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Deutschsprachige verlieren die Lust auf den Bilinguisme

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Zweisprachiger Unterricht ist im Kanton Freiburg breit verankert, nicht aber in der restlichen Schweiz. Und wenn, dann nur in bestimmten Bereichen – und meistens in Verbindung mit Englisch. Diesen Trend stellen auch Freiburger Schulen fest. 

Anglisierung. Der Fachbegriff bezeichnet den zunehmenden Einfluss des Englischen in der Alltagssprache. Eine aktuelle Studie der Universität Genf (siehe grosser Kasten) beschäftigt sich mit diesem Trend im Unterricht und überhaupt mit der Verbreitung der Mehrsprachigkeit in Volks- und weiterführenden Schulen. An der Untersuchung ist auch das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg beteiligt. Sie wurde am Donnerstag präsentiert.

Die wichtigste Erkenntnis: Ausserhalb der traditionell mehrsprachigen Kantone fristet die Zweisprachigkeit an den Schulen ein Mauerblümchendasein. Sie nimmt in Bezug auf die klassischen Landessprachen sogar ab. «Diese Entwicklung sollte landesweit gut im Auge behalten werden», mahnen die Autoren und Autorinnen. 

Naheliegenderweise ist die Zweisprachigkeit im Unterricht besonders stark in den Kantonen entlang der Sprachgrenze verankert. Freiburg ist dabei führend. Hier sei zweisprachiger Unterricht flächendeckend eingeführt. Insbesondere auf der Hochschulstufe sei er Alltag.

Neue Zweisprachigkeit 

Wie die Universität setzt auch das Westschweizer Netzwerk der Fachhochschulen HES-SO auf die Karte. Die zweisprachigen Angebote an der Hochschule für Wirtschaft (HSW) etwa sind rund 20 Jahre alt. 2013 verlieh sie die ersten Abschlüsse des in der Schweiz einzigartigen dreisprachigen Lehrgangs, mit Englisch neben den beiden Amtssprachen. Heute stellt Rektor Rico Baldegger fest, dass die Nachfrage nach der klassischen zweisprachigen Ausbildung – bilingue, mit Französisch – unter Deutschsprachigen zurückgegangen ist. Er beobachte das überall, nicht nur an seiner Schule. 

Dieser Trend erfüllt mich mit Sorge.

Die Zahlen der Studierenden in mehrsprachigen Lehrgängen seien zwar stabil und die Module in den Partnersprachen gut besucht, aber der Anteil der Deutschsprachigen gehe insgesamt zurück. Die Studierenden diskutieren gerne in Französisch, so Baldegger, sie tauschen sich gerne in der Partnersprache aus, aber einen Abschluss machen wollten sie nicht. «Die Hürde ist ihnen zu hoch geworden. Sie erkennen keinen Mehrwert mehr in der Zweisprachigkeit.»

Entsprechend werde seine Schule ihr Angebot auch anpassen. Der klassische Bilingue-Lehrgang werde bleiben. «Aber ein Schwerpunkt wird er nicht sein.» Er sei nicht mehr attraktiv genug. Gegenüber Interessierten aus der Deutschschweiz brauche er die Zweisprachigkeit nicht mehr als Argument, so Baldegger, er werbe mit der Möglichkeit, in Freiburg zu studieren, zwischen zwei Sprachgruppen und Kulturen.

Baldegger fährt fort:

Wir merken deutlich den markant gestiegenen Einfluss des Englischen.

Die HSW biete deshalb seit letztem Jahr eine zweisprachige Ausbildung Deutsch-Englisch an. «Und wir denken über eine Ausbildung Französisch-Englisch nach.» Er sei zwar nicht so glücklich mit der Tendenz, aber: «Wir müssen uns nach den Interessen unserer Studierenden richten.

Stattdessen setzt die HSW auf den dreisprachigen Lehrgang. Die Studierenden absolvieren je einen Drittel des Unterrichts auf Deutsch, Französisch und Englisch. In diesem Lehrgang seien die Besten der Besten, sagt der Rektor. «Er ist eine Art Eliteausbildung und deshalb wichtig für unsere Reputation. Die dreisprachigen Angebote werden für uns auch in der Zukunft wichtig sein» – auch wenn es pro Jahr nicht mehr als ein Dutzend Abschlüsse gibt.

Zunehmende Grenzen  

Jean-Nicolas Aebischer, Direktor der Hochschule für Technik und Architektur (HTA), betont: «Die glaubhafte Entwicklung der Zweisprachigkeit ist für uns ein strategisches Ziel.» Sie sei für das Zusammenleben im Kanton wie auch für den Hochschulstandort wichtig. Deshalb habe die Schule letztes Jahr eine strategische Stelle für deren Förderung eingerichtet.

