Gastkolumne
Autor: Beat Brülhart
Die Ampel auf Dauerrot
Wer hat eigentlich das Recht, über mein Leben zu bestimmen? Erschreckend viele halten es für richtig, andere zu ihrem Glück zu zwingen. Eltern tun es naturgemäss und ernten nicht selten Dank dafür. «Ich bin ihnen dankbar, dass sie mich damals gezwungen haben, das Handorgeln nicht aufzugeben.» (Wie viele von denen wohl heute noch örgelen?)
Bei Kindern mag diese Zwangsbeglückung noch ihre Berechtigung haben. Aber bei Erwachsenen? Wer hat das Recht, über mündige Erwachsene zu entscheiden? Niemand. Hierzulande hat die staatliche Nomenklatura längst das Zepter übernommen. Egal in welchem Lebensbereich: Bis in die kleinste Lebensfaser mischt sich der Staat ein und ist täglich damit beschäftigt, den Lenkungsmoloch, in dem längst jeglicher Überblick verloren gegangen ist, weiter auszubauen. Seit Jahren wird den KMU von den Politikern versprochen, den unerträglichen Administrationstiger zu beseitigen. Tatsache ist, dass es von Jahr zu Jahr schlimmer wird. Natürlich braucht eine Gemeinschaft zusammenlebender Menschen Regeln. Das ist notwendig und unbestritten. Schlimm ist, dass offenbar niemand mehr nach dem Sinn der Regeln fragt. Herr Parkinson (nicht der Entdecker der Krankheit) scheint Recht zu haben. Er entdeckte nämlich, dass ein System (Staat) so lange wächst, bis es sich nur noch mit sich selbst beschäftigt.
Neulich hat ein Privatradio auf einer kilometerlangen kerzengeraden Strasse eine Ampel errichtet. Keine Kreuzung, kein Radweg, keine Kurve, kein Fussgängerstreifen, nichts, nur freie Felder und Wiesen. Die Ampel wurde auf Rot geschaltet. Dauerrot. Schon nach kurzer Zeit bildete sich eine lange Kolonne. Die Radioleute interviewten die Wartenden. Böse waren sie, aufgebracht, fluchten und verwünschten die Ampel, die Polizei, das Strassenverkehrsamt, die Verkehrsexperten und die Politiker. Aber es passierte nichts. Gar nichts. Alle sassen da in ihren Autos, fluchten, warteten und hofften ergeben, dass die Ampel endlich auf Grün schaltet. Einige spielten mit dem Gedanken, einfach loszufahren, keiner tat es.
Diese Episode gefällt mir. Irgendwie erinnert sie mich an unsere Gesellschaft. In unserem Leben wimmelt es doch längst an allen Ecken und Enden von Ampeln auf Dauerrot. Und wir, was tun wir? Ausser fluchen nichts. Warum nur, warum?
Beat Brülhart wohnt in Düdingen. Er ist Unternehmensberater und Trainer/Coach für Führungskräfte sowie Referent am Schweizerischen Institut für Unternehmensschulung. Als Mitglied des Gewerbeverbandes Sense ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet. Der Inhalt braucht sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion zu decken.