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Bleibt nur noch ein kümmerlicher Rest

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Der Aletschgletscher gehört zu den beliebtesten Fotosujets im Wallis – ein kilometerlanger Fluss aus Eis ergiesst sich von den Bergen ins Tal. Doch für die Forscher ist klar: Bis 2100 wird vom ehemals mächtigen Eisstrom nicht mehr viel übrig bleiben. Matthias Huss, Glaziologe und Dozent am Departement für Geowissenschaften an der Universität Freiburg, geht davon aus, dass in den nächsten 80 Jahren bis zu 90 Prozent des Eisvolumens der Schweizer Gletscher verschwunden sein werden.

Huss ist zuständig für das Gletschermonitoring in der Schweiz. Das Projekt, das vom Bundesamt für Umwelt und MeteoSchweiz finanziert wird, beobachtet eine Auswahl der Schweizer Gletscher, registriert Veränderungen und misst, wie stark die Masse sowie die Länge der Gletscher abnehmen. Die Analysen fliessen in Modelle ein, die auf alle Gletscher in der Schweiz und der Welt übertragen werden können. Dadurch können die Wissenschaftler Projektionen herstellen, wie stark der Meeresspiegel als Folge der Gletscherschmelze ansteigen kann.

Halb so gross wie Freiburg

Die Fachwelt geht von 1400 Gletschern in der Schweiz aus, mit einer Gesamtfläche von rund 900 Quadratkilometern – das entspricht etwas mehr als der Hälfte der Fläche des Kantons Freiburg. Die Anzahl der Gletscher ändere sich immer wieder, sagt Huss, da sich schmelzende Gletscher aufteilen können oder verschwinden. Bei einer Auswahl von 20 Gletschern messen die Forscher vor Ort jährlich die Veränderung der Eisdicke und damit die Abnahme des Volumens. «Unten schmelzen die Gletscher schneller, weiter oben langsamer», so Huss. Die Forscher rechnen mit einer Abnahme der Eisdicke von einem Meter pro Jahr. Umgerechnet auf alle Schweizer Gletscher ist das rund ein Kubikkilometer Eis. ­Diese Entwicklung halte seit 30 Jahren an, trotz Schwankungen. Bei rund 100 Gletschern registrieren die Forscher an der Gletscherzunge die Länge. Diese Daten würden seit über 100 Jahren erhoben, so dass Zahlen über die Veränderungen vorlägen.

Eine wichtige Erkenntnis: «Einige Gletscher ziehen sich langsam zurück, andere sehr schnell.» Das habe unterschiedliche Gründe und müsse nicht in jedem Fall direkt mit der Klimaveränderung zusammenhängen. Insgesamt gelte aber: Es besteht ein deutlicher Trend zum Rückzug.

Regionale Schwankungen

Ausserdem erkennt die Forschung bedeutende regionale Unterschiede. So blieben die Gletscher im Berner Oberland oder in Teilen der Waadtländer Alpen 2016 fast kon­stant, während jene im Südwallis oder in der Ostschweiz stark schrumpften. Doch im Jahr zuvor war das genau umgekehrt, weiss Huss. Die Entwicklung eines Gletschers werde auch durch die Menge des Niederschlags im Winter beeinflusst. Wo viel Schnee falle, erhalte das Eis Nahrung. «Diese Unterschiede gleichen sich über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet aus», sagt Huss.

Nur in wenigen Einzelfällen registrieren die Forscher Ausnahmen: Gletscher, die vor­übergehend wachsen. Auch weltweit gebe es Unterschiede. So habe man vor einigen Jahren in Skandinavien und im Karakorum-Gebirge in ­Asien eine geringe Zunahme der Eismassen oder eine auffällige Stabilität festgestellt, trotz insgesamt höherer Temperaturen. «Das ist auf Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation zurückzuführen», so Huss. In einigen Regionen der Welt führe die Klimaveränderung zu stärkeren Niederschlägen. Davon könnten die Gletscher kurzfristig profitieren. Diese Ausnahmen seien kein Widerspruch, sondern eine Bestätigung für den Klimawandel.

Starke Folgen befürchtet

Die Auswirkungen der Gletscherschmelze sind heute schon offensichtlich, und sie werden laut Huss zunehmen. «Gletscher sind wichtig für den Wasserhaushalt der Schweiz», gibt er zu bedenken. Im Winter speichern sie Wasser. Im Sommer – wenn das Wasser am dringendsten gebraucht wird – geben sie es ab. Und je heisser und trockener die Jahre seien, desto mehr Schmelzwasser ergiesse sich die Flüsse herab und in die Stauseen.

Das Verschwinden der Gletscher würde vor allem die höher gelegenen und heute schon trockenen Regionen am stärksten treffen. Huss erinnert, dass im Wallis schon seit Jahrhunderten Wasser aus höheren Lagen mittels Leitungen auf die Felder geführt wird. In diesen Regionen werde die Wasserknappheit noch stärker werden, vermutet der Forscher.

Schliesslich deute die Entwicklung daraufhin, dass der Boden in den Gebieten, aus denen sich das ewige Eis zurückgezogen hat, zunehmend instabil werde. «Die Felshänge verlieren den Halt, wenn sie nicht mehr durch das Eis gestützt werden», so Huss.

Trend ist nicht umkehrbar

Der Blick in die Zukunft ist ernüchternd. «Das Klimasystem reagiert nicht sofort.» Selbst wenn die Schweiz jeglichen Ausstoss von Klimagasen stoppte, würde es sehr lange dauern, bis die Gletscherschmelze stabilisiert werden könnte. Es dauere nämlich mehrere Jahrzehnte, bis die Erwärmung der Atmosphäre zum Stillstand komme und noch mal länger, bis die Gletscher reagierten. «Der Verzögerungseffekt ist stark.»

Sein Fazit: «Wir müssen jetzt handeln.» Selbst bei einer schnellen Reduktion des Treibhausgas-Ausstosses entsprechend dem Pariser Klimaschutz-Abkommen würden 80 Prozent des Gletschervolumens bis 2100 verschwinden. So kommt Huss zu einem bitteren Schluss: In Zukunft werde es in der Schweiz deutlich kleinere Gletscher geben, und wohl nur an besonders geschützten Stellen wie auf über 4000 Metern Meereshöhe. «Der grösste Teil der Gletscher ist nicht mehr zu retten».

«Einige Gletscher ziehen sich langsam zurück, andere sehr schnell.»

Matthias Huss

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Die Stromproduktion, die in der Schweiz traditionell – und mit der Energiestrategie 2050 erst recht – stark von der Wasserkraft abhängt, müsse sich mit der neuen Situation arrangieren, sagt Gletscherforscher Matthias Huss. «Denn die Gletscher speisen unsere Stauseen.» Schon jetzt muss die Schweiz im Winter Strom importieren. Zukünftig gelte es, vermehrt mit dem Wasser auszukommen, das nicht aus den Eisspeichern stammt, sondern aus aktuellen Niederschlägen, so Huss. Ein vielversprechender Ansatz ist laut einer Studie der ETH eine Erhöhung der bestehenden Talsperren respektive der Bau neuer Regulierungsbecken, und damit die Vergrösserung des Speichervolumens. Dies trage auch dazu bei, dass die Schweiz als «Batterie Europas» Schwankungen bei der Wind- und Sonnenenergie ausgleichen kann.

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