Die Hochschulen bildeten zukünftige Chefinnen und Chefs aus, so Aebischer, die mit Sprachkompetenzen die Überwindung von Grenzen ermöglichen könnten. «Die Zweisprachigkeit ermöglicht, dass der Raum hier eine Diffusionsschicht ist.» Dass also ein Austausch möglich ist und keine unüberwindbaren Grenzen zwischen den beiden grossen Kulturräumen gesetzt werden. Aebischer stellt aber auch für die HTA fest, dass sich die Deutschsprachigen zusehends von der Zweisprachigkeit abwenden. Bern als Kultur-, Sprach- und Wirtschaftsraum sei halt nah. «Die gute Verkehrsanbindung aus dem See- und Sensebezirk verstärkt diesen Trend.»

Die HTA versuche, so attraktiv wie möglich zu sein, sagt Aebischer. In der Deutschschweiz betone er, dass Interessierte wegen des Französischen in Freiburg studieren sollen. Er räumt aber ein: «Innerhalb von 15 Kilometern um Freiburg sagen wir, sie sollen trotz des Französischen kommen.»

Die Frankofonen entschieden sich vermehrt für eine zweisprachige Ausbildung, weil sie einen Mehrwert darin sähen, weiss Aebischer. «Die Zweisprachigkeit wird aber immer künstlicher, wenn der Anteil der Deutschsprachigen sinkt. In den Klassen ist die gleichgewichtige Durchmischung immer weniger gewährleistet.» Es sei immer mehr ein Ort, an dem Frankofone deutschsprachige Lehrveranstaltungen besuchen, sich aber mit kaum jemandem auf Deutsch informell austauschen können; in der Pause zum Beispiel. «Das ist nicht die Idee, so wird die Zweisprachigkeit zu etwas unnatürlich Forciertem.» 

Alleinstellungsmerkmal

Gedanken zur Zweisprachigkeit an den vier Fachhochschulen hat sich auch der Staatsrat gemacht. Er sieht Handlungsbedarf, wenn es darum geht, im Rahmen des Fachhochschulnetzes HES-SO die Zweisprachigkeit und damit den Gebrauch der deutschen Sprache zu fördern. Sie sei ein echter Wettbewerbsvorteil, den es zu verstärken gelte. Dafür wolle der Staatsrat auch zusätzliche Ressourcen bereitstellen. Die Anstellung von zwei- und dreisprachigen Personen und Weiterbildungen seien probate Mittel dafür.

Zahlen und Fakten

Stagnierender Anteil

Volkswirtschaftsdirektor Olivier Curty (Die Mitte) ging letztes Jahr davon aus, dass der Anteil der Deutschsprachigen in den vier Freiburger Fachhochschulen für Wirtschaft, Gesundheit, Technik und Architektur sowie Soziale Arbeit wegen der Bevölkerungszunahme im französischsprachigen Kantonsteil stagniert. An der HSW waren 2021 von total 580 Studierenden 116 deutschsprachig. 46 besuchten zwei- oder dreisprachige Kurse. An der HTA waren von 910 Studierenden insgesamt 69 deutscher Sprache, die grösstenteils zweisprachige Kurse belegten. An der Hochschule für Gesundheit waren nur zwölf von 415 Studierenden deutschsprachig. Nächste Woche verleiht die Hochschule für Soziale Arbeit ihre ersten Diplome im zweisprachigen Bachelor-Studiengang Soziale Arbeit. fca

PH will Gas geben

In der Vergangenheit gab im Zusammenhang mit Zweisprachigkeit immer wieder die Pädagogische Hochschule (PH) zu reden. Zuletzt 2021, als das Verhältnis zwischen französisch- und deutschsprachigen Studierenden aus dem Gleichgewicht zu geraten drohte. Die Zahl der Studienplätze in der französischsprachigen Abteilung wurde von 100 auf 150 erhöht, während die 50 Plätze in der deutschsprachigen seit Jahren nur zu zwei Dritteln belegt sind. Das Ungleichgewicht stärkt das Image einer französischsprachigen Hochschule, wurde moniert. Fachleute schätzten, dass die Situation kippt, wenn der Anteil der Deutschsprachigen unter einen Viertel fällt. Diese gehen immer öfter nach Bern.

Nun soll ein Büro für Zweisprachigkeit die PH für Deutschsprachige attraktiver machen. Es soll dazu beitragen, die Kompetenzen in der Partnersprache zu stärken und die Strukturen der Schule zu optimieren. Die PH, die nicht Teil der HES-SO ist, sieht auch einen zweisprachigen Studiengang vor. Er soll künftige Lehrpersonen darauf vorbereiten, Unterrichtskonzepte für zweisprachige Schulsituationen einzusetzen. Die Rekrutierung von deutsch- oder zweisprachigem Fachpersonal erweist sich laut dem Staatsrat generell als kompliziert – auch für Bildungsinstitutionen.

