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Das Un am Gleichgewicht

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Gastkolumne

Das Un am Gleichgewicht

Autor: Martin Schick

Hehre Gefühle kommen neuerdings auf, wenn ich von unten her in die St.-Peters-Gasse einbiege (was man tatsächlich kann, denn noch sind nicht alles Einbahnstrassen!), und hätt ich nur eins und nicht die hundert Pferde unter mir, käm ich mir vor wie ein Ritter, der durch den dunklen Burggraben reitet und hofft, dass vorne an der hohen Burg irgendwo ein Tor sich öffnet. Man mault, so hörte ich, der Klotz, der da nun stehe, nehme einem das Licht und die Weitsicht. Paradox, weil der Klotz wurde doch justement gebaut, um Weitsicht zu ermöglichen. Auf kultureller Ebene, versteht sich. Freiburg gleicht aus, nach 37-jährigem Ringen, als beinahe letzte im Vergleich der Schweizer Kleinstädte, und es gibt endlich noch etwas anderes auf dem Weg vom Coop zum Manor zur Migros zum Parkhaus als ein Multiplex-Kino. Ein Theater! Ein «Gastspielhaus», um realistisch zu bleiben.

Und zu Gast war zuallererst das Ballettensemble aus Genf und dann bald die eingemietete Frau Butterfly. 73 Franken das billigste Ticket, das Burgtor bleibt für bescheidene Ritter verschlossen. In der Uni-Aula konnte man sich als Student/in, Senior/in oder als wirtschaftlich Ausgelagerte/r billig hinter eine Säule setzen, um immerhin auch mal eine Oper mitzuhören, doch in jenem Klotz gibts keine schlechten Plätze. Verständlich, weil welcher Architekt plant so was schon mit ein? Säule mitbringen ist wohl auch nicht erlaubt. Dafür geht eine halbe Stunde vorher anstehen, dumm nur, wenn schon ausverkauft ist. Und es ist ausverkauft. Ja, die Oper, die gefällt, immer noch, die will man sehen, und da will man gesehen werden, tut auch nicht weh, und man versteht alles, weil die Geschichte steht im Programmheft oder man hat sie schon zehn Mal gesehn. Dann gibts aber auch Blasorchester und Clownerei in unserem Theater und auch weniger Massentaugliches aus der Freien Szene und sogar was auf Deutsch. Für jeden etwas.

Auch die Aufgänge zu den Sitzplätzen sind rechts angeschrieben auf Französisch, links auf Deutsch, bravo, so einfach, alles im Gleichgewicht. Hier wäre die Kolumne jetzt zu Ende, käm nicht noch die böse Kurve. Der Begriff Theater kommt ja ursprünglich aus dem Griechischen von «theatron» und beschreibt vor allem den Zuschauerraum als Ort, wo Diskussionen zur griechischen Demokratie stattfanden, als ein Ort des Diskurses, sprich: da, wo gesellschaftliche Themen verhandelt werden.

Nun, wenn schon nicht über künstlerische Inhalte verhandelt wird oder die Auseinandersetzung nicht weit über «gefallen» und «nicht gefallen» hinausgeht, wird immerhin schon mal heftig diskutiert darüber, ob das nun ein Klotz oder ein architektonischer Wurf ist, ob die Leitung denn mehr verdienen darf als der Syndic der Stadt, ob es Sinn macht, dass einer allein das Monopol im Kulturbusiness hat, ob vor Gericht jetzt die Stadt Recht hat oder der Architekt, oder wo das ganze Glas bleibt, wofür «wir» abgestimmt hatten und vor allem darüber, wie viel Beinfreiheit genau einen ungestörten kulturellen Genuss ermöglicht.

Das Equilibre hat also schon mal, wenn auch im heldenhaften Versuch, es allen recht zu machen, ein Ungleichgewicht geschaffen, und man hat endlich was zu reden. Und ich was zu schreiben. Es lebe das Theater.

PS: Und wer künftig noch mal «Klotz» sagt, dem zeig ich mal das Fribourg-Centre von hinten. Oder von vorne. Reicht auch. Und noch ein kleiner Trost an die, die da anderer Meinung sind: Man gewöhnt sich an fast alles.

Martin Schickist Theater- und Filmschauspieler. Er wuchs in Tafers auf und lebt derzeit hauptsächlich in Berlin. Als Kulturschaffender ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

«Man mault, der Klotz, der da nun stehe, nehme einem das Licht und die Weitsicht. Dabei wurde er doch justement gebaut, um Weitsicht zu ermöglichen.»

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