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Brutal, faschistisch oder realistisch?

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Autor: Urs Haenni

Wie kann es sein, dass der brasilianische Film «Tropa de Elite» von José Padilha bei den Berliner Filmfestspielen 2008 den «Goldenen Bären» erhält und dann vor allem in der französischen und amerikanischen Filmkritik gnadenlos zerrissen wird? In der Schweiz hat diese Kritik dazu geführt, dass sich ein Filmverleiher die Rechte für «Tropa de Elite» gesichert hat, den Film aber nicht in die Kinos bringt.

Der Grundton der Kritik lautet, dass «Tropa de Elite» Gewaltverherrlichung betreibe und sogar eine faschistische Botschaft transportiere. Für das Internationale Filmfestival Freiburg hat es sich aus zwei Gründen geradezu anerboten, diesen Film in das diesjährige Programm aufzunehmen: Einerseits will das Festival Diskussionen zu Filmen auslösen oder weiterführen, andererseits passt das Thema bestens in das diesjährige Panorama «Fábulas da favela» – Geschichten aus den brasilianischen Elendsvierteln.

Steigerungslauf an Gewalt

«Tropa de Elite» ist die Eliteeinheit der Polizei von Rio de Janeiro. Im Gegensatz zu den normalen Polizisten sind sie hervorragend ausgebildet, besser bezahlt und (hoffentlich) frei von Korruption. Erzählt wird die Geschichte des Hauptmanns Nascimento, eines Leiters der Elitetruppe, welcher Vater wird, sich langsam zurückzieht und einen geeigneten Nachfolger für seinen Posten finden muss. Zwei Kandidaten müssen von der Truppe aus einer Schiesserei mit Drogenhändlern in den Favelas befreit werden. Während der eine Kandidat draufgängerisch und impulsiv ist, ist der zweite intelligent und von moralischen Grundsätzen geleitet. Erst als er die Moral ablegt, wird er zum geeigneten Nachfolger Nascimentos.

Der Film ist eine Art Steigerungslauf von Gewaltszenen. Während zu Beginn des Filmes Schiessereien noch aus der Distanz gezeigt werden, rückt die Kamera mit fortlaufender Filmdauer den Brutalitäten immer näher. Dazu wird die «Tropa de Elite» allmählich zu einer Art Sekte; die schwarzen Uniformen und Kampfstiefel erinnern an brutale Sondereinheiten von Diktaturen des 20. Jahrhunderts.

«Film wie ein Videospiel»

In einer Debatte im Anschluss an die Filmvorführung vom Sonntag sagte der französische Filmkritiker Jean Roy von der kommunistischen Tageszeitung «L’Humanité», er wisse wohl, dass Gewalt ein Teil des Alltags in brasilianischen Elendsvierteln sei, aber er verabscheue die Ästhetisierung der Gewalt im Film. Es sei die Darstellungsform der Gewalt, welche es ihm schwer mache, das Gezeigte zu ertragen. Er werde an Videospiele erinnert, bei denen es darum gehe, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Figuren zu töten.

Roy sieht seine Ansicht bestätigt in der Vertonung des Films. Da tanzen in der Anfangsszene «1000 Leute zu 500 Dezibel», wie in einer faschistischen Massenveranstaltung, und dann würden auch die vielen Schüsse akustisch so verstärkt, dass sie richtig zelebriert würden.

«Störende Realität»

Diese Argumentation wies der brasilianische Filmkritiker José Carlos Avellar ab. Er wehrte sich dagegen, dass man den Film als faschistisch abtue und sich dann jeglichem Diskurs verweigere. Im Film werde die Realität gezeigt, und es sei diese Realität, die störe. Es stelle sich die Frage, wie man dies erzähle. Südamerika sei eine direkte Erzählweise gewohnt. Auch die zum Teil sehr laute Musik sei einfach Teil der Realität. Der Filmemacher habe eine Person erfunden, welche zeige, was die Bewohner in den Favelas erlebten. Hauptmann Nascimento sei eine Figur, bei der das Publikum keine Möglichkeit habe, sich in ihn hineinzuprojizieren. Aber die Übertreibung lasse die Leute erst richtig verstehen, meinte Avellar.

Der brasilianische Filmkritiker zog dabei auch einen Bogen in die Schweiz, wo vor kurzem eine Brasilianerin behauptet hatte, sie sei von Neonazis überfallen worden. Der Diskurs in Brasilien zu diesem Fall sei unter der Meinung geführt worden, dass die Polizei sowieso immer lüge. Der Film trage dazu bei, das Innenleben der Polizei besser zu begreifen.

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