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Der Kontext gibt Marie Garnier recht

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Die Dokumente, die Marie Garnier als Staatsrätin im April 2017 an verschiedene Medien verschickt hat, waren vertraulich. Eigentlich verstiess sie daher gegen das Recht. «Es war aber legitim, dass sie die Dokumente verschickt hat»: Das sagt der ausserordentliche Staatsanwalt Pierre Aubert den FN. Der Neuenburger hat das strafrechtliche Verfahren gegen die Grünen-Politikerin wegen Amtsgeheimnisverletzung geführt, nachdem der Freiburger Generalstaatsanwalt in den Ausstand treten musste (siehe blauer Kasten). Gestern teilte er mit, dass er das Verfahren eingestellt hat.

Die Frage, ob Marie Garnier das Amtsgeheimnis verletzt habe, sei legitim gewesen, sagt Pierre Aubert. «Das zeigt sich schon daran, dass ein Verfahren eröffnet wurde und dass es nicht innert Kürze abgeschlossen wurde.» Er habe einige Zeit benötigt, um zu entscheiden, in welche Richtung er argumentiere.

In der Einstellungsverfügung schreibt der Staatsanwalt, dass die Dokumente klar vertraulich waren: Sie seien nicht frei zugänglich gewesen. «Hätte ein Bürger sie einsehen wollen und auf das Öffentlichkeitsgesetz gepocht, wäre sein Gesuch abgelehnt worden.»

Eine erste Verletzung

Aubert geht davon aus, dass die Umstände Marie Garnier erlaubt haben, die vertraulichen Dokumente zu verteilen. Dies, weil Unbekannte via Radio RTS das Amtsgeheimnis bereits im März 2017 verletzt hatten: Das Radio berichtete zuerst, dass Garnier dem Oberamtmann des Saanebezirks, Carl-Alex Ridoré, mit einer Administrativuntersuchung gedroht habe. Kurz darauf schob das Radio nach, die Probleme im Oberamt seien nicht wegen des Oberamtmanns entstanden, sondern wegen einer Kaderfrau; ihr werde Mobbing vorgeworfen. RTS zitierte dabei aus vertraulichen Dokumenten. Auch wegen dieser Amtsgeheimnisverletzung wurde eine Strafuntersuchung eingeleitet; und auch diese hat Aubert eingestellt. In diesem Fall aber nur, weil er die Quelle nicht eruieren konnte.

Die Emotionen

«Marie Garnier als Vorgesetzte der Kaderfrau musste diese verteidigen», sagt der ausserordentliche Staatsanwalt aus Neuenburg. Weil das Amtsgeheimnis bereits verletzt worden sei – «und zwar auf eine viel stärkere Art» – habe Marie Garnier die vertraulichen Dokumente an verschiedene Medien schicken dürfen. «Sie hätte sicher auch anders kommunizieren können, aber aufgrund der Emotionen und der Eile, in der kommuniziert wurde, ist nachvollziehbar, dass sie es auf diese Weise tat.»

Marie Garnier sei besorgt gewesen um die berufliche Ehre der Kaderfrau; «vielleicht mehr, als es ihre Rolle als Staatsrätin verlangt», schreibt Pierre Aubert in der Einstellungsverfügung. Garnier habe versucht, die Medienschaffenden – vor allem die Radioleute – davon zu überzeugen, dass der Bericht im Radio nicht ­exakt gewesen sei. Der Sender hatte berichtet, die Kaderfrau sei laut einem vertraulichen Bericht ein «Risikofaktor», und deutete an, dass sie mobben könnte. Der vertrauliche Bericht wollte mit dem Begriff jedoch ausdrücken, dass die Kaderfrau eine grosse Arbeitslast trug und es möglich sein könnte, dass sie ein Burnout erleidet. «Das wollte Marie Garnier klarstellen», sagt Aubert.

