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Dialekt und «bon allemand»

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GAstkolumne

Autor: Boris Boller

Dialekt und «bon allemand»

Der Genfer Nationalrat Antonio Hodgers ist vorübergehend nach Bern gezogen und stellte vor gut einem Monat in der Sonntagspresse fest, dass östlich der Saane Dialekt «immer häufiger» verwendet wird. Ausgehend vom Rückzug des Standarddeutschen aus dem öffentlichen Raum diagnostiziert er nationales Verständigungsproblem und stellt belgische Zustände als Schreckensvision in den Raum. Als Lösungswege skizziert er drei Szenarien, die ihn allerdings selbst nicht überzeugen: Dialekt wird nur noch im geschützten Raum benutzt, Schweizerdeutsch wird in standardisierter Form zur Landessprache oder z. B. Romanisch oder etwa Englisch werden zur einzigen Landessprache neben den Regionalsprachen erklärt.

Ungeachtet der Tauglichkeit der Szenarien kann die Prob-lematik nicht gerade als neu bezeichnet werden, aber die Emotionen gehen reflexmässig hoch, wie oft, wenn etwas identitär mobilisiert. In der Folge schwappte eine noch nicht verebbte Welle von Kommentaren, väterlichen Ratschlägen und brüskierten Zurückweisungen in die Zeitungsspalten der Romandie und der Deutschschweiz. Die Internetforen der Zeitungen, diese sorgfältig bewirtschafteten Arenen für orthographische Missverständnisse, Empörung und verbale Kraftmeiereien erleben einen Andrang wie seit der Minarettabstimmung nicht mehr. Deutschsprachige Forumsteilnehmer keilen zurück und erinnern sich etwa, dass sie am Genfer Autosalon auch schon mal sprachlich unsensibel behandelt wurden.

Auch wenn den Analysen und Szenarien von Hodgers kaum in jedem Punkt zugestimmt werden kann, so erleben wir zurzeit doch die cirka dritte Mundartwelle. Nachdem die erste Welle im Zuge der Geistigen Landesverteidigung vor allem der Abgrenzung gegen das totalitäre Ausland diente (ein «Welschlandjahr» gehörte allerdings auch dazu), fand in den Siebzigerjahren mit Mundartliteratur und Dialektrock ein kreativer Umgang mit dem Schweizerdeutschen jenseits des «bluemeten Trögli» statt. Die dritte Welle ab den 1990er-Jahren wiederum scheint Schweizerdeutsch als eine Art Geheimsprache zu pflegen, die gegen Unvertrautes schützen und abgrenzen soll.

Während aber Essayisten und Forumsteilnehmer munter kühne Vergleiche ziehen und sich in weiteren Szenarien und Forderungen ergehen, wird die Zürcher Bildungsdirektion konkret: Französisch soll in Zukunft nicht mehr prüfungsrelevant für Gymnasiumsübertritte sein. Das soll einerseits den fremdsprachlich herausgeforderten Zürcher Knaben unter die Arme greifen und ihre Mittelschulquote erhöhen, andererseits scheint die Abwertung des Französischen auch eine Anpassung an die lokalen Fakten zu sein, tut sich doch die dortige Volksschule schwer damit, genügend qualifizierte Lehrpersonen für den Französischunterricht zu finden.

Boris Boller ist Ethnologe. Er studierte, lebte und arbeitete lange in Freiburg und interessiert sich nun bis auf weiteres von Bern aus für die Belange der Zweisprachigkeit.

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