Christine Bulliard-Marbach kandidiert im Oktober für eine weitere Legislatur. Was in den Diskussionen mit der Mitte-Nationalrätin sehr schnell klar wird: Amtsmüde ist die 63-Jährige noch lange nicht.
Zum Gespräch empfängt Christine Bulliard-Marbach die FN im Rosengarten ihres Heims in Grossried bei Ueberstorf. Der Garten dient ihr als Rückzugs- und Erholungsort im mitunter hektischen Politikalltag. «Dies ist der Ort, wo ich am liebsten bin. Hier verweile ich gerne zusammen mit meiner Familie», sagt die Mitte-Nationalrätin und erzählt voller Stolz, dass vor zwei Monaten ihr kleiner Enkel zum ersten Mal zu Besuch war.
In Ueberstorf startete vor fast 30 Jahren die Politkarriere von Christine Bulliard-Marbach. Der Präsident der Ortspartei fragte sie an, ob sie für den Gemeinderat kandidieren wolle. 20 Jahre lang sass sie danach im Gemeinderat von Ueberstorf, zehn Jahre davon als Gemeindepräsidentin. Ebenfalls zehn Jahre politisierte sie im Freiburger Grossen Rat. Im Jahr 2011 kandidierte sie gleichzeitig als Nationalrätin, Grossrätin und Gemeinderätin – mit Erfolg.
30 Jahre in der Politik
Seit 2011 sitzt sie nun im Nationalrat und tritt im Oktober für eine vierte Legislatur an. Auch nach 30 Jahren ist ihr Feuer für die Politik längst nicht erloschen: «Ich bin immer noch gleich motiviert und mache Wahlkampf wie beim ersten Mal», betont die heute 63-Jährige. Christine Bulliard-Marbach liebt Wahlkämpfe. Sie geht gerne unter die Leute, hört sich deren Sorgen an, diskutiert mit ihnen.
Politik muss nahe bei den Menschen sein. Ich suche nach Lösungen, die einem Grossteil der Bevölkerung zugutekommen.
Christine Bulliard-Marbach
Nationalrätin
Allerdings betont sie auch: «Wahlkampf macht man nicht alleine. Wahlkampf ist Teamarbeit.»
Besonders sensibilisiert ist sie für die Anliegen der Berggebiete. Als Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie im Nationalrat setzt sie sich dafür ein, dass die Bedürfnisse der ländlichen Regionen berücksichtigt werden. Beispielsweise im Klima- und Innovationsgesetz.
Die Nationalrätin engagiert sich für eine produktive und bürgernahe Landwirtschaft. Als Präsidentin von Regio.garantie Romandie und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete stehe sie für die Förderung der regionalen Produkte sowie für die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raums ein. Dazu gehört auch, dass eine Lösung für den Umgang mit dem Wolf gefunden werden konnte, nachdem eine erste Revision des Jagdgesetzes in einer Volksabstimmung verworfen wurde. Besonders wichtig sei in ländlichen Gebieten auch die flächendeckende Grundversorgung; etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Mobilität.
Brückenbauerin im Nationalrat
Das langjährige Engagement als Nationalrätin hat es Bulliard-Marbach ermöglicht, in Bundesbern ein wirkungsvolles Netzwerk zu knüpfen. Als im Sternzeichen Waage Geborene sei sie sehr harmoniebedürftig. Deshalb ist es ihr ein besonderes Anliegen, mit Mitgliedern sämtlicher Parteien im Parlament das Gespräch zu suchen. «Politik heisst für mich, ausgewogene, tragbare Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden.» Von der Deutschschweizer Presse wurde Bulliard-Marbach 2021 zur drittbesten Brückenbauerin im Nationalrat ernannt.
Anliegen, die ihr besonders am Herzen liegen, kann sie mit grosser Ausdauer und Hartnäckigkeit verfolgen. Besonders stolz und glücklich ist sie, dass ihr langjähriger Einsatz für eine gewaltfreie Kindererziehung nun Erfolg zeigt. «Wir müssen uns vor Augen führen, dass auch heute noch 130 000 Kinder unter Gewalt in der Erziehung leiden», gibt sie zu bedenken. Jetzt will der Bund als Antwort auf ihren Vorstoss das Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern. Vor wenigen Tagen hat der Bundesrat einen entsprechenden Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung geschickt.
Potenzial nutzen
Als Mitglied in der aussenpolitischen Kommission arbeitet sie daran, die bilateralen Beziehungen mit der Europäischen Union, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz, zu erneuern, damit die Schweiz das ganze Potenzial ihres Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts nutzen kann. «Die Schweiz braucht eine Aussenpolitik, in der Souveränität, wirtschaftliche Vernetzung und Solidarität im Gleichgewicht sind.»
Ein wichtiges Anliegen ist der Nationalrätin auch die Medienförderung. Nachdem das Mediengesetz vom Schweizer Stimmvolk verworfen wurde, lancierte die Mitte-Politikerin einen erfolgreichen Vorstoss, der explizit nur die kleineren Medienunternehmen unterstützen soll. In der Gesundheitsversorgung setzt sie sich dafür ein, dass die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte verbessert werden.
Zweisprachigkeit als Vorteil
Ihre Fähigkeit als Brückenbauerin kommt Bulliard-Marbach besonders in den nationalrätlichen Kommissionen zugute. Ein weiteres Plus der Freiburger Nationalrätin: ihre Zweisprachigkeit. «Die wichtige Arbeit in den Kommissionen funktioniert viel einfacher, wenn man sich sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch verständigen kann», so Bulliard-Marbach.