Happige Vorwürfe

In den Medien sei klar erkenntlich gewesen, um welche Kaderfrau es geht. Mobbing-Vorwürfe seien happig. «Da war es verständlich, dass Marie Garnier reagieren wollte», sagt Aubert. Gerade die Radioleute hätten aber an ihrer Meinung festgehalten, dass die Frau innerhalb des Oberamts ein Problem darstelle. «Darum musste Marie Garnier mit den vertraulichen Dokumenten beweisen, dass dem nicht so war.» Aubert hält fest, dass es im öffentlichen Interesse war, dass Marie Garnier aufzeigen konnte, dass der Staatsrat seine Arbeit gemacht habe. Zudem sei das meiste, das in den verschickten Dokumenten stand, eh schon bekannt gewesen.

In der Einstellungsverfügung weist der Staatsanwalt auch darauf hin, dass jene Person, die wirklich eine Amtsgeheimnisverletzung begangen habe – indem sie Vertrauliches an das Radio weiterleitete – nicht belangt werden könne. «Es wäre paradox, dass diese Person durch den Quellenschutz der Journalisten geschützt würde, aber jene Person, welche die verbreiteten Informationen berichtigen wollte, bestraft würde.»

Eine neutrale Sicht von aussen

Pierre Aubert ist nicht erstaunt darüber, dass ein ausserordentlicher Staatsanwalt aus einem anderen Kanton angefragt wurde, das Verfahren zu leiten. «Es ist immer schwierig, eine Untersuchung über Leute zu führen, die man kennt und regelmässig kreuzt – und zu denen man sich bereits eine Meinung gemacht hat.» Als Neuenburger sei er mit weniger Emotionen an die Affäre herangegangen als die Freiburger Staatsanwälte. «Gleichzeitig war es auch wichtig, zu verstehen, dass viele Emotionen im Spiel waren, um den Kontext zu begreifen.»

Während des Verfahrens hat Aubert mit Marie Garnier, Vertreterinnen und Vertretern des Oberamts sowie Medienschaffenden gesprochen. «Ich wollte sehen, welche Kontakte Marie Garnier vor dem Verschicken der vertraulichen Dokumente mit den Medien geführt hat.» Ansonsten hat er sich auf Dokumente gestützt – und alle Radiobeiträge gehört. Von den Artikeln, die in den «Freiburger Nachrichten» erschienen sind, hat er laut eigenen Angaben nur einen gelesen.

Kommentar von Nicole Jegerlehner

Neuenburger beantwortet Freiburger Fragen

Marie Garnier durfte vertrauliche Dokumente an Medien weiterleiten: Das sagt der ausserordentliche Staatsanwalt Pierre Aubert aus dem Kanton Neuenburg und stellt darum das Verfahren gegen die ehemalige Freiburger Staatsrätin ein. Aubert hält in seiner Einstellungsverfügung aber auch fest, dass die grüne Politikerin dies nur unter den gegebenen Umständen durfte – weil bereits jemand anderes das Amtsgeheimnis verletzt hatte und Garnier die unvollständigen Informationen berichtigen wollte. Sie habe im öffentlichen Interesse gehandelt, indem sie zeigte, dass der Staatsrat seine Arbeit gemacht habe. Die Grünen schreiben nun, die ganze strafrechtliche Untersuchung sei völlig übertrieben und unnötig gewesen. Und sie schiessen gegen die Medien – vor allem gegen die «Freiburger Nachrichten», die im Mai 2017 die Frage aufgebracht hatten, ob Marie Garnier diese vertraulichen Dokumente habe verschicken dürfen.

Doch es ist genau die Aufgabe der Medien, Fragen zu stellen und Transparenz zu schaffen. Medien sollen und müssen aufzeigen, wie Politikerinnen und Politiker vorgehen. Die Medien haben eine Kritik- und Kontrollfunktion. Wenn Medien Fragen stellen, dann nicht, um jemanden anzugreifen, sondern um Funktionsweisen und Vorgehen zu hinterfragen. Solche Fragen bedürfen manchmal einer juristischen Abklärung – wie nun bei Marie Garnier und ihrem Umgang mit vertraulichen Dokumenten.

Daher war es richtig, dass die Untersuchung geführt worden ist. Und es ist gut, dass Marie Garnier unter diesen Umständen rehabilitiert worden ist. Das aber macht die Untersuchung nicht überflüssig; vielmehr hat der ausserordentliche Staatsanwalt wichtige Fragen beantwortet.

