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«Da verschwindet eine Kultur»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

In der Sprache der Penan steht das Wort Tana sowohl für Wald als auch für Welt. Denn der Regenwald auf Borneo, wo die Penan leben, ist ihre Welt und ihre Lebensgrundlage. Doch diese Lebensgrundlage ist stark bedroht: Über neunzig Prozent des Regenwalds von Borneo wurden seit den Achtzigerjahren gerodet, und die meisten Penan haben ihre nomadische Lebensweise aufgegeben und sind in Dörfern sesshaft geworden. Nur noch wenige Hundert leben als nomadische oder teilnomadische Jäger und Sammler im Wald. Der Schweizer Ethnologe und Aktivist Bruno Manser, der lange bei den Penan lebte, lenkte in den Achtziger- und Neunzigerjahren die öffentliche Aufmerksamkeit auf deren Schicksal. Diesen November erscheint eine Filmbiografie über Bruno Manser, dessen nie geklärtes Verschwinden in Malaysia sich im kommenden Frühling zum zwanzigsten Mal jährt.

Unabhängig davon hat sich in den letzten Jahren auch ein Freiburger Fotograf mit den Penan beschäftigt: Acht Mal war Tomas Wüthrich aus Liebistorf auf Borneo und hat insgesamt über sechs Monate bei den Penan verbracht und ihr Leben mit der Kamera dokumentiert. Seine Bilder zeigt er jetzt in einem Buch und in einer Ausstellung. Er will damit darauf aufmerksam machen, dass das, was auf Borneo passiert, uns alle etwas angeht: «Wenn wir Palmöl und Tropenholz konsumieren, hat das direkte Auswirkungen auf die Penan», sagt er. «Die Abholzung der Regenwälder beeinflusst auch unser Klima. Wir sitzen im selben Boot und sollten uns füreinander interessieren.»

Im Interview mit den FN erzählt ­Tomas Wüthrich, wie die letzten nomadischen Penan um ihren Wald kämpfen, wie er selbst mit ihnen gelebt hat und wie ihn diese Erfahrung ver­ändert hat.

Tomas Wüthrich, Sie haben in den letzten fünf Jahren auf Borneo regelmässig eine Gruppe weitgehend nomadisch lebender Penan begleitet. Wie ist es dazu gekommen?

Angefangen hat alles mit einem Auftrag der Zeitschrift «Beobachter». Im November 2014 begleitete ich den Journalisten Balz Ruchti für eine Reportage über einen Schweizer Arzt, der als Freiwilliger für den Bruno-Manser-Fonds von Dorf zu Dorf zog, um die Penan dort zu behandeln. Wir waren knapp drei Wochen unterwegs. Was wir antrafen, war ziemlich erbärmlich: Menschen, die in Wellblechhäuslein lebten, weit weg von ihrer nomadischen Vergangenheit im Regenwald, aber auch ohne alternative Zukunft. Der Arzt behandelte vor allem abgefaulte Zähne – die Folge des Konsums von importierten Süssigkeiten. Trotzdem: In einem Dorf trafen wir auf Penan, die noch Blasrohre besassen und Pfeile schnitzten und erzählten, sie hätten bis vor kurzem im Wald gelebt. Das hat etwas bei mir ausgelöst …

… und Sie entschieden sich, zurückzukehren …

Ich erfuhr, dass der Arzt 2015 noch einmal in die Dörfer ging, und fragte den Bruno-Manser-Fonds an, ob ich mitgehen und Fotos für den Fonds machen könnte. Dieses Mal begleitete ich den Arzt nicht wie beim ersten Mal im Jeep, sondern auf jenem Teil der Reise, den er zu Fuss bewältigte. Der Plan war, zwei Wochen mit dem Arzt unterwegs zu sein und dann zwei Wochen lang zu schauen, ob ich noch irgendwo Penan finde, die als ­Nomaden oder Halbnomaden im Wald leben.

Kein einfaches Unterfangen …

Der Bruno-Manser-Fonds hatte mir den Namen eines Dorfs genannt, in dem ich fündig werden könnte. Doch dann kam ich noch auf der Reise mit dem Arzt nach Long Tevenga in Malaysia und lernte dort den Häuptling Peng Megut kennen, einen beeindruckenden, feinen Menschen. Von da an war für mich klar, dass ich in dieses Dorf und zu diesen Menschen zurückkehren wollte.

Das haben Sie dann auch getan. Wie haben Sie das Vertrauen der Penan in dem Dorf gewonnen?

