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Von Versprechern und von Verlesern

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Natürlich könnte ich jetzt easy was über den Zweitsprachenunterricht in der deutschsprachigen Schweiz schreiben. Darüber, dass einige böse Deutschschweizer Kantone den Französischunterricht von der Primarschule in die Sekundarschule verlagern wollen, und wenn dies mal vielleicht geschehen ist, dass sie zuerst mal die lernschwachen Schülerinnen und Schüler von den Französischstunden dispensieren, und dann das Französische wohl ganz vom Stundenplan der obligatorischen Schule streichen. Und dass die viel beschworene mehrsprachige Schweiz womöglich ein Auslaufmodell ist. Und dass die Mehrsprachigkeit, die eben Teil unserer multikulturellen Demokratie ist, vielleicht halt mal demokratisch abgeschafft wird.

Aber es haben genug Zeitungsartikel und Leserbriefe auf das Problem hingewiesen, von Sprachenfrieden, nationalem Zusammenhalt, Solidarität zwischen den Sprachgemeinschaften und Reziprozität zwischen den Sprachregionen geschrieben, sodass man von einer Kolumne über die Zwei- und Mehrsprachigkeit wohl kaum was Originelles zum Thema Unterricht der Zweitsprache als Landessprache in den Primarschulen der Schweiz erwartet.

Was mich aber im seit längerem fasziniert, sind die Versprecher und Verleser, vor allem in einem mehrsprachigen Kontext. Bei der Speicherung des mentalen Wortschatzes gibt es ja den bekannten Badewanneneffekt. Anfangs- und Schlussbuchstaben eines Wortes sind mnemotechnisch wichtig und ragen hervor wie der Kopf und die Füsse im Bad aus dem Wasser. Deshalb wissen wir manchmal nur den Anfang oder den Schluss eines Wortes oder eines Namens, oder verwechseln beim Sprechen Wörter, welche gleich anfangen, und versprechen uns so. Aber Kontext, Atmosphäre, Thema, persönliche Erfahrungen sind auch wichtige Ankerpunkte beim Speichern der Wörter, und so gibt es manchmal auch Überschneidungen zwischen den Sprachen, was zu Verlesern führen kann.

So las ich in meinem Kopf in einem französischen Artikel über «Rail 2000» den Namen «Schaffner» statt «Schaffter», da «Rail» automatisch mit dem Thema Zug in Verbindung gesetzt wurde, was den dazu passenden Schaffner generierte.

 In einem französischen Artikel über die Schifffahrt wird der darin zitierte Name «Hans Van der Werf» in meinem Kopf plötzlich zu «Werft», weil beide Wörter zum gleichen semantischen Feld gehören, und bei einem Kreuzworträtsel spreche ich subvokal das Wort «Biene» spontan wie die Stadt «Bienne» aus, weil ich gerade an einem Vortrag über Biel arbeite. Und es gäbe noch ganz viele solcher Beispiele. Passiert Ihnen das auch? Sie haben vielleicht auch spannende Verleser.

P. S. Kolumnenschreiber sind isolierte Schreibende (aber wer ist es nicht?). Wer wird mir je wieder ein Feedback zu einer meiner Sprachkolumnen schicken? Diese Kolumne ist dem verstorbenen Hermann Bürgy in Dankbarkeit für seine Herzlichkeit und Grosszügigkeit gewidmet.

Claudine Brohyist Linguistin und wohnt in Freiburg. Sie ist zweisprachig aufgewachsen, hat in Freiburg und in Kanada studiert. Sie interessiert sich für die verschiedenen Aspekte der Zweisprachigkeit und ist Mitglied einer FN-Autoren-Gruppe, die im Monatsrhythmus frei gewählte Themen zur Zweisprachigkeit bearbeitet. Die Autorin tut dies auf Wunsch der Redaktion mal auf Deutsch, mal auf Französisch.

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