Als sich diesen März im Rahmen des Internationalen Filmfestivals Freiburg die Freiburger Filmschaffenden trafen, um ein gemeinsames Netzwerk zu gründen, war das Echo gross: Es kamen Regisseure, Schauspielerinnen, Produzenten, Autorinnen und Kinobetreiber; junge Leute am Anfang ihrer Karriere ebenso wie erfahrene Berufsleute. Und auch er liess es sich nicht nehmen, bei diesem Anlass dabei zu sein: Hugo Corpataux, der Tausendsassa aus dem Sensebezirk, der in den Vierzigerjahren als Wanderkino-Vorführer die weite Welt des Films in die Dörfer des Sensebezirks brachte und später als Filmverleiher, Regisseur, Produzent und Kinobetreiber zu einer prägenden Figur des Freiburger Kinos wurde. «Ich habe schon vor über siebzig Jahren Filme gemacht», sagt der heute 93-Jährige vor der versammelten Szene. Dass er einmal davon leben würde, hätte er sich damals nicht träumen lassen. «Es war eine andere Welt.» Daraufhin würdigt der Moderator des Anlasses Corpataux als «einen der Freiburger Filmpioniere». «Nein, ich war der erste Pionier», berichtigt Corpataux – und erntet spontanen Applaus von seinen jüngeren Kolleginnen und Kollegen.
Die Anekdote zeigt, dass Corpataux immer noch Teil der Freiburger Filmwelt ist und dass auch junge Filmemacher seinen Leistungen Respekt zollen. Corpataux schlägt auch darum einen Bogen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, weil er stets am Puls der Zeit blieb und nie aufgehört hat, sich für die neuesten Entwicklungen im Film und in der Filmtechnik zu interessieren. Das Phänomen Hugo Corpataux beleuchtet derzeit auch eine Ausstellung in der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg, die in Partnerschaft mit dem Filmfestival entstanden ist und die noch bis zum 26. Mai läuft (die FN berichteten).
Der Filmvorführer und Unterhalter
Am besten gefielen ihm an der Ausstellung die interaktiven Stationen, an denen man Ausschnitte aus seinen Filmen sehen könne, sagt Technik-Fan Hugo Corpataux. Seine Faszination für die Technik und für das Bild reicht bis in seine Kindheit zurück: Schon sein Vater war ein begeisterter Amateur-Fotograf und erwarb später eine Pathé Baby 9,5-mm-Amateurkamera, mit der er seine Familie filmte. Diese Familienaufnahmen standen am Anfang von Hugo Corpataux’ Tätigkeit als Filmvorführer: Schon als Teenager begann er in seinem Geburtsort Giffers, die neuartigen bewegten Bilder öffentlich zu zeigen, indem er sie auf von der Mutter ausgeliehene Leintücher projizierte. «Die Leute waren begeistert», erinnert sich Corpataux. «Es gab ja damals sonst nicht viel mehr Unterhaltung als die Kilbi, die einmal im Jahr stattfand.»
Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wäre der fünfzehnjährige Hugo Corpataux beinahe Briefträger geworden. «Ich war als Pöstler vorgesehen», pflegt er selbst zu sagen. Denn sein Vater leitete in Giffers das Postbüro, und als der Briefträger mobilisiert wurde, sollte der junge Hugo einspringen. Dieser aber überliess die Aufgabe seinem Bruder, um sich selber dem Film widmen zu können. 1942 gründete er den «Film-Dienst Giffers», mit dem er Filme auslieh und aufführte, zuerst im Restaurant Zum Roten Kreuz in Giffers, später auch in anderen Dörfern der Region, in Plaffeien, Tafers oder Düdingen. «Plaffeien war der beste Ort», sagt Corpataux schmunzelnd, «dort kamen die Leute von beiden Seiten der Sense, Katholiken und Reformierte.» Die gezeigten Filme waren anfangs meist religiöser Natur, später kamen Heimatfilme dazu. Dabei habe er stets darauf achten müssen, die Dorfpfarrer nicht zu verärgern, erzählt Corpataux. Liebesfilme etwa hätten dem gestrengen Auge der Zensur nicht standgehalten.