Die Penan sind grundsätzlich offen gegenüber Fremden und freuen sich, wenn Weisse zu ihnen kommen. Sie bringen das in Verbindung mit dem Bruno-Manser-Fonds und mit Nichtregierungsorganisationen, die ihnen helfen – und mit der Zeit der britischen Kolonialherrschaft, als es einen regen und fairen Tauschhandel gab und es ihnen gut ging. Dazu kam, dass zu dem Zeitpunkt, als ich in das Dorf zurückkam, dort eine alte, herzkranke Frau im Sterben lag. Meine damals 19-jährige Tochter, die mich begleitete, und ich waren die ganze Zeit sehr eng dabei. Für mich war es zuerst schwierig, zu entscheiden, ob und wie ich fotografieren sollte. Die Penan fühlten sich aber nicht gestört, und ich fing an, Fotos zu machen. Nachdem die Frau gestorben war, fotografierte ich sogar bei ihrer Beerdigung im Wald, einer eigenartigen Mischung aus traditioneller Zeremonie und christlichen Elementen. Meine ­Be­ziehung zu den Penan wurde durch all das rasch sehr persönlich, und ich wusste, dass ich wiederkommen ­würde.

Das taten Sie bereits im März 2016, diesmal allein.

Ja, und ich blieb einen ganzen Monat. Es war sehr schön, zurückzukommen. Die Penan nahmen mich herzlich auf und liessen mich in ihren Häuschen schlafen, Seite an Seite mit ihnen. Sie freuten sich, mich wiederzusehen, denn ausser den Leuten vom Bruno-Manser-Fonds kehrt kaum einmal ein Besucher zurück.

Apropos Bruno Manser: Wie sehr ist der vor bald zwanzig Jahren verschollene Schweizer Aktivist bei den Penan noch präsent?

Sie erinnern sich gut an ihn, auch wenn sie nicht viel über ihn reden. Die Penan haben keinen Zeitbegriff wie wir. Sie leben sehr in der Gegenwart; was vorbei ist, ist vorbei, und sie stellen nicht viele Fragen. Aber Peng Megut und andere waren zum Beispiel dabei, als Manser 1999 mit einem Gleitschirm vor der Residenz von ­Regierungschef Abdul Taib Mahmud in Sarawak landete, um ihm ein Friedensangebot zu machen. Der Brief, den Manser damals nicht überreichen konnte, befindet sich noch heute in Pengs Besitz. Und Pengs Frau Uén ist übrigens die Tochter von Häuptling Along Sega, der Bruno Manser damals adoptierte.

Welche Rolle spielte Mansers Geschichte denn bei Ihrem Projekt?

Sicher ist, dass ich nicht da hingekommen wäre, wenn Manser nicht da gewesen wäre. Aber ich habe erst während meines eigenen Projekts begonnen, mich näher mit Bruno Manser zu beschäftigen, und erst mit der Zeit verstanden, was er eigentlich gemacht hat. Seine Geschichte ist faszinierend. Im Gegensatz zu ihm könnte ich mir nicht vorstellen, für immer bei den Penan zu leben – für längere Zeit schon, aber dann kehre ich auch wieder gerne zu meiner Familie zurück.

Wie muss man sich dieses Leben mit den Penan vorstellen?

Dieses Leben im Moment, das ist ganz anders als bei uns und unglaublich faszinierend. Es gibt keinen Zeitbegriff; die Penan wissen zum Beispiel nicht, wie alt sie sind. Es gibt auch keinen erkennbaren Tagesablauf: Mal schlafen sie stundenlang, dann brechen sie plötzlich mitten in der Nacht zur Jagd auf. Dieses kompromisslose Leben im Augenblick hat mich verändert. Ich hatte früher viel mehr Existenzängste; heute kann ich besser einfach im Tag leben. Bei den Penan genügt das Leben sich selbst. Es ist, ohne esoterisch zu sein, als würde man auf das Ursprüngliche des Lebens schauen, das Dasein an sich.

Sie haben nicht nur mit den Penan im Dorf gelebt, sondern sie auch in den Regenwald begleitet, auf die Jagd – und selber gelernt, mit Blasrohr und Giftpfeilen zu jagen …

Das Leben im Wald ist unglaublich schön und faszinierend. Man ist immer in Bewegung, trägt sein Gepäck mit sich, wenn man den Standort wechselt. Ich hatte nur wenige Kleider dabei, einige Medikamente, ein Satellitentelefon und natürlich meine Fotoausrüstung.

Gab es damit in dem feuchten Klima keine Schwierigkeiten?

