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«Das Gegenteil von Gewalt ist Respekt»

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Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen erklären die Psychotherapeutin Marcela Jegerlehner und der Psychiater und Psychotherapeut Jeorge Riesen, was Gründe für Gewalt in Paarbeziehungen sein können.

Ist körperliche Gewalt an Frauen in Ihrer Praxis in Murten ein Thema?

Marcela Jegerlehner: Ja, immer wieder. Manchmal denke ich, dass dieses Thema sogar öfter auf den Tisch kommt als früher. Aber das hat vielleicht auch damit zu tun, dass Frauen heute eher darüber sprechen. Gewalt an Frauen ist nicht mehr so stark tabuisiert wie vor 20 oder 30 Jahren.

Jeorge Riesen: Es ist auch in meinen Sprechstunden immer wieder ein Thema. Wenn der Druck in schwierigen Paarkonstellationen zu hoch ist, kann es dazu kommen. Die Gründe dafür, dass der Druck zu hoch ist, hat oft mit der Arbeit zu tun, mit der Suche nach einem Platz in der Gesellschaft. Bei den Jungen kann es der Stress sein, eine Identität zu finden. Und das nimmt zu. Das kann zu einer stark aufgeladenen Situation führen.

Suchen sich Frauen eher von einer Frau Hilfe und Männer von einem Mann?

Jegerlehner: Ich habe schon mehr Frauen hier bei mir in der Praxis und noch nie erlebt, dass ein Mann zu mir kommt und sagt: Ich bin ein Täter.

Riesen: Zu mir kommen auch Männer. Es können auch angeordnete Massnahmen und andere äussere Einflüsse sein, die einen Mann dazu bewegen, in eine Therapie zu kommen. Das kann auch ein drohender Beziehungsabbruch sein.

Weshalb tut ein Mann seiner Frau Gewalt an, wenn wir davon ausgehen, dass er sie liebt? Hat es mit Vorstellungen von Männlichkeit zu tun?

Jegerlehner: Das ist ein Faktor unter vielen anderen. Die Rollenbilder in der Gesellschaft fördern das Denken, dass der Mann Gewalt anwenden darf und dass es bei Frauen eher verpönt ist. Gewalt an Frauen wird gesellschaftlich häufig auch bagatellisiert. Die Frage ist auch, wo Gewalt anfängt. Ist das erst, wenn geschlagen wird? Es gibt auch psychische und verbale Gewalt. Es hat immer auch mit der Kommunikation zu tun. Wenn nicht in einer angemessenen Art und Weise kommuniziert wird.

Riesen: Wenn es zu körperlicher Gewalt kommt, ist das die letzte Konsequenz von ganz vielen Dingen, die vorher passiert sind. Wenn es um Gewaltprävention geht, müssen wir schon viel früher anfangen, nämlich dort, wie Paare miteinander sprechen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Kommunikation extrem schwierig sein kann. Das ist etwas, das wenig gelehrt wird in der Gesellschaft. Mit dem zunehmenden Alter des Paares verbessert sich die Kommunikation nicht zwingend. Die Neugierde, wie die andere Person wirklich ist und was sie möchte, nimmt aus einer Gewohnheit heraus oft eher ab. Das führt leicht dazu, dass man den anderen verletzt.

Kann zum Beispiel der Vorwurf einer Frau, dass der

Mann die Schuhe schon wieder nicht ausgezogen hat, beim Mann Gewalt auslösen?

Riesen: Das kann sein, weil der Mann, um seine Identität zu behalten, die Situation beherrschen muss und als Held aus der Geschichte herauskommen. Anstatt mitzuteilen, dass es ihn beeinträchtigt, wenn sie ihm sagt, wo er seine Schuhe hinstellen soll, sagt er nichts. Das kann Jahre lang gut gehen. Es staut sich auf und irgendwann kann es zu viel sein.

Jegerlehner: Es ist jedoch wichtig zu ergänzen, dass nicht die Frau die Schuld dafür trägt, auch wenn sie sieben Jahre lang so etwas gesagt hat. Gewalt ist nie gerechtfertigt. Viele Männer, die Gewalt anwenden, haben ein Dominanz- und Kontrollbedürfnis. Sie zeigen damit, ich bin der Mächtige in dieser Beziehung. Frauen sind eher so sozialisiert, dass sie versuchen, Konflikte zu vermeiden. Das geschlechter­spezifischen Denken ist also auch ein Teil davon.

Kennen Sie Fälle von Frauen, die zu 100 Prozent einer Arbeit nachgehen, also finanziell unabhängig sind, und Gewalt von ihrem Partner erleben?

Jegerlehner: Materielle Abhängigkeiten können Raum geben für Gewalt an Frauen. Aber es gibt auch die emotionale Abhängigkeit. Eine finanziell unabhängige Frau ist durch ihren Job aber nicht geschützt. Ich habe bei meinen Patientinnen häufig erlebt, dass sie bereits im Elternhaus Gewalt erlebt haben und sie dies deshalb als etwas Normales wahrnehmen.

Riesen: Jemand, der Gewalt nicht im Elternhaus erlebt hat, kann sich eventuell einfacher davon distanzieren.

Jegerlehner: Es gibt aber auch psychische Erkrankungen, die Männer dazu bringen, gewalttätig zu werden.

