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«Das Schnitzretabel war im Boom»

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Autor: angelica Tschachtli

In einem interdisziplinären Forscherteam untersucht der Kunsthistoriker Stephan Gasser vom Lehrstuhl für mittelalterliche Kunstgeschichte an der hiesigen Universität die Freiburger Plastik aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Denn bisher ist kaum bekannt, dass die Freiburger Objekte aus dieser Zeit zu den grössten zusammenhängenden Ensembles spätgotischer Plastik Europas gehören.

Ein wissenschaftliches Projekt soll eine allgemeine Frage beantworten, nicht eine Lokalchronik erstellen. Welches ist Ihre Forschungsproblematik?

Wir haben zwei grosse Fragenkomplexe: einerseits stellen wir uns Fragen rund um die Werkstatt, die Herstellungstechniken und Produktionsbedingungen und andererseits Fragen nach der Funktion der Skulpturen. Konkret geht es darum zu erfahren, wie die Mitarbeiter einer Werkstatt sich untereinander organisierten und wie verschiedene Werkstätten in Arbeitsgemeinschaften zusammenarbeiteten. Dann geht es um rein werktechnische Fragen: Wurde für eine Holzskulptur frisches oder gelagertes Holz verwendet, welche Werkzeuge wurden benützt usw.? Um die Funktion zu bestimmen, muss der historische Kontext der Objekte eruiert werden.

Weshalb ist zum Beantworten dieser Fragen die Freiburger Plastik hilfreich?

In Freiburg haben wir den grossen Vorteil, dass wir im Vergleich zu anderen Orten eine enorme Menge an erhaltenen Figuren haben: 500 Objekte, darunter sind Holz- und Steinskulpturen, eine Bronzefigur, Tonplastiken, aber auch Model für Gusseisen- und Kachelöfen. Erst so können zuverlässige Aussagen gemacht werden.

Viele bisherige Untersuchungen fragten nur, wer welches Kunstwerk geschaffen hat. Wie gehen Sie vor und welche Quellen benützen Sie?

Für den Restaurator und den Kunsthistoriker ist die Quelle das Objekt selbst. Der Eisenring an einem Kopf einer Skulptur lässt zum Beispiel auf deren Funktion schliessen: der Auffahrt-Christus trägt einen solchen Ring, weil man ihn an Auffahrt in der Kirche an einem Seil hochgezogen hatte.

Zudem lässt auch seine spezifische Form – der wie vom Wind bewegte Mantel oder das tänzelnde Standmotiv – auf diese Funktion schliessen. Andererseits kann die Historikerin in den Quellen Hinweise dazu finden, wie eine Figur während der Liturgie eingesetzt wurde.

Untersuchen Sie auch Skulpturen, die nicht zu religiösen Zwecken benutzt wurden?

Die Brunnenfiguren sind zum Teil profan, aber der Grossteil der mittelalterlichen Freiburger Plastik war wie anderswo auch religiöser Art.

Welchen Vorteil erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen?

Um Antworten auf die beiden Fragenkomplexe zu finden, ist eine solche Zusammenarbeit von grossem Nutzen. Der Restaurator und ich arbeiten beide im Museum und wir tauschen uns ständig aus – auch mit der Historikerin; mit der Fotografin arbeiten wir auch gemeinsam vor Ort. Wir erarbeiten eine Bild- und zwei weitere Datenbanken, in der die werktechnischen und (kunst)historischen Daten zu jedem einzelnen Objekt gespeichert werden.

Sind die Datenbanken öffentlich zugänglich?

Nein, diese Datenbanken sind mit persönlichen Notizheften vergleichbar, die für eine öffentliche Benützung aufgearbeitet werden müssten. Aber auf Anfrage stellen wir die Informationen gerne zur Verfügung.

Wer waren die Auftraggeber der Skulpturen?

Grosse Auftraggeber waren die Stadt und die Kirchgemeinden, aber auch wohlhabende Einzelpersonen wir der Freiburger Schultheiss Peter Falk, der in der Nikolauskirche eine Kapelle errichten und diese u. a. mit einem Retabel ausstatten liess.

Weiss man, wer diese Werke gesehen hat und wie die Leute darauf reagiert haben?

Das Publikum ist nur über den ursprünglichen Standort einer Skulptur zu erschliessen. Über die Ikonografie lässt sich erschliessen, zu welchem Zwecke die Figur angebetet wurde. Der hl. Wendelin hatte etwa eine Schutzfunktion für das Vieh usw.

Über den Rezipienten selber gibt es aber kaum Quellen; ehrlich gesagt – was jemand beim Anblick einer Heiligenfigur empfand, das werden wir wohl nie wissen.

Unser Bild des Künstlers ist geprägt von romantischen Vorstellungen. Wie waren die Arbeitsbedingungen der Handwerker-Künstler damals tatsächlich?

In einer Bildhauer-Werkstatt haben normalerweise mehrere Personen gearbeitet. Nebst einem Meister, der die Aufträge reinholte, waren Gesellen und Lehrlinge angestellt, die nicht nur Skulpturen, sondern auch Möbel oder rein handwerkliche Arbeiten wie Fahnenstangen herstellten. Bei den Möbeln konnte es sich um Prestigeobjekte handeln, die wir heute der Kunstschreinerei zurechnen.

Zu dieser Zeit wurden in Oberitalien und mit zeitlicher Verzögerung auch nördlich der Alpen Handwerker zu Künstlern im heutigen Sinn. Wie war das in Freiburg?

Die Bildhauer dieser Zeit waren Handwerker und führten wie gesagt die unterschiedlichsten Arbeiten aus, ohne dabei reich zu werden. Hans Gieng etwa, der auch Brunnenfiguren für Bern und Solothurn schuf und in Freiburg zeitweise eine gut laufende Werkstatt führte, bat 1562 seiner Armut wegen den Freiburger Rat um einen Auftrag. Er war wie Hans Geiler, von dem er das Haus und vielleicht auch die Werkstatt in der Hochzeitergasse übernommen hatte, auch Fischwart und Heringsbeschauer.

Die allgemeinen ökonomischen Bedingungen haben die Produktion mitgeprägt. Wie waren diese Verhältnisse und was war der Einfluss der Reformation?

Seit dem frühen 16. Jahrhundert erlebte in Freiburg das Schnitzretabel einen regelrechten Boom. Die Produktion zog für einige Jahrzente an, ebbte aber dann ab etwa 1530 wieder ab. Export von Retabeln, wie wir ihn von den süddeutschen Werkstätten kennen, spielte für die Freiburger eine marginale Rolle. Man belieferte fast ausschliesslich die Region; nach der Reformation allerdings auch Orte, die vorher von Bern beliefert wurden, wie zum Beispiel Le Landeron am Neuenburgersee.

Bedeutete die Reformation also einen wirtschaftlichen Aufschwung für die Bildhauer in der katholischen Stadt?

Es wäre übertrieben, von einem wirtschaftlichen Aufschwung zu sprechen. Die neue Situation brachte zwar einige Aufträge von ausserhalb ein, insgesamt hielt sich das aber in einem bescheidenen Rahmen.

Wie gedenken Sie die Forschungsresultate einem allgemeinen Publikum und dem Steuerzahler zugänglich zu machen?

Für ein breites Publikum ist eine Ausstellung im Museum für Kunst und Geschichte in Freiburg geplant, die von einer allgemein verständlichen Publikation begleitet werden soll.

Nach Abschluss des Forschungsprojekts im Herbst 2009 werden wir unsere Resultate in einer wissenschaftlichen Publikation allen Interessierten zugänglich machen.

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