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Armut geht uns alle etwas an

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«Drei Prozent Arme im Kanton, das ist verhältnismässig moderat im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Für die Betroffenen bedeutet es aber grosse Schwierigkeiten», sagt Jean-Claude Simonet, Chef des kantonalen Sozialamtes. Und die Tatsache, dass zehn Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet sind – also weniger als 60  Prozent des mittleren Einkommens haben –, zeige, dass das Problem nicht unterschätzt werden dürfe. Zumal eine aktuelle Studie von McKinsey davon ausgehe, dass aufgrund der Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft bis zum Jahr 2030 1 bis 1,2  Millionen Arbeitsplätze wegfallen. Zwar entstünden stattdessen neue Jobs. Jean-Claude Simonet ist dennoch besorgt. «Die Digitalisierung ersetzt Arbeiten, die heute oft von Menschen erledigt werden, die keinen Lehrabschluss haben. Diese für neue Arbeiten im Technologiebereich umzuschulen wird schwierig.» Denn das Ziel der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren, dass mindestens 95  Prozent der Jugendlichen einen Abschluss auf Sekundarstufe  II haben sollen, greife erst langsam.

Aber nicht nur die Arbeitswelt verändert sich, auch die familiären Situationen. Noch heute seien viele Menschen armutsgefährdet, weil sie nicht genügend verdienten, um in die zweite Säule einzuzahlen, erklärt Sarah Mariéthoz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Sozialamt. Das sei etwa nach einer Scheidung der Fall. «Die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsdelegierten weist darum darauf hin, dass Menschen, die 70  Prozent arbeiten, auch im Scheidungsfall die geringsten finanziellen Risiken eingehen.»

Auch bei der Arbeitslosen- und Invalidenversicherung wurden die Leistungen gekürzt – notabene mit der Zustimmung des Volkes. «Zwar ist das soziale Auffangnetz in der Schweiz immer noch gut», bemerkt Simonet. Und die Schweiz weise auch eine der tiefsten Arbeitslosigkeitsquoten in Europa auf. «Aber die Langzeitarbeitslosenquote ist eine der höchsten.»

All dies beunruhigt Simonet umso mehr, als der Bund dem Nationalen Programm zur Armutsprävention und Armutsbekämpfung für die Jahre 2019 bis 2023 neu nur noch 2,5  Millionen Franken zur Verfügung stellt anstatt wie bisher 9  Millionen Franken. Das sei eine schlechte Nachricht, sagt Simonet. Denn das Programm erlaube den Austausch zwischen Bund, Kantonen, Städten, Gemeinden, Sozialpartnern und zivilgesellschaftlichen Organisationen (NGO). «Mit Armut sind zu allererst die Gemeinden konfrontiert. Darum ist es wichtig, dass sie das Wissen und die Instrumente haben, um Armutsbetroffenen helfen zu können und vorbeugend zu wirken.» Wenn aber gesellschaftliche Entwicklungen nicht antizipiert würden, könne auf die neuen sozialen Risiken nicht reagiert und die individuelle und gesellschaftliche Verantwortung nicht wahrgenommen werden. «Die Armut in der Schweiz droht grös­ser zu werden.» Und das gehe alle etwas an, denn: «Eine Gesellschaft hält nur zusammen, wenn jeder etwas beitragen kann zum Reichtum.» Die Ausgrenzung sei eine Bedrohung, nicht nur für den Betroffenen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Es genüge ein Blick nach Brasilien oder Venezuela, wo die grosse Kluft zwischen Arm und Reich die Demokratie und das Funktionieren des Staates bedrohe.

Auch Sarah Mariéthoz bedauert die Sparmassnahmen des Bundes: «Das Programm hat gute Ergebnisse hervorgebracht. So wurden etwa Kitas und Schulen vernetzt, um besser über soziale Hilfsangebote informieren zu können.» Und Jean-Claude Simonet ergänzt: «Es ist wichtig, dass die Eltern wissen, wo sie sich hinwenden können, damit ihre Kinder an Schulanlässen teilnehmen können, sollten diese aufgrund des Bundesgerichtsurteils künftig nur noch fakultativ sein.»

Armut

Armut ist nicht bloss eine Geldfrage

Per Definition ist arm, wer über so geringe Mittel verfügt, dass er oder sie von der Lebensweise ausgeschlossen ist, die in dem Land, in dem er oder sie lebt, als Minimum annehmbar ist.

Zwei Berechnungsarten

In der Schweiz gibt es zwei Armutsberechnungen: Die Armutsquote ist der Mindestbetrag, den die Gesellschaft allen Bürgern gewähren muss. Er entspricht dem Existenzminimum der Sozialhilfe (siehe Kasten rechts). Die Armutsrisikoquote definiert sich nach dem üblichen Lebensstandard. Als armutsgefährdet gelten Personen, die weniger als 60  Prozent des mittleren Einkommens haben.

Frage von Bildung und Kultur

Gemäss Jean-Claude Simonet, Chef des kantonalen Sozialamts, ist Armut aber mehr als eine Geldfrage. Arm ist auch, wem die kulturellen und sozialen Mittel fehlen, um in einer Gesellschaft mitzuhalten. «Wissen, Können, berufliche Qualifikationen, das Kennen von gesellschaftlichen Codes und Regeln verhindern Armut.»

Armut ist überwindbar

Aus der Armutsfalle könne man rauskommen. Vorausgesetzt, man habe an der Gesellschaft teil. «Wenn es eine gesellschaftliche Durchmischung gibt, hat man eine Chance», bestätigt auch Sarah Mariéthoz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Sozialamt. Solidarität ist darum wichtig, umso mehr, als in der Schweiz der Grundsatz der Eigenverantwortung gilt. Die Sozialhilfe greift nur subsidiär. Das sei zwar grundsätzlich richtig, sagt Mariéthoz, «aber die heutigen Lebensumstände fordern dem Einzelnen viel ab». Nicht immer sei man für seine Lage allein verantwortlich. Simonet macht ein Beispiel: «Der Kanton Freiburg hat nach den Kantonen Genf und Waadt den tiefsten Wohnungsleerstand der Westschweiz. Weil es aber keinen sozialen Wohnungsbau gibt, werden Menschen mit wenig Geld Opfer der Spielregeln auf dem Markt.»

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Zahlen und Fakten

Leben unter der Armutsschwelle

Ein Haushalt gilt im materiellen Sinn als arm, wenn sein verfügbares Einkommen unter dem sozialen Existenzminimum liegt. Dabei wird kein Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern gemacht. Es setzt sich aus der Unterhaltspauschale für die Deckung des Grundbedarfs (Ernährung, Bekleidung), den Wohnkosten sowie den Kosten der medizinischen Grundversorgung zusammen. Dazu kommen situationsbedingte Leistungen. Die Unterhaltspauschale beträgt für eine Person 986, für zwei Personen 1509, für drei 1834, für vier 2110, für fünf Personen in einem Haushalt 2386 Franken. Für jede weitere Person gibt es 200 Franken mehr.

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