Riesen: Alkohol oder Medikamente verkleinern die soziale Distanz, Alkohol enthemmt. Die Prinzipien, die man sonst vielleicht grundsätzlich im Kopf hat, werden weniger wichtig. Die Hemmschwelle wird kleiner, trotzdem dreinzuschlagen, auch wenn der Betroffene eigentlich weiss, dass es nicht das Richtige ist.

Jegerlehner: Auch psychische Erkrankungen legitimieren jedoch keine Gewalt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir diese damit entschuldigen wollen. Gewalt ist ganz klar ein No-Go. Nur sind ihre Hintergründe eben unterschiedlich.

Riesen: Bis hin zum abhängigen Beziehungsmuster. Wenn Grenzüberschreitungen stattfinden in einer Partnerschaft, gibt es eine Versöhnungs­phase. Wenn vorher schlimme Sachen passiert sind, sind die Gefühle in der Versöhnungsphase stärker. Dadurch wird dann wieder mehr toleriert und es kommt erneut zum Eklat. Auf diese Weise können Paare in ein schädliches Beziehungsmuster rutschen, bei dem die Gefühle, sowohl die positiven als auch die negativen, viel intensiver sind. Es kann eine Abhängigkeit nach intensiven Gefühlen entstehen.

Wieso gibt es auch Frauen, die gegenüber Männern körperliche Gewalt anwenden? Hier kann das Rollenbild der Gesellschaft ja nicht greifen.

Jegerlehner: Ich erinnere mich an eine Patientin mit einer Borderline-Störung, die sich in gewissen Momenten nicht mehr spürte.

Riesen: Das Rollenbild macht die Wahrscheinlichkeit bei Männern höher, dass sie Gewalt anwenden. Das heisst nicht, dass Frauen gar nie betroffen sind. Jede Person vereint in sich ja auch männliche und weibliche Eigenschaften. Ein Mann kann depressiv sein, nicht nach aussen gehen und eine Frau kann im Gegenzug sehr reaktiv sein und dadurch eher zu Gewalt neigen.

Weshalb ist es so schwierig für Frauen, ihren gewalttätigen Partner zu verlassen?

Jegerlehner: Frauen fühlen sich in solchen Situationen häufig schuldig. Der Mann rechtfertigt sich dann meistens und kann auch einen verbalen Vorwurf der Frau als Grund für die Gewalt angeben. Dadurch kommt sie in die Rolle der Täterin. Zudem können Gefühle von Angst, Ohnmacht und Scham eine Trennung erschweren. Später hat der Mann ein schlechtes Gewissen und gibt sich besonders Mühe. Sie denkt dann, dass er doch ein Lieber ist und dass es vielleicht nie mehr passieren wird. Die Abstände zwischen den Gewaltausbrüchen werden aber meistens immer kürzer.

Riesen: Aushalten ist auch eine Leistung, das dürfen wir nicht vergessen. Wenn etwas schon länger andauert, braucht es extrem viel Geduld, bis jemand einen Schritt aus der Situation schafft. Das Wichtigste ist, dass wir lernen, wie miteinander zu kommunizieren. Es wäre gar nicht so kompliziert. Aber es ist dramatisch, dass unsere Gesellschaft eigentlich sehr wenig dafür tut.

Wie wäre das mit den Schuhen denn jetzt richtig mitgeteilt?

Jegerlehner: Indem ich von mir und von meinen Gefühlen ausgehe und sage, dass mich die Schuhe an diesem Ort aus diesem oder jenem Grund stören. Das Gegenteil von Gewalt ist Respekt und Wertschätzung. Diese Haltung anderen gegenüber würde allen Beziehungen guttun.

Riesen: Auch das Frauen- und Männerbild müssen wir mit den sich verändernden Bedingungen immer wieder neu anschauen, damit es für beide Teile gut läuft. Es ist eine Daueraufgabe unserer Gesellschaft.

Programm

Tag gegen Gewalt an Frauen am Sonntag

Der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ist ein am 25. November jährlich abgehaltener Gedenk- und Aktionstag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen. Auf den 25. November folgt die Schweizer Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» mit verschiedenen Veranstaltungen. In deren Rahmen ist im Gerbestock in Kerzers heute Abend der Film «Malala – ihr Recht auf Bildung» zu sehen. Der Film greift den Kampf einer jungen Pakistanerin für die Rechte der Mädchen und Frauen auf. In Bern steht am Sonntag eine Veranstaltung unter dem Titel «Oh, Mann! Warum wir starre Männerbilder endlich loswerden müssen» auf dem Programm: Im Kulturlokal ONO ist der Film «Nobody Passes Perfectly» zu sehen, in dem die Geschlechtsidentität aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Das anschliessende Podiumsgespräch reflektiert Männerbilder und soll aufzeigen, wie wichtig deren Vielfalt ist. Am Dienstag steht an der Universität an der Schanzeneckstrasse in Bern eine Veranstaltung der Juristinnen Schweiz auf dem Programm. Dabei steht die Frage im Raum, wie Machtmissbrauch, Sexismus und sexuelle Belästigung rechtlich zu fassen sind. Dabei werden die Effekte der #MeToo-Debatte Thema sein.

emu

Weitere Infos: www.16tage.ch

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