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Auch der Kanton Freiburg muss früher begangenes Unrecht konsequent aufarbeiten

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E-Mails, Telefonanrufe und eine grosse Anzahl Leserbriefe: Der Artikel in den Freiburger Nachrichten vom 6. April über das frühere Kinderheim St-François in Courtepin hat eine Welle von Reaktionen ausgelöst. Eine Gymnasiastin untersuchte in ihrer Maturaarbeit über dieses Heim die Zeitspanne zwischen 1960 und 1965. Sie beleuchtete dabei organisatorische, strukturelle und finanzielle Aspekte der Institution, gab aber mit der Befragung von drei Zeitzeugen auch Einblick in die erzieherischen und pädagogischen Realitäten der damaligen Zeit. Im Lichte der Erkenntnisse aus der jüngst erfolgten Aufarbeitung der Schicksale von früheren Luzerner Heimkindern schien es der FN-Redaktion wichtig und richtig, die Arbeit der Maturandin aufzugreifen und dabei die Aussagen der anonymen Zeitzeugen in den Vordergrund zu rücken.

Die Reaktionen aus der Leserschaft waren mehrheitlich geprägt von Unverständnis und Kritik. In einzelnen Fällen fielen sie auch äusserst erbost aus. Alle negativen Rückmeldungen drehten sich um dieselben paar Fragen: Weshalb greifen die FN eine Maturaarbeit zu einem solchen Thema überhaupt auf und geben ihr derart viel Gewicht? Warum erhielten die Ingenbohler Schwestern in dem Artikel keine Stimme, obschon sie oder beziehungsweise einzelne ihrer Mitschwestern durch die Aussagen der Zeitzeugen teilweise schwer belastet wurden? Warum kann man nicht die Vergangenheit ruhen lassen und feststellen, dass in der damaligen Erziehungs- und Bildungsarbeit zwar vieles nicht gut gelaufen ist, die Ingenbohler Schwestern aber vor allem segensreich, selbstlos und buchstäblich fast für Gottes Lohn gewirkt haben, gerade auch im Sensebezirk?

So viel vorweg: Die Fragezeichen und die Kritik der Leserinnen und Leser sind berechtigt und nachvollziehbar, wo es um die journalistische Bearbeitung des Themas geht. In der Tat sind der Redaktion hier Fehler unterlaufen: So haben wir die vorliegenden Grundlagendaten nur ungenügend gewürdigt. Wir haben es verpasst, die heutigen Erkenntnisse in den historischen Kontext einzuordnen. Und wir haben die Ingenbohler Schwestern nicht für eine Stellungnahme kontaktiert. Für diese Unzulänglichkeiten muss die Redaktion geradestehen, und dafür bittet sie um Entschuldigung. Vorab bei den Ingenbohler Schwestern, aber auch bei der Maturandin, die mit ihrer Arbeit ein enorm heikles Thema aufgegriffen hat, die aber nebst den Aussagen der Zeitzeugen in ihrer Arbeit auch eine Vielzahl von anderen Elementen aus dem Heimalltag dokumentierte. Tatsache ist, dass die FN-Redaktion bei der Bearbeitung dieses Themas nicht die nötige Sensibilität und die gebotene Sorgfalt an den Tag gelegt hat, und das bedauern wir.

Dennoch: Zur Problematik der früheren Kinderheime ist eine breite gesellschaftliche Debatte nach wir vor nötig. Und all jenen, die die Vergangenheit lieber ruhen lassen wollen, muss gesagt werden: Nein – die Vergangenheit ist lebendig, allen voran bei den ehemaligen Heimkindern. Das damalige Betreuungspersonal – ob geistlich oder weltlich–muss für begangenes Leid moralisch geradestehen. Ebenso die damaligen Behörden, Aufsichtsorgane und Heimdirektoren: Sie haben durch Delegieren und Wegschauen ebenfalls Schuld auf sich geladen.

Nach den diversen Studien im Kanton Luzern hat sich der Ingenbohler Orden bei den Betroffenen für das begangene Unrecht entschuldigt. Der Freiburger Staatsrat entschuldigte sich im vergangenen Jahr bei den ehemaligen Verding- und Heimkindern für das Leid, das ihnen zugefügt wurde. Damit ist ein grosser Schritt getan. Weitere Schritte müssen nun aber folgen. Im Kanton Freiburg gab es früher viele Kinderheime und Waisenhäuser. Die Arbeit der Maturandin zeigt zumindest ansatzweise, dass auch in unserer Region noch viel erlebtes Leid aus der besagten Zeit unausgesprochen vorhanden sein dürfte. Das gehört ans Licht – auch wenn es für alle Beteiligten zu einem schmerzlichen Prozess wird. Die Gesellschaft ist es den damaligen Heimkindern schuldig, dass sie bei Bedarf ihre Erlebnisse an kompetenter Stelle deponieren können.

Der Kanton Freiburg täte also gut daran, die damaligen Verhältnisse in diesen Institutionen systematisch und schonungslos aufarbeiten zu lassen. Nur so würde vollendet, was im vergangenen Jahr mit der offiziellen Entschuldigung durch den Staatsrat begonnen hat: Die Bewältigung eines unangenehmen Kapitels unserer Geschichte.

Die Freiburger Nachrichten werden auch weiterhin über diese Thematik berichten. Wir werden dies künftig aber sorgfältiger tun und dabei auch die wichtige Einordnung der Ereignisse in ihren historischen Kontext nicht vernachlässigen. Immer aber mit dem Ziel vor Augen, mit der Berichterstattung das kollektive Bewusstsein in der Gesellschaft für die Vorkommnisse in der jüngeren Vergangenheit zu schärfen. Damit sich solches in nächster Zukunft nicht mehr ereignet.

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