Reaktion: Grüne kritisieren die Justiz, den Staatsrat und den Grossen Rat

Marie Garnier sieht in der Einstellungsverfügung des ausserordentlichen Staatsanwalts den Beweis dafür, dass die FN schlecht gearbeitet und keinen ethischen Journalismus vertreten haben. Durch die Medienberichte sei sie in ihrer Funktion völlig gelähmt worden. Daher bereue sie ihren Rücktritt nicht. Sie sei sehr zufrieden: «Gerechtigkeit wurde gesprochen.» Dazu sei es aber nötig gewesen, dass jemand aus einem anderen Kanton die Untersuchung geführt habe.

Das sieht auch ihre Partei so. Die Grünen holten in einer Mitteilung einen Rundumschlag gegen die Freiburger Politik und Justiz aus. Von Beginn weg sei klar gewesen, dass keine Verletzung des Strafgesetzes vorliege. Doch Politik und Justiz hätten «von der unverhofften Möglichkeit, einen politischen Gegner zu schwächen», profitiert. Alle hätten ihren Staatssinn verloren. Der Freiburger Generalstaatsanwalt Fabien Gasser habe die Untersuchung nicht eingestellt, «wie das jeder Staatsanwalt in einem anderen Kanton getan hätte». Und der Staatsrat habe sich von Marie Garnier entsolidarisiert. Der Grosse Rat seinerseits habe sich nicht die Mühe genommen, über den institutionellen Wert der Immunität nachzudenken. Einzig die Grossrätinnen Erika Schnyder (SP) und Antoinette de Weck (FDP) hätten gefordert, diese Affäre zu beenden und die Immunität Garniers nicht aufzuheben.

Grünen-Präsident Bruno Marmier kritisierte im Gespräch mit den FN auch die Medien, insbesondere die FN, «welche einen Angriff auf Marie Garnier lanciert haben». Die Staatsrätin sei leichte Beute für alle gewesen, da sie einer kleinen Partei angehöre und deshalb isoliert gewesen sei.

Staatsrat: «Die Probleme sind geregelt»

«Mit Zufriedenheit» nahm der Freiburger Staatsrat gestern Kenntnis von den Schlussfolgerungen des ausserordentlichen Staatsanwalts im Verfahren gegen ­Marie Garnier, wie die Kantonsregierung in einer Mitteilung schrieb. Er freue sich darüber, dass sie «von jeder Schuld freigesprochen» worden sei und dass der Bericht darauf hinweise, dass Marie Garnier «zur Wahrung berechtigter Interessen gehandelt» habe.

Der Staatsrat wies auch daraufhin, dass die Probleme im Zusammenhang mit der Arbeitsweise des Oberamts des Saanebezirks «heute geregelt sind oder werden». Er freue sich darüber, «dass die Einstellungsverfügung dieser Episode ein Ende setzt».

Chronologie: Am Anfang stand der Streit mit Ridoré

Zwischen der damaligen Staatsrätin Marie Garnier (Grüne) und dem Oberamtmann des Saanebezirks Carl-Alex Ridoré (SP) kriselte es über längere Zeit hinweg. Beim Streit ging es um Führungs- und Kompetenzfragen sowie um strukturelle Mängel, die zu Funktionsstörungen im Oberamt geführt hatten. Zur Affäre wurde der Streit im April 2017 mit der Veröffentlichung eines vertraulichen Brief­wechsels zwischen den beiden Magistraten durch das Westschweizer Radio RTS. Im Mai machten die FN publik, dass Garnier vertrauliche Berichte und Mailwechsel an Medien versandt hatte. Die Staatsanwaltschaft eröffnete eine Untersuchung wegen möglicher Amtsgeheimnisverletzung. Am 8. November kündigte Garnier ihren Rücktritt auf Ende April an. Am 14. November hob der Grosse Rat ihre Immunität auf. Im März 2018 entschied das Freiburger Kantonsgericht, Generalstaatsanwalt Fabien Gasser müsse in den Ausstand treten; ein ausserkantonaler Staatsanwalt übernahm die Untersuchung. Am 25.  März wurde Didier Castella (FDP) zum Nachfolger von Garnier gewählt.

 

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