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Der Schauspieler stirbt ohne Kritik

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Gastkolumne

Autor: Martin Schick

Der Schauspieler stirbt ohne Kritik

Ich soll eine Kulturkolumne schreiben. Kulturkolumnen sind nach meiner Erfahrung meist Beschwerden im öffentlichen Raum über etwas, das ein anderer getan hat oder ist. Mir scheint, dass selbst eine kolumnistische Lobhymne über ein kulturelles Ereignis fast immer einen fiesen Unterton hat, der gegen alle die anschlägt, denen dieses Lob eben gerade nicht zukommt. Das hat vielleicht damit zu tun, dass etwas, das so kurz ist, was Kolumnen ja meist sind, dann wenigstens frech sein will oder in seiner Kürze zumindest so wirkt.

Allerdings fällt auf, wie eng verknüpft Kultur und Kritik doch eigentlich sind (ich rede übrigens von Kultur im Sinne von Kunst und Umgebung, es gibt ja z. B. auch die Agrikultur…), man könnte gar von einem Bedürfnis der Kultur nach Kritik sprechen. Beispielsweise mir als Schauspieler sagt kaum jemand, er oder sie habe mich im Fernsehen gesehen, ohne die Gefall-Quote mit anzugeben, sei es über das Werk an sich oder wenigstens meine Darstellung darin. Fehlt dieser Anhang, klatscht mir die Lücke erst recht eins ans Gesicht, selbstverschuldet natürlich. Der Schauspieler stirbt ohne Kritik. Das macht die Gewöhnung. Denn eigentlich hab’ ich in den meisten Fällen gar nicht so viel damit zu tun, bin selber nur ein Medium und handle im Auftrag, wie der Briefträger (immer wieder ein beliebtes Beispiel) auch.

Wer steht schon jeden Tag vor der Tür und sagt, wie gut, wie echt oder gewitzt er den Brief trägt, oder ob das Gelb oder die Firmenpolitik gefällt oder nicht. Ist eben eine Dienstleistung. Und das gibts in dem Bereich, den die Öffentlichkeit Kultur nennt, auch, gerade beim Fernsehen. Das, was dann eigentlich Dienstleistung heisst, und nicht Kultur. Diese Vorabendserien zum Beispiel oder das da am Freitagabend, das ich nicht nennen darf, irgendwie. Und ich meine nicht, dass es das nicht geben soll, noch dass es schlecht sei, es will doch gerade nicht kritisiert sein, es leistet Dienst ent- sprechend seinen Möglichkeiten – und entsprechend dem Konkurrenzdruck. Wie die Post eben auch. Und manchmal reicht das auch völlig aus.

Kultur ist aber was anderes, denke ich, sie will etwas, und was etwas will, will auch Kritik, um daran zu wachsen, sich zu entwickeln, zu verändern, zu befruchten. Und da sind wir nun doch bei der Agrikultur gelandet. «Todo es una cruz», sagen die in Spanien.

P.S.: Das Gelb der Post finde ich übrigens super, konnte es dem Briefträger aber noch nicht sagen. Und von wegen Kritik: Kolumne schreiben kommt mir vor wie ein Schulaufsatz oder ein Diktat, und der ganze Kanton korrigiert. Nur zu. Das ist ein Kulturbeitrag.

Martin Schick ist Theater- und Filmschauspieler. Dem TV-Publikum ist er unter anderem aus der Sitcom «Schöni Uussichte» bekannt. Er wuchs in Tafers auf und lebt derzeit hauptsächlich in Berlin. Als Kulturschaffender ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet. Der Inhalt braucht sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion zu decken.

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