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Das Leben ist immer ein Ernstfall

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Wort zum Sonntag

Hauptbahnhof München. Ich bin auf Durchreise. Der Anschlusszug fährt erst in einer Stunde. Ich habe Hunger, begebe mich zu einem der Würstchenstände in der grossen Halle und besorge mir ein Paar Frankfurter und ein Bier. Wie ich den Humpen zum ersten Schluck (der immer der beste ist) erhebe, tönt es aus dem Lautsprecher: «Achtung, Probedurchsage. Eins, zwei, drei, vier.» Und gleich darauf nochmals: «Probedurchsage.» Und wieder diese öde Zählerei. Über den sich einstellenden Gedankenassoziationen habe ich zwar nicht das Bier vergessen, aber beinahe den Zug verpasst. Probedurchsage, dachte ich. Aber im richtigen Leben geschieht nichts auf Probe. Da gibt es immer nur den Ernstfall.

Heutzutage entscheiden sich manche für eine «Ehe auf Probe». Wenn die Wege sich nachher trennen und die beiden auseinandergehen, im Guten oder im Bösen, enttäuscht, verzweifelt oder resigniert, möglicherweise auch irgendwie erleichtert, haben sie sich inzwischen eben doch verändert. Neue, mehr oder weniger wichtige, möglicherweise auch schmerzliche Erfahrungen sind zu verarbeiten, die, selbst wenn sie verdrängt werden, zukünftige Entscheidungen prägen werden.

 Wer meint, das Leben probeweise in Angriff nehmen zu können, irrt allemal. Was immer wir als blosses Experiment betrachten, erweist sich im Nachhinein als Ernstfall. Im Grund ist unsere ganze Lebenszeit eine Probezeit. Wir meinen, etwas auszuprobieren; in Wirklichkeit aber verhält es sich gerade umgekehrt: Wir werden auf die Probe gestellt. Wenn wir die Probe nicht bestehen, besteht noch längst kein Grund zur Panik. Weil selbst vertane Chancen und verpasste Gelegenheiten zur Reifung beitragen können, vorausgesetzt, wir versuchen die damit verbundenen Erfahrungen aufzuarbeiten.

In einem seiner Briefe schreibt der Apostel Paulus: «Ihr wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht» (1 Thessalonicher 1,1). Im Klartext: Haltet euch bereit! Das Leben ist keine Probezeit, sondern eine Zeit der Erprobung und der Bewährung.

Von einem jüdischen Rabbi wird berichtet, dass er die Menschen dazu aufgerufen habe, sich einen Tag vor ihrem Tod zu bekehren. Seine Schüler fragten: Weiss denn der Mensch, an welchem Tag er sterben wird? Die Antwort des Rabbi: «Umso mehr soll er heute Busse tun, falls er morgen stirbt. Und so befindet er sich sein ganzes Leben in Umkehr.»

Mit dieser Warnung vor Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit möchte der Rabbi verhindern, dass Menschen eines Tages traurig oder verzweifelt oder verstört auf dem Trümmerhaufen ihres Lebens sitzen. Weil sie übersehen haben, dass es im Leben nur den Ernstfall gibt.

 

Josef Imbachist Verfasser zahlreicher Bücher. Er unterrichtet an der Seniorenuniversität Luzern und ist in der Erwachsenenbildung und in der praktischen Seelsorge tätig.

«Wer meint, das Leben probeweise in Angriff nehmen zu können, irrt allemal.»

 

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