Der Regisseur und Produzent
Bald merkte Hugo Corpataux, dass die Menschen sich auch für Filme aus der Region interessierten. So begann er, selber zu filmen, bei Dorffesten und anderen Anlässen wie dem Eidgenössischen Musikfest von 1953, dem Eidgenössischen Jodlerfest von 1955, der 800-Jahr-Feier der Stadt Freiburg 1957 oder dem Eidgenössischen Schwingfest 1958. Es entstanden Filme wie der «Alte Senslerfilm» (1941–1946), «Das isch üsersch Ländli» (1948) oder «Winter am Schwarzsee» (1949). Die Filme des Autodidakten wurden immer professioneller. 1963 drehte er den Film «Schwarz und weiss gefleckt», eine Auftragsarbeit der schweizerischen Schwarzfleckviehzuchtgenossenschaft für die Expo 64 in Lausanne. Ab 1969 begleitete er den Autorennfahrer Jo Siffert, mit dem er befreundet war, mit der Kamera. Der Film «Jo Siffert» erschien 1971, nach Sifferts tödlichem Unfall beim Rennen von Brands Hatch, und wurde zu Corpataux’ grösstem Erfolg.
Parallel dazu arbeitete Corpataux als Produzent mit namhaften Filmemacherinnen und Filmemachern zusammen. So realisierte er mit Jacques Thévoz «Ein junges Volk, ein altes Land» und mit Mario Cortesi «Bergbauernleben» – beide Filme waren für die Expo 64 bestimmt. Mit René Bersier entstand «Greyerz, Land der Erinnerung» (1968), mit Jacqueline Veuve und Dominique de Rivaz «Unterwegs im Freiburgerland» (1997) und mit Jacqueline Surchat «Freiburg … einmal anders» (2003).
Der Kinobetreiber und Festivalfreund
Doch mit alldem nicht genug: Während zweier Jahre betätigte sich Hugo Corpataux auch als Kinobetreiber: 1958 eröffnete er in dem Gebäude an der Locarnogasse im Freiburger Perollesquartier, in dem auch seine Cortux-Film-Gesellschaft untergebracht war, das Kino «Le Studio», das er 1960 verkaufte, um sich vermehrt seiner Familie zu widmen. Ebenfalls in den Räumen von Cortux Film beherbergte Corpataux in den Neunzigerjahren das Team des Internationalen Filmfestivals Freiburg, dem er bis heute eng verbunden ist und von dem er keine Ausgabe verpasst.
Der Zeitzeuge und Pionier
«Hugo Corpataux’ Filme und Produktionen zeugen vom gesellschaftlichen Wandel, der im Kanton Freiburg am Ende des Krieges tief greifend einsetzte», schreibt die Kantons- und Universitätsbibliothek zur Ausstellung. «Seine Filme bringen die vielen Gesichter des Kantons zum Ausdruck.» Er sei dankbar, dass er diese bewegten Zeiten habe erleben dürfen, sagt Corpataux. Er tat dies als Regisseur, als Produzent, als Verleiher – und als Pionier in jeder Hinsicht.
Programm
Hugo Corpataux und die Leidenschaft für das Kino
Hugo Corpataux hat auch mit 93 Jahren nichts von seiner Liebe für das bewegte Bild verloren. Über die «Leidenschaft Kino» diskutiert er am kommenden Mittwoch, 11. April, im Rahmen der Ausstellung in der Kantons- und Universitätsbibliothek mit vier namhaften Filmemachern, mit denen er zusammengearbeitet hat: René Bersier, Mario Cortesi, Dominique de Rivaz und Jacqueline Surchat (Beginn 18.30 Uhr). Im Mai stehen zudem noch zwei geführte Besichtigungen auf dem Programm: am Dienstag, 8. Mai, auf Französisch und am Mittwoch, 23. Mai, auf Deutsch (Beginn jeweils 18 Uhr).
Die Ausstellung dauert noch bis zum 26. Mai. Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 8 bis 22 Uhr, Sa. 8 bis 16 Uhr.