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«Den Artikel 229 können wir streichen»

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Autor: Pascal Jäggi

Vor Gericht tritt André Clerc als scharfzüngiger Verteidiger seiner Mandanten auf. An der 19. Schweizerischen Baurechtstagung hielt er sich auch in der Aula der Universität Freiburg nicht zurück. Dabei schreckte er nicht einmal vor der eigenen Zunft zurück. «Wir Juristen wissen immer alles. Bloss erst nach einem Unglück. Das ist ungefähr so wie die Diagnose eines Pathologen», sagte er.

Ein schlechter Artikel

Juristen und Fachleute aus der Baubranche bekamen am Dienstagabend aber vor allem zu hören, dass es den Artikel 229 des Strafgesetzbuches in dieser Form gar nicht brauche. «Artikel 229 können wir streichen», lautete die provokante These des Rechtsanwalts. «Wer bei der Leitung eines Bauwerkes die anerkannten Regeln der Baukunde ausser Acht lässt und dadurch wissentlich Leib und Leben von Mitmenschen gefährdet, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft», heisst der Artikel leicht verkürzt.

Anerkannte Regeln?

Vor allem die «anerkannten» Regeln machen Clerc Mühe. Mit absurden, aber tragischen und wahren Beispielen zeigte André Clerc auf, was er davon hält. In einem Bundesgerichtsentscheid wurde die Bauherrin einer Schule wegen Verletzung der Regeln der Baukunde verurteilt, nachdem ein Schüler vom Geländer in die Tiefe gestürzt und verstorben war. Er war rückwärts das Geländer runtergerutscht. Im Entscheid hielt das Gericht laut Clerc fest, dass den Bauherren bewusst hätte sein sollen, dass sich Kinder und Jugendliche über Verbote hinwegsetzen und unkluge Dinge tun. In dieser Voraussicht hätten Fangnetze installiert werden sollen, so das Bundesgericht. «Das bedeutet ja, dass die Bauherren aller Schulhäuser angeklagt werden müssten», meinte der 49-Jährige.

In einem anderen Fall wurde ein Bauleiter wegen Verstosses gegen Artikel 229 verurteilt, weil er nicht konsequent genug kontrolliert hat, ob seine Arbeiter Helme trugen. Von der schweren Körperverletzung allerdings wurde er freigesprochen. Was war passiert? Einer seiner Arbeiter wurde von einem herabfallenden Stück Baumaterial schwer am Kopf verletzt. Das Gericht hielt fest, dass er auch mit Helm schwer verletzt worden wäre, dennoch hätte es nicht sein dürfen, dass er keinen Helm trägt.

Der «böse» Staatsanwalt

Wenn ein Unfall passiert oder gegen die Regeln verstossen wird, kümmert sich der Staatsanwalt um die Schuldfrage. Rein beruflich ist André Clerc natürlich kein Freund von Staatsanwälten. Strafverteidiger und Staatsanwälte seien vor Gericht gleichberechtigt, aber das würden nicht alle Staatsanwälte so sehen, meinte Clerc. «Theoretisch müssten die ja objektiv sein, aber sie sehen immer nur einen Schuldigen vor sich», sagte der Strafverteidiger. Da müsse man sich nichts vormachen. «So freundlich er auch sein mag, wenn sie beschuldigt werden, ist er nicht ihr Freund.» Immerhin kann Clerc der neuen Strafprozessordnung, durch die ein Staatsanwalt zuerst die Ermittlungen und dann die Anklage vertritt, einiges abgewinnen. Vor allem den «Anwalt der ersten Stunde» lobte er. «Sie brauchen nichts mehr zu sagen ohne Anwalt. Sie können sogar lügen, solange sie sich damit nicht strafbar machen», meinte er mit einem Augenzwinkern.

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