Autor: fahrettin calislar
brienz Mitten auf dem Ballenberg, in der Häuserlandschaft des westlichen Mittellandes, stehen die Freiburger Häuser. Es sind vier Gebäude, die einen tiefen Einblick in die Kultur und Geschichte des Sensler Bauernstandes geben. Während rund 25 Jahren haben die Verantwortlichen diese Kleinode zusammengetragen. Vorläufig sei man mit dem Erreichten ganz zufrieden, sagt der wissenschaftliche Leiter des Freilichtmuseums (FLM), Edwin Huwyler.
Und um den Freiburger Hof sei man besonders froh im Berner Oberland. Er ist die Frucht einer fast vierzig Jahre dauernden Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen des Ballenbergs und dem Freiburger Bauhistoriker Jean-Pierre Anderegg. «Wir haben es vor allem ihm zu verdanken, dass wir den Hof praktisch als Ganzes abschliessen konnten», sagt Huwyler. Andereggs Kontakte und die Kenntnis möglicher Überführungskandidaten und ihrer Besitzer seien überaus wertvoll.
Denkmalpflege hat Vorrang
Bauernhofkombinationen gebe es einige, doch die Vollständigkeit der Freiburger Präsenz sticht hervor. Das FLM erhält rund 30 Gebäude pro Jahr ernsthaft angeboten. Das Museum sucht seine Objekte nicht aktiv, sondern nimmt, was ihm unterbreitet wird. Dies auch nur dann, wenn es einem umfassenden Konzept entspricht. Er schaue sich erst eine Fotografie an, sagt Huwyler, dann spreche er sich mit der kantonale Denkmalpflege ab, denn oft wollen die Eigentümer mittels Abführung auf den Ballenberg allfällige Schutzvorgaben umgehen. Die Verantwortlichen lehnen diese Angebote in der Regel ab, «auch wenn es für uns ein Objekt wäre, auf das wir schon lange warten». Erst nach reiflicher Überlegung, vielen Planungen und einem Finanzierungsmodell wird das Gebäude ab- und auf dem Ballenberg Stück für Stück wieder aufgebaut.
Auch die Inneneinrichtung ist selten wirklich original. Das Museum besitzt einen Grundstock von Dekorationsobjekten, zum Teil erhält es Leihware aus anderen Museen wie beispielsweise dem Sensler Museum. Entscheidend ist das Alter des jüngsten Objekts, denn die Leute damals warfen kaum etwas weg, so stand Uraltes neben Neuem. «Es wurde alles addiert.»
Keine Regel ohne Ausnahme
Dass es vorläufig keine grösseren Veränderungen mehr geben wird, hat unter anderem mit der Ausbaupolitik des FLM zu tun. Zurzeit stehen auf dem Hügel oberhalb von Brienz rund 100 Gebäude unterschiedlicher Grösse. Damit ist das Gelände schon recht gut gefüllt. Ganz zu schweigen von den Kosten, welche jedes aufgenommene Haus für den Betrieb verursacht. «Wir sind deshalb sehr zurückhaltend mit der Aufnahme neuer Gebäude», sagt Huwyler. Weitere Ausbauschritte seien auch deshalb schwierig, weil die Besucher das Museum in seiner Ganzheit bereits jetzt kaum mehr an nur einem Tag anschauen können.
Doch es sei ein Moratorium mit Ausnahmen, stellt Huwyler klar. Einige Elemente fehlen noch. Dabei denkt Huwyler an ein Objekt aus dem schlecht vertretenen Graubünden, an ein kleines Schulhaus aus irgendeiner Ecke des Landes, an ein Hofensemble oder eine Alphütte aus der Westschweiz, insbesondere aus dem freiburgischen Greyerzbezirk.
Nicht in Freiburger Gruppe
Freiburgs Alpwirtschaft wäre vom Moratorium ausgenommen. «Wenn uns jemand eine Alphütte aus dem Kanton Freiburg anbieten würde, würden wir sie gerne übernehmen.» Vorausgesetzt, sie werde an diesem Ort nicht mehr gebraucht und sei nicht mehr zu erhalten.
«Sie käme aber nicht in den freiburgischen Sektor, sondern in die alpwirtschaftliche Kammer.» Das Museum unterscheidet auch nach Hauslandschaften: «Wir können nicht hinter das Haus von Tentlingen eine Alphütte hinstellen.» Sie würde am oberen Ende eines Hangs zu stehen kommen. Dort habe man dafür Platz ausgeschieden. Ein erster Versuch mit der Alphütte «Crêt-de-la-Ville» in Moléson war 2005 gescheitert – allerdings aus einem «guten» Grund: Sie konnte an ihrem Standort erhalten und renoviert werden.
Die Romandie bereitet den Verantwortlichen überhaupt etwas Sorge. Im Verhältnis zur Bevölkerung ist die französischsprachige Schweiz an Bauten schwach vertreten. Dies trotz der Anstrengungen der Westschweizer Sektion der Freunde des Ballenbergs (ARB). Die Mitglieder versuchten immer wieder, Objekte zu vermitteln, doch die Verantwortlichen mussten die Angebote ablehnen.
Buchtipp: Edwin Huwyler, Christian Sidler. Führer durch das Schweizerische Freilichtmuseum. Sarnen, 1999.
Renovation statt Umzug: Die Alphütte «Crêt-de-la-Ville» hätte ins Freilichtmuseum Ballenberg gepasst, der Umzug ist aber gescheitert. Die Hütte steht noch immer auf dem Moléson.Vincent Murith/a
Sommerserie
Freiburg auf dem Ballenberg
Der Kanton Freiburg ist im Schweizerischen Freilichtmuseum (FLM) Ballenberg in Hofstetten bei Brienz gleich mit einem ganzen Ensemble präsent. Vier Gebäude bilden eine einzigartige Einheit unter den rund 100 Häusern: ein Wohnhaus mit angebautem Stall, ein Kornspeicher, ein Ofenhaus und ein Chabiskeller. Sie stammen alle aus dem Sensebezirk und sind Zeugen des Landlebens im Kanton Freiburg. In einer sechsteiligen Serie erzählen die FN die bewegte Geschichte der Deutschfreiburger Bauernschicht anhand ihrer Häuser. Das Portrait über den Chabiskeller von Oberschrot bildet den fünften Teil der Serie. Im abschliessenden Teil sprechen wir mit einem Bauernhausforscher. fca