Begegnung mit dem Sterben
Jahresversammlung der Vereinigung Wachen und Begleiten
Im vergangenen Jahr haben die Mitglieder der Vereinigung Wachen und Begleiten rund 3620 Stunden am Kranken- und Sterbebett verbracht. Frauen und Männer, die bereit sind zu wachen, sind weiterhin willkommen, wie an der Generalversammlung am Montag zu vernehmen war.
Von IRMGARD LEHMANN
Vor 16 Jahren wurde die Vereinigung Wachen und Begleiten (Wabe) gegründet. Heute gehören der Vereinigung rund 54 Aktivmitglieder an. Frauen und Männer, die bei kranken und sterbenden Menschen kostenlos wachen.
Im vergangenen Jahr waren die Mitglieder rund 3620 Stunden im Einsatz: Im Sense- und deutschsprachigen Saanebezirk waren dies rund 260 Stunden mehr als im Vorjahr. «Es waren nicht immer einfache Begegnungen», sagt Franziska Gauch, Koordinatorin anlässlich der Generalversammlung am Montag in Tafers. Vorab wenn man jungen schwerkranken Menschen begegne. Etwa 30 Stunden mehr als im Vorjahr haben ebenfalls die Mitglieder im Seebezirk geleistet. «Die letzten zwei Jahre waren wir beispielsweise jeden Tag drei Stunden bei einem Patienten zuhause, der nun vor ein paar Tagen gestorben ist», berichtet Elsbeth Hünig, Koordinatorin und Kontaktperson im Seebezirk. Das Bedürfnis die letzten Tage des Lebens zu Hause zu verbringen, sei gross.
Insgesamt hat Wabe in den Alters-und Pflegeheimen, in den Spitälern und zu Hause im letzten Jahr in etwa 70 Menschen begleitet.
Grundkurs und Weiterbildung
Auf ihre Arbeit am Sterbebett bereiten sich die Interessierten in einem Grundkurs vor. So haben sich im vergangenen Jahr 20 Personen mit dem Thema «Leben und Sterben» auseinander gesetzt. Die Präsidentin Thekla Schulthess-Fasel hofft, dass sich doch einige entschliessen mögen aktiv mitzumachen. Neumitglieder seien stets willkommen.
Die 54 Aktiven (48 Frauen und 6 Männer) absolvieren aber auch jedes Jahr einen Weiterbildungskurs. «Kommunikation am Krankenbett» war das Thema der letztjährigen Tagung.
Die Freiwilligen haben aber auch die Möglichkeit sich zu äussern. So finden alle drei Jahre Aussprachen statt. Dabei soll die Frage geklärt werden, ob die Arbeit weiterhin befriedige.
Auf Spenden angewiesen
An der Generalversammlung hat Albert Vogler ebenfalls die Jahresrechnung vorgestellt. Bei einem Aufwand von rund 54 000 Franken schliesst diese mit einem Gewinn von gut 1000 Franken ab. Letztes Jahr sind dem Verein rund 40 000 Franken an Spenden zugeflossen: aus der Kollekte der reformierten und katholischen Kirche wie auch durch freiwillige Beiträge von Angehörigen.
Trotz des relativ kleinen Gewinns zeigt sich die Präsidentin zuversichtlich und meint: «Uns geht es gut und wir sind ein gesunder Verein.» Die wohlwollende Stimmung im Saal des Alters- und Pflegeheims Tafers widerspiegelt die Worte. Die konstante Auseinandersetzung mit dem Sterben hinterlässt Spuren.
www.wabedeutschfreiburg.ch
Den Nachruf selber schreiben
Seit dem Tod ihres Vaters habe Abendrot für sie eine ganz andere Bedeutung, sagt die Ingenbohler Schwester Christiane Jungo. Denn ihr Vater sei bei Abendrot so ganz plötzlich aus dem Leben geschieden. Abendrot als «Zeichen des Lebens auch im Sterben».
Dazu hielt die Oberin des Institutes Guglera einen Kurzvortrag. Schwester Christiane erzählte von ihren Erfahrungen. Von der Taube, die sich während des Spitalaufenthaltes bis zum Tod einer Dreijährigen immer wieder auf dem Fenstersims niederliess. «Das war wie ein letzter Gruss», sagt die Schwester, die in den 22 Jahren, die sie im Kloster Ingenbohl verbrachte – davon einige Jahre als Provinzoberin – an rund 800 Beerdigungen teilgenommen hat. «Es ist nicht immer einfach den Anblick der Toten auszuhalten», sagt sie. Denn der Tod mache zunächst einmal sprachlos.
Den aufmerksamen Zuhörerinnen und Zuhörern am Montag im Alters- und Pflegeheim Tafers berichtet die Ingenbohler Schwester denn auch, wie sie persönlich von ihren Mitschwestern Abschied nimmt. Wenn die Verstorbene so daliege, gehe sie im Geiste dem Leib entlang und bete: «Deine Augen sind geschlossen, wie oft haben sie mich angeschaut.» Und sie danke Gott für den Blick, den diese Augen ihr geschenkt haben. Sie danke für die Hände und Füsse, die so viele Schritte für andere getan haben . . .
Mit einem Nachruf zu Lebzeiten
Bilanz ziehen
Dass die Klosterfrauen schon in «jungen Jahren» ihren Nachruf niederschreiben, erstaunte wohl manchen der Gäste. «Welches waren die Schlüsselerlebnisse in meinem Leben? Welches die Quellen der Freude und der Kraft? Welches die Lieblingsorte, das liebste Lied, das persönliche Gebet»? Auf solche und ähnliche Fragen haben die Schwestern zu antworten.
Ein Lebensbericht, der im Verlaufe der Jahre immer wieder gelesen, ergänzt oder abgeändert werde. Sr. Christiane: «Das Niederschreiben gibt mir die Gelegenheit mich mit dem Leben zu versöhnen.» Noch bleibe Zeit mit Mitmenschen ein Gespräch zu führen, dieses oder jenes in Ordnung zu bringen.
Prozesse des Loslassens und des Freiwerdens? Auch das Verfassen des Testamentes anlässlich der ewigen Gelübde basiert auf der gleichen geistigen Grundhaltung. il