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Austausch multipler Schicksale

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Die Schockdiagnose hat Marcel 2002 bekommen. Er hatte einfach nur bemerkt, dass er auf einem Auge immer schlechter sieht. Bis die Sehkraft fast ganz verschwunden war. Er selbst hatte bald einmal die Vermutung, dass er Multiple Sklerose (MS) habe; es hätte aber auch ein Tumor sein können. Dann die Diagnose: Es ist MS. «Zuerst war ich irgendwie fast erleichtert», erzählt Marcel. Doch plötzlich wurde er sich der Tragweite dieser Beurteilung bewusst: «Am Anfang hatte ich mit Depressionen zu kämpfen, dann hatte ich ein Burn-out. In dieser Zeit bin ich durch die Hölle gegangen.» Marcel steckt sich eine Zigarette an, er trägt ein T-Shirt von der Nouvelle-Chanson-Sängerin Zaz. «Ich bin ein Musikfreak, ich gehe oft an Konzerte», sagt Marcel. Vor ihm wird ein grosser Coupe Eiscreme abgestellt. «Ich geniesse das Leben seit meiner Diagnose viel bewusster.»

Allergisch auf Mitleid

Rund 10 000 Schweizerinnen und Schweizer sind von dieser Entzündung des Nervensystems betroffen. Elf dieser Betroffenen sitzen an diesem Mittwochnachmittag zusammen im Restaurant Schiffenen. Sie alle gehören zur MS-Selbsthilfegruppe Deutsch­freiburg. Eine von ihnen ist Esther, sie hat die Leitung der Gruppe inne. «Wir sitzen einmal im Monat zusammen und tauschen Erfahrungen aus. Wir geben uns Ratschläge und können über Probleme reden», erklärt Esther. Die Schwere ihrer Schicksale unterscheidet sich: Von einer Schiene am Bein bis zu einer Lähmung, die fast den ganzen Körper betrifft.

«Wir sind ein gemütlicher Haufen», findet sie. Man suhle sich nicht gemeinsam im Selbstmitleid. «Da reagiere ich allergisch drauf», so die Gruppenleiterin. Mitgefühl, das schon. Aber kein Mitleid. Sie alle hätten völlig normale, schöne Alltagserlebnisse: «Ein gutes Glas Wein, ein feines Essen – wir führen unsere Leben so normal weiter, wie wir eben können.» Mit den Einschränkungen versuchen sie alle, so gut wie es geht, klarzukommen. Barbara etwa sitzt im Rollstuhl und kann sich nur noch während ihren Spasmen – dank der dann stabilen Muskeln – von einem Ort zum anderen bewegen, vom Rollstuhl ins Bett etwa. Früher hat sie als Konditorin gearbeitet: «In meinem früheren Leben war ich Confiseurin, und in meinem neuen Leben mit MS habe ich eine Stelle bei der Sensler Stiftung für Behinderte. Ich webe und stelle schöne Sachen her», sagt sie.

Die Hemmschwelle senken

Barbara hat nach ihrer Diagnose sogar einen Fallschirmsprung gemacht. «Alleine könnte ich das zwar nicht. Aber mit ein bisschen Hilfe kann sogar jemand im Rollstuhl noch Fallschirm springen», erzählt sie. Barbara lacht sehr viel. Sie spricht von ihrem Alltag mit der Nervenkrankheit, in ihrer Stimme schwingt kein Zorn, keine Resignation, keine Verbitterung mit. Dies, obwohl sie und die anderen Gruppenmitglieder auch schon einige enttäuschende Situationen erleben mussten: Menschen, die ihnen aus Unsicherheit kaum mehr Hallo sagen können. Bekannte, die sie am Anfang, als sich ihre Gangart veränderte, fragten, ob sie schon morgens früh betrunken seien. Sie wüssten allerdings, dass das nicht böse gemeint sei. «Aber wir wollen die Hemmschwelle senken», sagt Esther. Nicht nur die der Bekannten gegenüber den Betroffenen, sondern auch die der Betroffenen im Umgang mit ihrer Krankheit. Esther kennt einige Leute, die etwa der Selbsthilfe-Gruppe nicht beitreten wollen aus Angst oder Scham. Dem wolle sie entgegenwirken.

Schwere Fälle in jungen Jahren

MS bedeutet lebenslänglich. Bis anhin wurde auf diesem Gebiet viel geforscht, doch ein Mittel, das die Betroffenen heilen könnte, existiert noch nicht. Auch die Ausprägungen sind von Person zu Person unterschiedlich: Eines der Gruppenmitglieder, Ernst, hat die Krankheit, seit er 20 Jahre alt ist. Nun zählt Ernst 87 Jahre. Ein Glücksfall. Denn manche Betroffene sind schon nach wenigen Jahren komplett gelähmt. Sie können nicht mehr schlucken, benötigen einen elektrischen Rollstuhl.

Eine der grössten Herausforderungen sei die Arbeit. Einerseits die körperliche – da aber bei einigen die Hirnleistung abnimmt, auch die geistige. Patricia macht es so, dass sie Büroarbeiten für die Firma ihres Mannes erledigt. Auch die Reaktionen auf die Diagnose sind vielfältig. Käthy etwa, die mit dem Bike ans Treffen geradelt ist, erzählt: «Als ich die Diagnose erhielt, ging ich gleich zwei Tage später ein neues Fahrrad kaufen. Wer weiss, wie lange ich noch Rad fahren kann?» Momentan gehe es allerdings noch gut. Jeder wählt eine unterschiedliche Art der Therapie. In einem sind sie sich aber einig: Die Treffen der Selbsthilfegruppe helfen ihnen sehr.

Zahlen und Fakten

Treffen jeden 3. Mittwoch im Monat

Multiple Sklerose (MS) betrifft das zentrale Nervensystem – also Gehirn und Rückenmark. Meist tritt die Krankheit erst im Erwachsenenalter auf. Die Symptome sind vielfältig und von Person zu Person verschieden. Einige davon sind Sehstörungen, Lähmungen an Beinen und Armen, Gleichgewichtsstörungen sowie grosse Müdigkeit. Weniger als die Hälfte der Betroffenen benötigt im Verlauf der Krankheit einen Rollstuhl, einige haben Krücken oder Stöcke. Bis jetzt ist noch keine Heilung gefunden: Es gibt jedoch verschiedene Arten der Therapie. Die MS-Selbsthilfegruppe Deutschfreiburg richtet sich an Betroffene und deren Familien und Freunde und trifft sich an jedem dritten Mittwoch im Monat im Begegnungszentrum Düdingen.

kf

 

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