Wie engagiert und fleissig ein Parlamentsmitglied ist, werde oft an der Anzahl seiner Vorstösse gemessen. Diese Betrachtungsweise greife aber zu kurz. «Qualität ist wichtiger als Quantität», betont die Mitte-Nationalräte. Denn Vorstösse sollten nicht bloss eingereicht werden. Ebenso wichtig sei einerseits eine gute Vorbereitung, beispielsweise der Informationsaustausch mit der Verwaltung, und andererseits, dass die eingereichten Vorstösse weiter begleitet werden.
Ein einschneidendes Ereignis der vergangenen Jahre stellte die Covid-Pandemie dar. Diese habe viele Menschen verunsichert – besonders auch die jüngere Generation. «Die Jungen sind zu kurz gekommen», findet Bulliard-Marbach. Sie gingen im ganzen Trubel der ausserordentlichen Lage etwas vergessen. Deshalb sollte sich der Bund noch besser um sie kümmern. Aber nicht nur auf die Jungen, auch auf die ältere Generation sollte ein besonders Augenmerk gelegt werden. In ihrer Motion «Nationale Strategie für Betreuung und Wohnen im Alter und bei Behinderung» sollen Möglichkeiten aufgezeigt und gefördert werden, damit ältere Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben können.
Listenverbindung mit GLP
Wie schon bei den Nationalratswahlen 2019 geht die Mitte im Kanton Freiburg eine Listenverbindung mit der GLP ein. Dies hat sich vor vier Jahren bewährt und der Mitte zwei Nationalratssitze gesichert. «Wir haben eine ausgewogene Liste», ist die Mitte-Politikerin überzeugt und ergänzt:
In der heutigen Weltlage ist unsere Partei mehr denn je die Partei der Lösungen.
Christine Bulliard-Marbach
Nationalrätin
Die Nationalrätin will ihrer Linie auch in der kommenden Legislaturperiode treu bleiben: «Ich werde mich dafür einsetzen, Brücken zu bauen zwischen Stadt und Land, zwischen den Generationen sowie zwischen der liberalen Wirtschaft und der solidarischen Gesellschaft.»
Smartvote
Für engere Beziehungen mit der EU
Der Smartspider von Christine Bulliard-Marbach unterscheidet sich nur leicht vom Durchschnitt der Mitte-Kandidierenden. Im Bereich Umweltschutz und Sozialstaat will die Nationalrätin laut Grafik etwas weniger weit gehen als die Mehrheit ihrer Parteikollegen. Sie spricht sich aber auch gegen eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre aus und ist dafür, dass der Staat mehr Mittel für Krankenkassen-Prämienverbilligung zur Verfügung stellt. «Vorrangiges Ziel ist es jedoch, die Problematik der steigenden Gesundheitskosten an der Wurzel zu packen», so Bulliard-Marbach. Hierfür brauche es die Kostenbremseinitiative der Mitte. Sie befürwortet aber, den Mindestumwandlungssatz für Pensionskasse von derzeit 6,8 auf 6 Prozent zu senken, mit entsprechenden Kompensationen. Die Mitte-Nationalrätin vertritt eine offene Aussenpolitik. So befürwortet sie engere Beziehungen zur EU und legt besonderen Wert darauf, die bilateralen Verträge zu erneuern. In der Sicherheitspolitik soll die Zusammenarbeit mit dem westeuropäischen Verteidigungsbündnis Nato ausgebaut werden. Im Fall eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs soll der Bundesrat zudem unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit haben, anderen Staaten die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen zu erlauben. Im Bereich Migration und Integration lehnt sie vereinfachte Anforderungen für eine Einbürgerung ab.
Finanzsektor stärker regulieren
In der Wirtschafts- und Finanzpolitik spricht sie sich gegen einen Mindestlohn von 4000 Franken aus. Der Finanzsektor soll aber stärker reguliert werden, so Bulliard-Marbach: «Wir haben mit dem Fall Credit Suisse gesehen, dass die geltenden Vorschriften zu lasch sind. Es ist jetzt Aufgabe der Politik, die Regulierungen unter die Lupe zu nehmen und anzupassen.»
Die Nationalrätin spricht sich gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 aus: «Die Automobilbranche befindet sich in einem starken Wandel, hin zu alternativen Antrieben. Verbote sind für mich nicht der richtige Weg. Wir müssen auch die Bedingungen der ländlichen Regionen berücksichtigen.» Den Neubau von Kernkraftwerken (KKW) lehnt sie ab: «Der Neubau von KKW würde Jahrzehnte dauern. Wir müssen die einheimische Stromproduktion rasch mit erneuerbaren Energien ausbauen. Bei der Atomkraft sind wir ausserdem weiterhin von Uranlieferunge aus dem Ausland abhängig. Aber solange die KKW sicher sind, müssen wir sie weiter am Netz halten.» fos
Interessenbindungen
Verwaltungsrätin und Stiftungsrätin
Christine Bulliard-Marbach ist Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete und von Regio.garantie Romandie. Sie sitzt im Verwaltungsrat der Loterie Romande, Radio Freiburg und der Schweizerischen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft. Daneben ist sie Mitglied im Stiftungsrat des Forschungsfonds der Universität Freiburg und im Vorstand des Freiburger Tourismusverbands. fos
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