familien gewohnt», sagt Schwenzer.

Seit letztem Sommer steigen die Zahlen, im März vor einem Jahr hatten neun unbegleitete Minderjährige in Freiburg gelebt. Viele stammen aus Eritrea, andere kommen aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, vereinzelte aus anderen Ländern. «Wir fragen sie nicht nach ihrer Geschichte», sagt Schwenzer. «Von einigen weiss ich, dass die Reise nach Europa schlimmer war als das Leben in der Heimat.» Ein Junge sei dabei gewesen, als zwei seiner Freunde erschossen wurden–solche Erlebnisse traumatisierten die Jugendlichen. «Wenn wir das feststellen, leiten wir sie an die Kinderpsychiatrie weiter.»

In Freiburg besuchen die Jugendlichen zu Beginn einen Französischkurs. Sobald sie ein gewisses Sprachniveau erreichen, kommen sie in die Integrationsklasse an der Berufsschule, Praktika folgen, wenige erhalten eine Lehrstelle. Die Kinder und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter besuchen eine Primar- oder Orientierungsschule.

 In der Schule

An einem Dienstag im März begleiten die FN zwei Brüder aus Pakistan, den 13-jährigen Usama und den 15-jährigen Farhan, an die Orientierungsschule im Perolles. Um 7 Uhr steht der Ältere bereits mit seinem Schulsack im Flur des Foyers. «Ich gehe meinen Bruder holen», sagt er, rennt die Treppen hoch. Wenig später kommt er mit Usama herunter; dieser hält zur Begrüssung artig die Hand hin.

Die beiden sprechen fliessend Englisch, Französisch bereitet ihnen noch Mühe. Seit sechs Monaten sind sie in der Schweiz, seit Januar besuchen sie die Schule. Auf dem Weg dorthin erzählt Farhan, dass er Englisch möge, andere Fächer aber schwierig seien. Spricht er von einer seiner Lehrerinnen, nennt er sie «My Madam».

Die Muttersprache der beiden ist Urdu, doch auch Farsi verstehen sie, ein paar Brocken Deutsch, Italienisch. Angeeignet in den Lagern, in denen sie schon waren, sagt Farhan. Usama ist still. «Bist du müde?»–«It’s okay»–«Sprichst du am Morgen nicht gerne?»–Er schüttelt den Kopf, lächelt verhalten.

Bei der Uni Miséricorde steigen die beiden in den Bus. Es sei zu kalt, um zu Fuss zu gehen, sagen sie. Ob es in Pakistan nie so kalt werde? Keine Antwort. Ob sie noch mehr Geschwister haben? «Ja», sagt Farhan, beide blicken aus dem Fenster, geben zu verstehen, dass solche Fragen schmerzen.

Im Perolles angekommen geht Farhan zur Turnhalle; er hat zwei Lektionen Sport, bei Usama steht Mathematik auf dem Programm. Farhan ruft seinem Bruder zum Abschied etwas in Urdu zu, Usama nickt, betritt dann das Schulhaus. Er sitzt in einer sogenannten «Classe d’appui», mit ihm sind Schülerinnen und Schüler aus Ländern wie Eritrea, Portugal und Mexiko dabei. Gemeinsam erhalten sie Deutsch-, Französisch-, Englisch- und Mathematikunterricht; andere Fächer besuchen sie in einer Regelklasse.

An diesem Vormittag ist Bruchrechnen angesagt. Usama arbeitet konzentriert. Zwischendurch sagt er: «Easy». Bei einer schwierigeren Aufgabe blickt er auf, fragt gespielt verzweifelt: «Wer hat eigentlich Math erfunden?» Als aber dann seine Lehrerin die Aufgaben mit ihm durchgeht, ihn lobt, strahlt er. «Merci, Madame.»

Ungleiche Chancen

Nicht alle würden ihre Chancen gleich gut packen, sagt Remparts-Leiter Daniel Schwenzer. «Gewisse finden sich zurecht, andere haben Mühe.» Dies gelte für die Sprache und die Schule, aber auch für andere Lebensbereiche, wie Rechnungen bezahlen oder kochen. Es hänge oft damit zusammen, wie gut die Schulbildung im Heimatland war, aber auch, welche Vorstellung die Kinder und Jugendlichen vom Leben in der Schweiz hätten. «Einige denken, es genüge, die Hemdsärmel hochzukrempeln und arbeiten zu wollen.» Dass sie zuvor zur Schule müssten, begriffen nicht alle.

