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Der Bildungsehrgeiz der Eltern hat Folgen

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In den letzten 50 Jahren hat sich im Bildungssystem ein massiver Wandel vollzogen. War in den 1960er Jahren für Mädchen höchstens das Lehrerinnenseminar eine Option, so ist heute das Gymnasium eine Selbstverständlichkeit. Das Gymnasium ist heute so beliebt wie nie. Rund 75 000 Jugendliche, circa 20 Prozent der Altersklasse, besuchen derzeit eine Maturitätsschule. Die Berufslehre hat stark an Attraktivität eingebüsst. Zu Unrecht, wie Professorin Margrit Stamm im Interview sagt.

 

 Margrit Stamm, wo liegen die Gründe für den derzeitigen Bildungsboom?

Dem Trend liegt die Bildungsexpansion der 1970er Jahre zugrunde. Überall wurden Gymnasien eröffnet. Das «Gymi» war nun auch Arbeiterkindern offen. Auch ich war eines. 2003 hat die Pisa-Studie einen weiteren Bildungsboom ausgelöst. Die Tatsache, dass die Schweiz wider Erwarten nicht an der Spitze der internationalen Rangliste stand, provozierte eine Bildungsdiskussion.

 

 Eltern wurden nun in den Schulalltag mit einbezogen. Ist das Ihrer Ansicht nach eine positive Entwicklung?

Ja. Eltern haben gemerkt, wie wichtig Bildung ist. Sie wurden aber auch verantwortlich gemacht, für ihre Kinder. Für jene, die gut rauskommen und für jene, die scheitern.

 

 Rund 20 Prozent der Jugendlichen machen die Matura – zu viele?

Nein. Aber leider bestimmt heute nicht Leistung und Fähigkeit den Zugang, sondern die soziale Herkunft. Akademiker tun alles, damit ihre Kinder ins Gymnasium kommen. Ich bedauere sehr, dass im akademischen Milieu die Berufslehre so gering geschätzt wird. Denn die Matura ist keine Garantie für ein erfolgreiches Leben. 

 

 Oft geht das ohnehin nur mit Nachhilfestunden.

Tatsächlich. Durchschnittlich erhalten 40 Prozent der Siebtklässler Nachhilfeunterricht. Und wenn es dann immer noch nicht klappt, gibt es noch die Privatschulen, wo überforderte Kinder geschliffen werden sollen. Zudem fangen 15 Prozent der Maturanden gar nicht erst ein Studium an. 20 Prozent brechen es ab oder wechseln x-mal das Fach.

 

 Das Gymi wird zu hoch bewertet?

Der Bildungsweg via Berufslehre wird massiv unterschätzt. Nach einer Schreinerlehre mit Berufsmatura zum Beispiel kann ein Jugendlicher die Fachhochschule besuchen und Architekt werden. Ein nächster Schritt ist die Passerelle, welche die Türen zur Uni oder ETH öffnet. Die Durchlässigkeit ist hervorragend. Mit der Berufslehre haben auch schulmüde Jugendliche die Chance, den akademischen Weg zu gehen. Etwa 15 Prozent machen eine Berufsmatura.

 

 Im Kanton Freiburg entscheiden sich rund 60 Prozent der Jugendlichen für eine Lehre. So sind momentan über 8500 Jugendliche auf diesem Ausbildungsweg. Wie stufen Sie das ein im Vergleich zu andern Kantonen?

Der Kanton Freiburg hat eine gymnasiale Maturaquote von 23.4 Prozent und liegt damit etwas über dem Schweizer Durchschnitt von 20 Prozent. Aber 16 Prozent der Freiburger Jugendlichen machen eine Berufsmatura im Gegensatz zu 15 Prozent gesamtschweizerisch. Meines Erachtens steht der Kanton sehr gut da.

 

 Doch aus 230 Berufen auszuwählen, ist ja auch nicht gerade leicht?

Und viele sind nicht «sexy» genug. Wie etwa die Lehre als Strassenbauer, welche der Sohn einer Bekannten kürzlich angefangen hat. Da muss er ab und zu auch auf der Autobahn bei Belagsarbeiten schwitzen.

 

 Welchen Beruf sollten Jugendliche lernen, um später einigermassen sicher zu sein, einen Arbeitsplatz zu finden?

Natürlich sollten Jugendliche das lernen, was gefragt ist und ihnen eine Jobgarantie und damit eine Zukunft bringt. Aber wir wissen aus unseren Studien, dass der Image-Faktor und die Meinung der Eltern die beiden wichtigsten Faktoren sind für die Wahl der Lehrstelle. Im Durchschnitt werden nur gerade vier Berufe in Betracht gezogen, eben die mit dem höchsten Prestige.

 

 Welche Berufslehre ist zurzeit im Trend?

Bei den Frauen alles, was mit weissem Mantel zu tun hat, zum Beispiel Arztgehilfin oder Pflegefachfrau. Und bei den Männern alles rund ums Auto. Metzger, Bäcker, Maurer hingegen finden kaum Lehrlinge. Und dabei gibt es jedes Jahr rund 16 000 Jugendliche, die keine Lehrstelle finden und im Übergangssystem landen. Noch vor zehn Jahren hatten wir einen Lehrstellenmangel, heute einen Lehrlingsmangel.

 

 Was kann man machen?

Eltern müssen besser informiert werden. Sie sind die heimlichen Meinungsmacher, weil sie laut einer Studie von Markus Neuenschwander bereits in der 4. Klasse entscheiden, ob ihr Kind die Matura oder eine Berufslehre machen soll. Aber auch die Lehrkräfte müssten die Berufslehre besser verkaufen.

 

 Wie wäre es mit einer Potenzialanalyse beim Berufsberater?

Ja, aber dann für alle. Berufsberatungen könnten dann besser auf anderes als nur gute Schulnoten schauen, vor allem auch auf die Interessen. Die Tochter einer Berufskollegin zum Beispiel hatte sehr gute Schulnoten und hat dann drei Schnupperlehren gemacht. Entschieden hat sie sich für technische Zeichnerin.

 

 Wie war das in Ihrer Familie?

Ich bin in meiner Herkunftsfamilie die Einzige mit Matura, alle anderen haben eine Berufslehre gemacht.

«Ich bedauere sehr, dass im akademischen Milieu die Berufslehre so gering geschätzt wird. »

Margrit Stamm

Bildungsforscherin

«Berufsberatungen könnten besser auf anderes als Schulnoten schauen, vor allem auch auf die Interessen.»

Margrit Stamm

Bildungsforscherin

«Eltern müssen besser informiert werden. Sie sind die heimlichen Meinungsmacher.»

Margrit Stamm

Bildungsforscherin

Zur Person

Von der Uni Freiburg ins private Institut

Die Bildungsforscherin Margrit Stamm (65) war an der Uni Freiburg Professorin der Erziehungswissenschaften. Seit drei Jahren leitet sie das Swiss Institute for Educational Issues in Bern. Stamm ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt im Aargau.il

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