Ochsengalle und Magenbrot – auf den ersten Blick passt das überhaupt nicht zusammen. Doch an einem Markt können die Gallenseife für die Textilpflege und das Brot für den Magen nahe beieinanderliegen. So auch am gestrigen Martinsmarkt. An einem Stand verkauft ein Händler auf natürlichen Produkten basierende Seife, während sich schräg gegenüber Kinder mit dem Nötigsten zum Schnabulieren eindecken. Der Murtner Martinsmarkt ist eine bunt-duftende Mischung aus Marktverkäufern und Amateur-Händlern. Und vor allem ein dichtes Potpourri aus allem, was den kurzfristigen Hunger stillt und langfristigen Investitionen in Vorräte und Geschenke ermöglicht.
Wer am alten Vogteischloss vorbeigeht und ins Stedtli eintaucht, wird zuerst von einem Auto begrüsst, das bis oben mit Waren, Kleidern und Altpapier gefüllt ist. Offenbar hat sich ein Marktfahrer häuslich eingerichtet. Praktischerweise beginnt man den Rundgang in der weniger engen Rathausgasse und kommt über die Hauptgasse wieder zurück. Trotz der milden Witterung bietet sich zu Beginn ein Glühwein an, damit der Körper nicht schon frühzeitig unterkühlt wird. Die nötige Energie tankt der Marktbesucher mit einem Muffin, der in einem Glas gebacken wurde.
Überhaupt sind Esswaren in allen Formen, Farben und Konsistenzen omnipräsent. Der Duft von Würsten in mitunter abenteuerlichsten Varianten regt die Fantasie an. Schulklassen haben im Vorfeld des Marktes in der Schulküche gewütet und bessern mit dem Verkaufsertrag ihrer Speisen die Klassenkasse auf. Die Familie Chervet, bekannt aus der TV-Sendung Landfrauechuchi, hat würzigen Alpkäse im Angebot–und als Begleitung den Wein vom eigenen Weinberg. Auch der Genuss von Flüssigkeiten muss nicht zu kurz kommen. Selbst gemachte Sirupe aus allen möglichen Früchten locken mit ihrem bunten Glanz. Auch Freunde gebrannter Wasser kommen auf ihre Rechnung. Der Murtner Whiskyclub MCM wirbt um neue Mitglieder für seine Loungeabende im Clublokal im Stedtli. Aus dem Zentrum der Schweizerischen Absinth-Produktion, dem Val-de-Travers, kommt einer der Stars des Grüne-Fee-Brennens, Père François Bezençon, nach Murten. Er lässt die Besucher des Marktes an seinem aromatischen «Elixier aus dem Feenland» kosten. Trotzdem bleiben am Martinsmarkt wirklich durstige Kehlen weitgehend trocken. Denn auffällig schwierig sind ein Ballon Vully oder ein Becher Bier zu ergattern.
Es gibt auch Stände am Martinsmarkt, an denen nichts verkauft wird, jedenfalls nicht gegen Geld: Denn die Wahlempfehlungen der Murtner Ortsparteien gibt es an den verschiedenen Ständen gratis. Und den Händedruck der aus der Ferne nach Murten angereisten Ständeratskandidaten ebenso. Die Parteien stehen im Endspurt ihres Wahlkampfes sowohl für die kommunalen wie auch für die Ständeratswahlen. Die Partei in Rot verteilt beim Berntor Gummibärli, diejenige in Grün lädt zum Geschicklichkeitsspiel, jene in Blau verteilt Ballone, bei der Partei in Orange gibt es anregende Diskussionen, und diejenige in Grün mit Sünneli hat gleich ein ganzes Snack-Menü im Angebot.
Von weiter her angereist ist das Märithüsli Ballenberg aus Meiringen mit seiner Edelweiss-Ethno-Mode–begehrt unter anderem bei jenen, die sich für das Eidgenössische Schwingfest 2016 in Estavayer mit dem passenden Outfit eindecken wollen. Auch an Kuh- und Ziegenglocken und beschlagenen Ledergurten mangelt es nicht. Von innen wärmen sollen unzählige Gewürz- und Teemischungen. Wer noch immer unter den tiefen Temperaturen leidet, kann winterliche Kleidungsstücke aller Art erstehen. An mehreren Ständen gibt es gestrickte Handschuhe und Kappen mit verschiedenen Sujets zu kaufen. Der letzte Schrei dieser Saison sind offenbar Minions-Mützen. Für ganz besondere Anlässe steht eine Fribourg-Gottéron-Jacke zur Verfügung. Weniger wärmend und wohl eher schmückend sind Schmuckstücke aus verschiedenen Materialien, wie Armketten aus wiederverwendeten Nespresso-Kapseln. Für den Fall aller Regenfälle steht eine ganze Reihe von Schirmen mit sympathischen Sujets aufgespannt bereit, um nach Hause mitgenommen zu werden. Daneben charmiert eine Familie von kleinen und grossen Plüschbernhardinern die vorbeiziehenden Kinder. Der Händler hat auch Waren für echte Haustiere im Angebot.
Wie bei Einkaufszentren und Grossverteiler allenthalben sind auch am Martinsmarkt die ersten Weihnachtsboten sichtbar: Schmuck, Karten und Kerzen sowie ein vollständig behängter Weihnachtsbaum. Wieder ein paar Stände weiter hat ein handwerklich begabter Walliser seine Interessen für Holzverarbeitung und Wein zusammengebracht und sucht Käufer für Flaschenkühler aus poliertem Holz. Aus geschnitztem Holz können die Besucher im Übrigen auch Weinbecher und Armreife mit eingravierten Namen erstehen; alles perfekte Geschenke für die rasch nahenden Feiertage.