Doch, die Feuchtigkeit ist ein grosses Problem. Eigentlich ist der Regenwald kein Ort zum Fotografieren. Aber am Ende hat alles funktioniert, und es ist nichts kaputt gegangen. Ich hatte nur eine rudimentäre Ausrüstung dabei – und 24 Akkus, da ich ja ohne Strom auskommen musste.

Hatten Sie nie Angst in dieser fremden Welt?

Eigentlich habe ich mich immer sehr sicher gefühlt. Richtig Angst hatte ich nur einmal, als sich im Dorf eine Schlange in das Gästehaus verirrte, in dem meine Tochter und ich schliefen. Wir dachten zuerst, es sei eine Kobra; es stellte sich dann aber heraus, dass es keine gewesen war. Statistisch gesehen sind im Regenwald übrigens nicht gefährliche Tiere das grösste Risiko, sondern dass man von einem herabfallenden Ast erschlagen wird …

Apropos Tiere: Die auf der Jagd erlegten Tiere sind die wichtigste Nahrungsquelle der Penan. Hatten Sie damit keine Schwierigkeiten?

Wenn ich richtig gezählt habe, habe ich 28 verschiedene Viecher gegessen. Ich habe alles probiert und bin nie krank geworden. Aber das Essen ist tatsächlich gewöhnungsbedürftig: Es gibt Sago und Reis und viel Fleisch von wilden Tieren; am beliebtesten ist das Wildschwein. Die Zubereitung ist rudimentär. Hingegen halten die ­Penan auch zahme Haustiere, die sie aber niemals schlachten und essen ­würden.

Ihre Bilder dokumentieren diesen Alltag der Penan, aber auch die allgegenwärtige Bedrohung ihres Lebensraums und ihrer Kultur. War das von Anfang an Ihr Ziel?

Auf Borneo wurden bereits über neunzig Prozent des Regenwalds gerodet. Das Verschwinden dieses ältesten und artenreichsten Regenwalds der Erde war von Anfang an ein Thema für mich. Dabei ging es mir vor allem um die Menschen: Ich wollte zeigen, dass es immer noch Menschen gibt, die dort leben – und dass es, allen Unterschieden zum Trotz, Menschen sind wie wir. Dabei war es mir wichtig, nichts zu romantisieren. Ich habe gerne idyllisch-schöne Bilder, und die habe ich auch gemacht. Aber ich zeige auch die anderen Seiten: wie der Regenwald abgeholzt wird und wie die Kultur der Penan sich ver­ändert.

Eines Ihrer Bilder zeigt Peng Megut und seinen Sohn Ulen, wie sie an einer einfachen Barrikade stehen, die sie gegen die Holzfäller errichtet haben. Es sieht nach einem einsamen, aussichtslosen Kampf aus …

Der Druck auf das Stück Wald von Peng Megut und seiner Sippe, etwa 130 Quadratkilometer, wird immer grösser. Allein in den letzten fünf Jahren, seit ich die Penan besuche, haben drei andere Dörfer Wald an Holzfirmen verkauft, weil sie sich im Gegenzug Häuser, Strassen, Generatoren und Fernsehgeräte leisten können. Peng lehnt standhaft alle Angebote ab. Geld sei irgendwann aufgebraucht, sagt er, aber vom Wald könnten noch seine Enkel leben. 2018 hat er einen kleinen Zwischensieg errungen: Eine Holzgesellschaft wollte Peng Megut mithilfe der Polizei vertreiben. Doch diese schlug sich auf die Seite des Häuptlings und forderte die Holzfäller auf, das Gebiet zu verlassen – auf der Basis von Landkarten, die der Bruno-Manser-Fonds erstellt hat.

Derweil verkaufen andere Sippen bereitwillig Land, um an Zivilisationsgüter zu kommen. Auch auf Ihren Bildern sieht man, dass die Penan durchaus Smartphones, Uhren oder Motorräder besitzen und westliche Kleidung tragen. Wie wichtig sind solche Dinge für sie?

Die Penan sind ja nicht unberührt von der Aussenwelt, sie haben immer Handel getrieben. Sie gehen pragmatisch damit um und brauchen, was für sie praktisch oder erstrebenswert ist. Das können Plastikbeutel und Plastikgeschirr sein, aber auch Süssigkeiten oder Armbanduhren, die sie sehr mögen, obwohl sie keine Zeit kennen. Sie brauchen Gewehre und Munition, weil dies einfacher ist, als mit Blasrohr und Giftpfeilen zu jagen, und sie haben Smartphones, um Musik zu ­hören oder Selfies zu machen – auch wenn es natürlich kein Handynetz gibt.

