Autor: REgula Saner
Léopold Inderbitzi ist einer von altem Schrot und Korn. Wäre er in der Privatindustrie tätig, würde man vom guten alten Patron reden. Das gute Arbeitsklima in der «Voirie» der Stadt Freiburg ist legendär. Die vielerorts üblichen Freitagsabsenzen gebe es in seinem 115-köpfigen Team nicht, bestätigt Inderbitzi. Viel eher meldeten sich seine Mitarbeiter freiwillig für die Putzarbeiten in den frühen Morgenstunden, etwa während des Jazzfestivals. «Das erstaunt mich auch immer wieder. Hätte ich am Anfang einen unserer Chauffeure gebeten, Strassen zu wischen, hätte er das nie gemacht. Heute macht jeder alles, das ist eine richtige Kultur geworden.»
Schwierige Anfänge
Dass dem so ist, dafür hat Inderbitzi gesorgt. Denn «die Anfangszeit war katastrophal», erinnert sich der Fast-Rentner. Die Equipe habe vor allem aus vom Sozialamt zugewiesenen Sozialfällen bestanden – viele Alkoholiker oder physisch Angeschlagene – und jeder habe gemacht, was er wollte. «Damals habe ich mir schon überlegt, den Job zu wechseln.»
Doch nach und nach brachte der gebürtige Urner Ordnung in den Laden. Und als die Stadt 1995 erstmals einen Personalchef einstellte, war die Wende definitiv eingeleitet. «Damals wurden alle Gemeindearbeiter, die vorher verschiedenen Diensten angehörten, mir unterstellt.»
Gespür für Menschen
Organisieren, das könne er, meint Inderbitzi. Aber damit sei es noch lange nicht getan. «Man braucht ein Gespür für die Menschen, das kann man nicht lernen. Wenn man merkt, einer ist heute nicht so gut drauf, muss man nicht noch einmal auf den Nagel hauen.» So manch einer, der in der Privatwirtschaft seinen Job verloren hätte, konnte Inderbitzi nach schweren Krankheiten oder sonstigen Problemen wieder zur Arbeit motivieren. Wichtig sei zudem, dass der Chef mit dem guten Beispiel vorangehe. «Ich sage immer, man muss den Karren ziehen und nicht schieben.»
Der Dank für seine Arbeit ist ein aufgestelltes Team. «Wir haben zurzeit eine sensationell gute Jungmannschaft. Das sind Arbeitnehmer, die schauen dir in die Augen und packen an», freut sich Inderbitzi.
Vielfältige Arbeit
Zu tun gibt es allemal viel. So ist das Strasseninspektorat nicht nur für den Betrieb der Kläranlage, die Abfallwirtschaft und die Strassenreinigung zuständig. Jeden Montag sind sie auch auf dem Viehmarkt beim Schlachthof anwesend, wo die Gemeindearbeiter die Kühe wägen und den Platz danach säubern. Inderbitzi und sein Team sind zudem jährlich bei 200 Veranstaltungen präsent, bei welchen sie neben der Reinigung auch Tische ausmieten oder Podien montieren. Sie sind für den Unterhalt des gesamten städtischen Automobilparks mit 140 Fahrzeugen und für ebenso viele Gerätschaften zuständig oder erledigen Schlosserarbeiten, wie die Reparatur alter Geländer. «Und wir sind auch für den Gesamteinkauf der Stadt zuständig, vom Radiergummi bis zum Lastwagen», betont Inderbitzi.
Seit dem 1. Juli arbeitet Inderbitzi seinen Nachfolger Kurt Krattinger ein. «Erst jetzt merke ich, was ich eigentlich alles mache.» Sorgt er sich da nicht, dass es ihm als Rentner langweilig werden könnte? «Nein, gar nicht. Ich bin jemand, der alles, was er nicht mehr braucht, fortwirft. Ich bin kein Nostalgiker – was meine Frau übrigens fürchterlich ärgert», lacht Inderbitzi.
Telefon von der Gattin
Ohne seine Frau übrigens hätte Léopold Inderbitzi den Job als Strasseninspektor nicht machen können. Sie habe immer Verständnis für seine unregelmässigen Arbeitszeiten gehabt. «Sie hat sich auch mit meiner Arbeit identifiziert. Manchmal rief mich meine Frau an und reklamierte, wenn sie in der Stadt irgendwo Dreck sah.»