Die Jugendlichen im Foyer des Remparts wohnen manchmal mehrere Jahre dort. «Sie gehören mittlerweile zum Quartier», sagt Schwenzer. Das haben auch Bewohner des Altquartiers erkannt: 30 Familien laden regelmässig Jugendliche aus dem Foyer zum Mittagessen ein. Werden die Minderjährigen volljährig, können sie in eine Wohngemeinschaft ziehen. Andere müssen die Schweiz verlassen. «Einige sehen wir immer wieder, viele verlieren wir aus den Augen.»

«Wir bleiben zusammen»

An dem Dienstag gehen Farhan und Usama nachmittags nicht zur Schule, im Foyer ist ein Impftermin angekündigt. Währenddem sie auf den Arzt warten, erzählt Farhan von seinen Freizeitbeschäftigungen: Mit Freunden zum Bahnhof gehen, Kochen, Putzen, Hausaufgaben machen, Beten. Was er einmal werden möchte? «Ich bin noch jung, ich habe es mir noch nicht überlegt», sagt er. Er wolle sicher weiter in die Schule gehen–und zu seinem Bruder schauen. «Wir bleiben zusammen.»

Putzen vor dem Kochen. Bild Charles EllenaDer 15-jährige Farhan spielt gerne Tischfussball. Bild Corinne Aeberhard

Einige denken, es genüge, die Ärmel hochzukrempeln und arbeiten zu wollen.

Daniel Schwenzer

Leiter des Foyers des Remparts

Jugendamt: Die rechtlichen Vertreter

T eilt der Bund dem Kanton minderjährige, unbegleitete Asylsuchende zu, so findet ein Kontakt zwischen dem Jugendamt und den Kindern oder Jugendlichen statt. «Wir sind vom Friedensgericht mandatiert und ihre Vertrauenspersonen», sagt Marie Débois, eine der zwei Verantwortlichen für die minderjährigen Asylsuchenden beim Freiburger Jugendamt, und zählt ihre Aufgaben auf: Sie vertreten die Jugendlichen rechtlich, unterschreiben Dokumente oder tragen in medizinischen Entscheiden die Verantwortung. Sie organisieren, dass die schulpflichtigen Kinder zur Schule gehen. Stellen sie fest, dass ein Minderjähriger gesundheitliche oder psychische Probleme hat, stellen sie den Kontakt zu Ärzten oder der Kinderpsychiatrie her. «Wir begleiten die Kinder und Jugendlichen nicht im Alltag, aber wir versuchen, ihnen das Leben in Freiburg zu erklären», sagt Débois. Der Fokus liege auf der Gegenwart: «Wir fragen nicht, was sie erlebt haben.»

Auch wenn das Jugendamt nicht nach den Geschichten fragt, so erfahren die Mitarbeiter doch vieles. «Einige sind unter Druck, weil sie Geld nach Hause schicken müssen», so Débois. Oft hätten sie es nicht selbst ausgesucht, ihre Heimat zu verlassen, sondern seien von den Familien geschickt worden.

Im Prozess begleiten

Das Jugendamt begleitet die jungen Menschen beim Asylprozess. «Eine Anhörung findet in den Bundeszentren statt. Wir gehen mit ihnen nach Bern für die zweite Anhörung.» Das seien schwierige Momente für die Kinder und Jugendlichen, dort müssten sie von ihrer Reise und ihrer Vergangenheit erzählen. «Dabei sollen sie nicht alleine sein», sagt Débois. Wichtig sei, ihnen klar zu machen, dass das Jugendamt und die Betreuer in den Unterkünften den Asylentscheid nicht beeinflussen können.

Fällt das Staatssekretariat für Migration einen negativen Entscheid, prüft das Jugendamt, ob sich ein Rekurs lohnt. Dabei holt es Rat bei Caritas. Gebe es Chancen, lege das Jugendamt Rekurs ein. «Wenn nicht, müssen wir den Jugendlichen erklären, dass sie nicht als Flüchtlinge anerkannt werden.» Entscheide der Bund, einen minderjährigen Asylsuchenden nicht aufzunehmen, so sei die Wahrscheinlichkeit einer Ausschaffung gering: Es muss garantiert sein, dass sich in der Heimat jemand um ihn kümmert. Mit der Volljährigkeit ändert sich das, und die Ausschaffung wird wahrscheinlicher. Auch beim Jugendamt endet die Verantwortlichkeit, wenn die Jugendlichen 18 werden. «Was danach läuft, bekommen wir offiziell nicht mit.» mir

 

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