 

Glauben Sie, dass die Kultur der Penan unter diesen Umständen eine Zukunft hat?

Ich bin eher pessimistisch; mein Buch heisst nicht umsonst «Doomed Paradise». Der grösste Teil der Penan hat sich arrangiert; sie wollen auch Häuser, Strassen und Motorräder. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, auch nicht, dass sie ihre Kinder in die Schule schicken. Aber mit der nomadischen Tradition ist das nicht vereinbar; so verschwindet allmählich eine Kultur. Die einzige Lösung wäre, die verbleibenden Halbnomaden dafür zu entschädigen, dass sie ihren Wald nicht verkaufen oder sie nach afrikanischem Vorbild zu einer Art Rangern zu machen. Vielleicht braucht es ein Wunder, aber dann ist es noch nicht zu spät.

Sie selber hatten die Chance, diese verschwindende Kultur zu erleben. Was haben Sie von den Penan gelernt?

Ich habe gelernt, mehr im Moment zu leben, und ich habe gelernt, dass man im Leben sehr wenig braucht. Ein Häuschen, eine Feuerstelle und eine Matte, auf der man schlafen kann – das reicht. Ich habe gelernt, mit dem Blasrohr zu jagen, und das war eine neue, erstaunlich schöne Erfahrung für einen, der nie ins Militär wollte und nie mit einer Waffe schiessen wollte. Und ich habe gelernt, zu teilen: Für die Penan ist es so selbstverständlich, alles miteinander zu teilen, dass es in ihrer Sprache nicht einmal ein Wort für «Danke» gibt. Das sollten wir uns von ihnen abschauen: Mehr teilen, das würde der Welt guttun.

Eine Auswahl der Bilder aus «Doomed Paradise» ist bis zum 12. Oktober in der Galerie des Kornhausforums Bern zu sehen: Di. bis Fr. 10 bis 19 Uhr, Sa. 10 bis 17 Uhr. Kommentierte Führung mit Tomas Wüthrich am Donnerstag, 19. September, um 19 Uhr.

«Meine Beziehung zu den Penan wurde rasch sehr persönlich, und ich wusste, dass ich wiederkommen würde.»

Zur Person

Vielseitiger Fotograf aus Liebistorf

Tomas Wüthrich wurde 1972 in Bern geboren, ist in Kerzers aufgewachsen und lebt heute mit seiner Familie in Liebistorf. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Bevor er Fotograf wurde, machte er eine Lehre als Möbelschreiner, arbeitete mit geistig behinderten Menschen und fing ein Studium der Sozialarbeit an. Von 2001 bis 2007 arbeitete er als Pressefotograf bei der «Berner Zeitung». Seither ist er selbstständiger Fotograf mit den Schwerpunkten Reportage und Porträt. Seine Bilder erschienen in Publi­kationen wie «GEO», «Das Magazin», «Die Zeit», «NZZ am Sonntag», «Sonntagszeitung», «Beobachter» und «Schweizer Familie». Er gewann verschiedene Preise, darunter den Swiss Press Photo Award 2001 und den Swiss Photo Award 2018.

Das Buch

Der Bildband kehrt zu den Penan zurück

Das Buch «Doomed Paradise» umfasst 160 Seiten mit 100 Abbildungen. Ein Einführungstext sowie einige Mythen der Penan, die bisher nur mündlich überliefert wurden, sind dreisprachig abgedruckt: auf Deutsch, Englisch und Penan, wobei Letzteres immer an erster Stelle steht. Über einen QR-Code kann man ausserdem einer Geschichte und Geräuschen aus dem Wald lauschen. Das Buch ist auf einem speziellen Papier gedruckt, das hauptsächlich aus Kalkmehl besteht. Für seine Herstellung wurde kein Baum verwendet und kein Wasser verbraucht. Zudem ist das Papier wasserfest und damit auch im Regenwaldklima beständig. Das war Tomas Wüthrich wichtig, denn im kommenden Jahr will er die Penan erneut besuchen und das Buch in den Dörfern verteilen. Dieser Verteilaktion kommt übrigens auch das Bildhonorar der FN zugute.

Das Buch ist für 49 Franken beim Verlag Scheidegger & Spiess oder im Buchhandel erhältlich. Die Gemeinde Gurmels offeriert ihren Einwohnerinnen und Einwohnern das Buch für 30  Franken (zu beziehen auf der Gemeinde­verwaltung, solange Vorrat).

 

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