Autor: Marc-Roland Zoellig/La Liberté
Freiburg Leicht verloren sass die ältere Dame gestern Morgen auf der Anklagebank des Gerichts des Saanebezirks. Wegen einer alten Geschichte musste sie dort Platz nehmen. Die 78-Jährige hatte nach einem Konflikt mit ihrer Wohngemeinde 2002 die Hilfe der Bewegung Appel au peuple in Anspruch genommen, der Vereinigung also, die sich aus Personen zusammensetzt, die von der Justiz enttäuscht sind und bereits mehrfach wegen Belästigung von Magistraten an ihrem Wohnort aufgefallen sind. 2007 hatte sich auch die Angeschuldigte an einer solchen Aktion beteiligt, die einen Anwalt aus Bulle im Visier hatte. Das Resultat davon: Sie wurde der üblen Nachrede und Nötigung bezichtigt (was neu auch als Stalking bezeichnet wird).
5000 Franken Genugtuung
Polizeirichter Jean-Marc Sallin hat die 78-Jährige deshalb gestern zu einer Strafe von 45 Tagessätzen à 10 Franken, während zwei Jahren auf Bewährung ausgesetzt, verurteilt. Als Genugtuung muss sie dem Anwalt zudem 5000 Franken überweisen.
Viele Vorwürfe sind bereits verjährt. Hauptsächlich ging es im Prozess um einen Brief der Dame ans Kantonsgericht. Darin wird der angegriffene Anwalt des Autoritätsmissbrauchs und des Versuchs der Nötigung gegenüber den Justizbehörden beschuldigt. Die 78-Jährige gab zu, den Brief unterschrieben zu haben, allerdings ohne den Inhalt je gelesen zu haben.
Für die ältere Dame ist die Geschichte vorbei. Auf die Frage, ob sie noch Kontakt zu Daniel Conus, dem bekanntesten Vertreter von Appel au peuple in Freiburg, hat, antwortete sie: «Oh nein, das ist vorbei.» Dies auch auf Anraten des Untersuchungsrichters. «Der Richter hat mir gesagt, ich soll mich davon distanzieren», erzählte sie, «seit drei Jahren habe ich nichts mehr mit diesen Leuten zu tun».
Den geschädigten Anwalt, der als Kläger auftrat, vermochten diese Ausführungen nicht milde zu stimmen. Er habe einen Teil seiner Klienten und wohl zehn Jahre seines Lebens wegen den Anschuldigungen von Appel au peuple verloren, sagte er vor Gericht.
Inhalt des Briefs gekannt
Der Polizeirichter befand, dass die Angeschuldigte sehr wohl begriffen habe, was in dem Brief stand, auch wenn sie sich als einfache Frau ohne Ausbildung darstelle. Ohne Beweise habe sie grundlose Attacken losgetreten, nur aus Treue zu anderen Personen, die wie sie von der Justiz enttäuscht waren. Vor Gericht hat die Dame übrigens ausgesagt, dass sie den Kläger gar nicht kennt. bearbeitet von pj