Hier schliesst sich der Kreis einer grossen Karriere. Vor dreissig Jahren stand Stephan Eicher verloren zwischen elektronischen Geräten und vor einer Handvoll Insidern. Ein Dutzend Platten später steht er wieder solo auf der Bühne, diesmal nur mit seinem Lampenfieber und sieben Musikautomaten, dafür im zweimal ausverkauften Saal des Equilibre, und das Publikum hängt ihm von der ersten Note an den Lippen.
Er beginnt mit «Si tu veux que je chante» und «Voyage», zwei leisen Nummern, nur begleitet auf der akustischen Gitarre. Eicher ist einer jener Musiker, die auch einen grossen Konzertsaal mit Präsenz füllen. Als Entertainer konferiert er augenzwinkernd zweisprachig und hat die Herzen des Publikums sofort auf sicher.
Auftritt der Automaten
Für «Two people in a room» kommen die «Automaten» ins Spiel, echte Instrumente, welche über Impulse gesteuert werden. Glockenspiel, Hang, Klavier und Akkordeon übernehmen quasi via Geisterhand die Begleitung und produzieren eine erstaunliche Klangwelt. Vor «Prisonière» erzählt der Musiker von den Versuchen, zunächst Mandarin und dann Piano zu erlernen. Ganz der Weltbürger verliert er sich in feinen politischen Statements: «Das war 2012, als die Welt noch einfach war: Links war links, rechts war rechts, und die Schweizer waren die Guten – zusammen mit den Amerikanern.»
Die russische Anleitung
Bei «Combien de temps» hat der Star der Automaten seinen Auftritt: der Funken sprühende Tesla-Coil. «Ich glaube, man sollte nicht zu nahe dran stehen», erklärt Eicher. «Aber die Anleitung dafür war auf Russisch–ich habe nicht alles verstanden.» Die Automaten zünden ein Feuerwerk, der Song geht über in ein stampfendes «Oh Ironie».
Hamster kitzeln
Den jüngeren Zuschauern erklärt Eicher für «Déjeuner en paix» die Zeitung. Die habe man – er befeuchtet den Zeigfinger und macht eine ausladende Armbewegung – umblättern müssen. «Heute auf den Handys sieht es ein wenig pervers aus», fährt er kichernd fort, «als ob alle dauernd ihren Hamster kitzeln würden …» Eicher wirkt lockerer als früher, lacht über sich selber, wenn er den Text vergisst und erzählt während der Lieder Witze. Manchmal sieht er wieder aus wie der Junge, der sich an seinen Klängen und Effekten berauscht und sich darin verliert.
Reden gegen die Angst
Vor der Zugabe erzählt er von der Bühnenangst: «Immer wenn ich Angst habe, rede ich viel. Ihr solltet auf keinen Fall neben mir im Flugzeug sitzen.» Nach einem Medley mit Trinkliedern wie «Campari Soda» oder «Ce soir je bois» stellt Eicher die Apparate vor – jedes Instrument wie es sich gehört mit einer kurzen Soloeinlage. «Hemmige» wird zu «Eisbär», das Publikum gibt stehende Ovationen.
Eicher lässt sich erweichen, bittet das Publikum, seine Hamster auf 22.01 Uhr zu stellen und stimmt «Tu ne me dois rien» an. Unter Handygepiepse beschliesst er die Nummer und verschwindet. Daran ändert auch nichts, dass das komplett begeisterte Publikum noch mehrere Minuten eine weitere Zugabe fordert. Eicher ist Profi genug, dann aufzuhören, wenn es am schönsten ist.
«Auf den Handys sieht es heute ein wenig pervers aus, als ob alle dauernd ihren Hamster kitzeln würden.»
Stephan Eicher
Chansonnier