Mentalitätswandel auf beiden Seiten

Das grosse Gewicht des Englischen im Unterricht überrasche ihn nicht, sagt Bernhard Altermatt, Präsident des Forums Partnersprachen Freiburg. Die Entwicklung habe sich schon zu Beginn der 2000er-Jahre bei den Diskussionen zwischen der Ost- und Westschweiz über die erste Fremdsprache im Unterricht abgezeichnet. Je weiter man sich von der Sprachgrenze entferne, desto weniger selbstverständlich sei der Gebrauch einer zweiten Landessprache und umso stärker die Priorisierung des Englischen. Die Deutschsprechenden täten sich heute immer schwerer mit dem als kompliziert erachteten Französisch. 

Umgekehrt haben die Welschen weniger Mühe mit dem Deutschen und Schweizerdeutschen.

Der Mentalitätswandel sei jedoch spektakulär. Während es noch vor einer Generation vor allem die Deutschsprachigen gewesen seien, die auf die Zweisprachigkeit setzten, hätten heute die meisten Frankofonen ihren Frieden mit dem früher beängstigenden und ungeliebten Deutsch gemacht. Sie hätten festgestellt, wie die Deutschfreiburger früher, dass sie als Minderheit gut daran tun, die Sprache der Mehrheit zu lernen. «Das ist im ureigenen Interesse einer Minorität.»

Altermatt wünschte sich Anreize des Bundes für Schulmodelle, die zwei Nationalsprachen kombinieren. Jede und jeder lerne heute Englisch, «der wahre Bonus aber ist die Partnersprache, die man im Alltag in diesem Land benützen kann». 

Die Studie

Englisch ersetzt die Landessprachen 

Die Analyse eines Teams um den Genfer Uni-Professor Daniel Elmiger hat eine reichhaltige und vielfältige Landschaft der Zweisprachigkeit aufgezeigt. Er hat die Studie am Donnerstag präsentiert. Doch wer tiefer bohrt, merkt, dass es mit einem wirklich ausgeprägten Eintauchen in die Partnersprache nicht weit her ist. In der Volksschule besuche erst etwa jede zwanzigste Schülerin einen zweisprachigen Lehrgang. Auf Gymnasialstufe sei es jeder sechste Schüler. An den Mittelschulen stellen die Forschenden eine Elitenbildung fest. Leistungsbereite und motivierte Schülerinnen und Schüler, die oft aus gehobenem Elternhaus stammen, erhielten mit der Zweisprachigkeit zusätzlichen Schub für ihre Karriere. 

Doch gerade im Gymnasialbereich zeige sich das Kernproblem: Die Landessprachen seien insgesamt schwach aufgestellt. Nur total 11 Prozent der Teilnehmenden besuchten einen zweisprachigen Lehrgang mit Französisch oder Italienisch. «Und der Anteil nimmt ab», so Elmiger. Der Rest sei auf Englisch konzentriert. Es gebe Kantone in der Innerschweiz, die keinen einzigen Lehrgang Deutsch-Französisch aufweisen. In den Berufsschulen seien 85 Prozent auf Englisch gepolt.

Englisch als internationale Verkehrssprache hat sich in den höheren Schulstufen breitgemacht, so Elmiger weiter, gerade in der Deutschschweiz. «Es wird oft als einfacher, nützlicher und Erfolg versprechender wahrgenommen als eine Landessprache.» Vielerorts seien wohl auch mehr Lehrpersonen bereit, Englisch zu unterrichten. Sogar in der Westschweiz seien Lehrgänge mit Deutsch im Rückzug. Hauptautor Elmiger mahnt, dass es nicht nur die Aufgabe der Kantone entlang der Sprachgrenze sein darf, zur gelebten Mehrsprachigkeit beizutragen, sondern auch die der amtlich einsprachigen Kantone: «Das ist ein Projekt, an dem alle sich beteiligen sollten.»

Freiburg die Ausnahme

Freiburg wird in der Studie explizit als Ausnahme erwähnt. Es gebe kantonale Regeln zur Zweisprachigkeit. Sie unterschieden einen auf Schwerpunkte konzentrierten von einem anspruchsvolleren, vollständig zweisprachigen Unterricht. Das sei löblich, könne aber nicht als Modell für das restliche Land herhalten. Eine Abwendung der Deutschsprachigen vom klassischen Bilinguisme könne er mit seinen Zahlen weder belegen noch bestreiten, sagte Elmiger auf Anfrage. Und Virginie Borel vom Forum für Zweisprachigkeit fügte an: «Generell machen wir die Erfahrung, dass die Minderheiten entlang der Sprachgrenze ein grösseres Interesse an der Zweisprachigkeit haben.»  

Elmiger zieht eine ernüchternde Bilanz: «Wenn wir diesen Reichtum und die Vielfältigkeit haben wollen, braucht es einen stärkeren Rahmen.» Es sehe so aus, als werde das Bildungssystem auf Englisch umgestellt. «In einem mehrsprachigen Land kann das langfristig zu grossen Verschiebungen führen.» Das sprachliche Gefüge der Schweiz liege ihm am Herzen. Es sei nun wichtig, aufgrund der Studie über Sprachpolitik zu diskutieren und sie wo nötig anzupassen.

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