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Das offene Ohr des öffentlichen Zuhörers

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Marcel Aebischer hat ein Hobby, das seine Freunde komisch finden. Ein Hobby, das er in einem abgelegenen, alten Stall ausübt. Ein Hobby, bei dem er viel Zeit mit komplett Fremden verbringt. Ein Hobby, bei dem er vor allem eines seiner Sinnesorgane braucht: das Ohr.

Aebischer bezeichnet sein Hobby als «öffentliches Zuhören». Mehrere Stunden pro Woche ist er in Marly ganz Ohr für all diejenigen, die einfach einmal reden wollen. Und das seien nicht etwa wenige. «Mittlerweile musste ich meine Internetseite vom Netz nehmen – so viele Anfragen erhielt ich», sagt Aebischer. Der 62-Jährige hat sein Angebot jetzt auf vier Sitzungen pro Woche beschränkt. «Sonst wird es mir zu viel», so Aebischer. Was verständlich ist, schliesslich arbeitet der Freiburger «nebenbei» als Geschäftsführer der Abteilung Abfälle und Recycling bei dem Transportunternehmen Andrey Group.

«Irgendwie Klick gemacht»

Es ist rund 20 Jahre her, dass Aebischer mit seiner speziellen Freizeitbeschäftigung begonnen hat. 1996 war er von einem Familienausflug zurück zu seinem damaligen Wohnort im Tessin unterwegs, als er sich plötzlich nicht wohlfühlte. Er stellte das Auto auf einem Rastplatz ab, und eine seiner Töchter rief die Sanität – keine Sekunde zu früh. Die Ärzte schafften es, Aebischer zurück ins Leben zu holen, doch erst, nachdem er eine Nahtoderfahrung gemacht hatte. Dieses Erlebnis habe für ihn viel verändert. «Es hat irgendwie Klick gemacht», blickt Aebischer zurück. Freunde hätten ihm gesagt, er sei anders geworden, ruhiger und ausgeglichener. «Plötzlich hatte ich das Bedürfnis, Menschen zu helfen. Ich wollte positive Stimmung verbreiten, Glück», erklärt Aebischer.

Und so begann Aebischer mit Zuhören. Er hörte denen zu, die sich sonst bei niemandem öffnen konnten, und jenen, denen niemand zuhören wollte. Aebischer denkt, dass vor allem Letzteres in der heutigen Zeit immer häufiger der Fall ist. Es gebe viele alte Menschen, die einfach links liegen gelassen und sich selbst überlassen würden. Besonders finanziell. «Wir reden oft davon, wie schlecht es den Leuten in Drittweltländern geht», so Aebischer, «doch auch hier, in Marly, in Freiburg, in der Schweiz gibt es Armut.» Zudem kritisiert er die heutige virtuelle Welt. «Es ist besser, ein paar wenige Freunde zu haben, aber dafür gute Freunde.»

Probleme identifizieren

Es sind sehr unterschiedliche Menschen, die den öffentlichen Zuhörer aufsuchen. Aebischer hat viele ältere Personen kennengelernt, doch auch 15- bis 20-Jährige. Manche kommen wegen schulischen Problemen zu ihm, andere haben Beziehungsprobleme, einige kämpfen mit finanziellen Sorgen oder familiären Umständen, andere sind von der Vergangenheit oder von Zukunftsängsten geplagt. Aebischer betont, der erste Schritt zur Besserung sei, sich bewusst zu werden, dass man diese Probleme habe. «Viele Leute verstecken sich hinter Alkohol und Drogen. Doch das hilft nicht weiter», so Aebischer. Der zweite Schritt sei, die Probleme zu identifizieren. Aebischer denkt, dass sich all die Schwierigkeiten meistens auf ein Kernproblem zurückführen lassen. «Häufig reden die Menschen um ihre Probleme herum», stellt Aebischer fest. Er versuche dann, sie auf die richtige Spur zu führen.

Ruhepol in Marly

Oft sind es traurige Geschichten, die Aebischer zu hören bekommt. Der Freiburger sagt, er schaffe es gut, sich von den Schicksalen zu distanzieren. Doch trotzdem sind es Geschichten, die nicht leicht zu verdauen sind. Gerade in solch schweren Fällen fällt es den Leuten oft nicht leicht, über ihre Sorgen zu sprechen. Damit die Menschen sich Aebischer gegenüber öffnen können, ist unter anderem das richtige Ambiente wichtig. «Zwei- bis dreimal habe ich mich mit jemandem in einem Restaurant getroffen. Doch als es richtig persönlich wurde, mussten wir aufhören», so Aebischer, «dafür braucht es einen privaten, friedlichen Ort.»

Diesen Ruhepol hat der 62-Jährige in einem alten Schafstall in Marly gefunden. Mit viel Liebe zum Detail hat Aebischer das kleine, zweistöckige Häuschen mit den hellblauen Fensterläden restauriert. Mittlerweile verfügt es über Küche, Bad und sogar ein kleines Schlafzimmer. Farbig und lebhaft ist es eingerichtet, alt, gemütlich und trotzdem stilvoll.

Die Zuhörersitzungen laufen unterschiedlich ab. Bisweilen ist Aebischer beim Werken oder draussen im Garten tätig, manchmal sitzt er einfach am Tisch und schenkt seinem Gast so Gehör. Auch die Dauer der Sitzungen variiere; er schaue dabei nicht auf die Uhr. «Im Durchschnitt werden es wohl 45 Minuten bis eine Stunde sein, mal mehr, mal weniger», so Aebischer. Meistens würden die Leute noch ein zweites Mal wiederkommen und ihm erzählen, wie es ihnen ergangen sei. Aebischer betont aber, dass es sich nicht um Therapien handle. «Die Menschen, die zu mir kommen, sind nicht krank. Sie wissen einfach: Ich brauche jemanden zum Reden.» So hat der Freiburger denn auch weder Medizin studiert noch irgendeine psychologische Ausbildung absolviert. «Ich bin ein ganz normaler Mensch, die Leute erzählen mir über ihre Probleme, wie wenn sie mit einem Freund sprechen würden», so Aebischer.

Neutrale Sicht

Mit einem Freund sprechen – oder eben gerade nicht. Denn ein Vorteil von Aebischers Angebot ist auch, dass er neutrale Ratschläge geben kann. «Viele der Leute, die reden möchten, kennen mich nicht, und ich kenne sie nicht. Das hilft. So kann ich ohne Vorurteile zuhören, und ihnen am Schluss, falls gewünscht, meine Meinung sagen.»

«Ich mag es, Zeit zu schenken»

Obwohl sein Angebot klar Anklang findet, ist es für Aebischer nie infrage gekommen, sein Hobby zum Beruf zu machen. Alle seine Sitzungen sind gratis. «Ich könnte kein Geld dafür verlangen», meint Aebischer, «das würde sich falsch anfühlen.» Er möge es, seine Zeit zu verschenken. Und er fühle sich fast, als müsste er diese Zeit von sich geben. «Wenn ich einmal anfange und jemandem helfen kann, will ich immer weiterfahren. Es ist fast wie eine Sucht», so Aebischer.

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