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Die Angst vor dem Leben danach

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Nadia Mülhauser und Nadia Baeriswyl verbindet mehr als nur der gleiche Vorname: Beide wohnen in Düdingen, beide gehörten während Jahren dem Schweizer Nationalteam im Kunstturnen an, beide bestritten für die Schweiz internationale Wettkämpfe, und beide haben inzwischen ihre Karriere beendet. Die eine, weil sie zurücktreten musste, die andere, weil sie zurücktreten wollte. In dieser Hinsicht mögen sich die Geschichten der beiden Turnerinnen unterscheiden, dennoch sind sie sich einig: «Das Karriereende war der Anfang eines neuen, schöneren Lebens.»

«Ich bin in Tränen ausgebrochen»

Nadia Baeriswyl schafft 2010 den Sprung in die Schweizer Kunstturnelite. Durch das tägliche intensive Training wird das Muskel- und das Skelettwachstum der Kunstturnerinnen gehemmt, die körperliche Reifung verzögert. Baeriswyl lebt in einem Körper, der Frau werden will, aber Mädchen bleiben muss. Als sich die 17-Jährige im Februar 2012 während eines Trainingslagers in Brescia (It) verletzt und nach einer Operation im Bereich des linken Narrenbeins sechs Monate ausfällt, hat sie einen Wachstumsschub. Mit 165 cm erreicht Baeriswyl eine kritische Grösse, stösst beim Barrenturnen mit den Füssen an Holmen und Boden an. Sie muss ihre Technik anpassen, dennoch ist sie zuversichtlich, dass sie den Anschluss wieder findet.

Vier Monate nach Wiederaufnahme des Trainings, im November 2012, eröffnet Nationaltrainer Zoltan Jordanov Nadia Baeriswyl im Jahresendgespräch, dass es «keinen Sinn mehr macht.» «Ich bin in Tränen ausgebrochen», erinnert sich die Turnerin. Es sei normal, dass jemand aus dem Kader falle, wenn die Leistung nicht reiche. «Zoltan hat mir stets gesagt, ich solle mir Zeit lassen und mich langsam herantasten. Und dann wirft er mich ohne Vorwarnung raus.»

Der Schock sitzt tief, die Enttäuschung über das Aus ist riesig. «Ich hatte mein komplettes Leben aufs Turnen ausgerichtet. Von einer Sekunde auf die andere brach alles auseinander. Es dauerte ein Dreivierteljahr, bis ich das Ganze verarbeitet hatte und darüber reden konnte.»

«Wir sind wie Schwestern»

«Ich erinnere mich gut an jenen Tag», sagt Nadia Mülhauser. «Ich war im Flur und wartete auf mein Jahresendgespräch, als Nadia total aufgelöst aus dem Zimmer kam. Ich habe gezittert, als ich an der Reihe war.» Mülhauser realisiert, dass ein Ausschluss aus dem Nationalteam auch für sie weitreichende Folgen hätte.

Im zarten Alter von vier Jahren beginnt die gebürtige Wünnewilerin mit Kunstturnen. Als 14-Jährige zieht sie von zu Hause weg und tritt 2011 ins Leistungszentrum in Magglingen über. Ihr Leben ändert sich grundlegend: Es gibt nur noch Schule und Training, die tausendfache Wiederholung der Turnübungen, das erdrückende Korsett der immer gleichen Tage. «Die Freude auf Magglingen war gross», erinnert sich Nadia Mülhauser. «Ich merkte aber bald, dass man dort auf sich alleine gestellt ist. Ich fühlte mich oft sehr einsam.»

In Magglingen wohnt Mülhauser bei einer Gastfamilie, zusammen mit Nadia Baeriswyl. Die beiden besuchen in Biel die Oberstufe, gehen in die gleiche Klasse. Nach der obligatorischen Schulzeit schreibt sich Baeriswyl am Gymnasium ein, Mülhauser beginnt die Wirtschaftsmittelschule–,obwohl beide nicht gerne die Schulbank drücken. Für eine Lehre bleibt neben dem Kunstturnen aber zu wenig Zeit. «Das familiäre Umfeld der Gastfamilie tat uns gut», erinnert sich Nadia Mülhauser. «Wir fühlten uns wohl und wurden bemuttert. So hatten wir weniger Heimweh.» Zwischen den beiden Nadias entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, die auch heute noch hält. «Wir sind wie Schwestern», sagt Baeriswyl. «Wir haben uns gegenseitig aufgebaut, wenn jemand wieder einmal in einem Loch steckte.»

Harscher Umgangston in Magglingen

Löcher durchleben die beiden Nadias viele während ihrer Zeit in Magglingen. Den harschen Umgangston im Leistungszentrum bekommen sietäglich zu spüren. «DasSchlimmste war der andauernde Druck», erinnert sich Nadia Mülhauser. «Die Trainer erwarteten immer bessere Resultate, immer bessere Übungen. Wenn man dreimal hintereinander denselben Fehler machte, gab es ein Donnerwetter, das in der ganzen Turnhalle zu hören war. Danach fühlte ich mich oft schlecht und ohne Selbstvertrauen.»

«Ich erinnere mich, wie unser Cheftrainer Sara Metzger und mich wochenlang ignorierte», erzählt Nadia Baeriswyl. «Er sprach nicht mit uns, lief davon, wenn wir an der Reihe waren, um an seinem Gerät zu trainieren.» Die Message ist klar: Ihr seid meine Zeit nicht wert. «Der schönste Moment des Tages war oftmals der Abend, wenn das Training überstanden war.» Um den Alltagsdruck einigermassen abzuschütteln, reden die beiden Nadias regelmässig mit einer Sportpsychologin.

Angst vor der Leere

Statistisch gesehen ist mit 21 Jahren die Karriere einer Kunstturnerin vorbei–in anderen Sportarten geht es dann erst richtig los. Nadia Mülhauser ist achtzehn, als sie ihren Rücktritt bekannt gibt. «Kleinere Verletzungen haben mich immer wieder zurückgeworfen. Ich merkte, dass ich nie mehr dahin komme, wo ich einmal war. Mein Körper hatte sich zu sehr verändert. Diese Erkenntnis tat weh.»

Nadia Mülhauser lernt auch das «andere Leben» kennen. Jenes, in dem sie sich nicht jeden Tag in die Turnhalle schinden muss. Letzten November zieht sie die Konsequenzen, auch wenn es ihr schwerfällt. «Ich hatte Angst vor der Leere. Mein ganzes Leben spielte sich in Magglingen ab. Hier hatte ich keine Kollegen, ich musste mir erst einen Freundeskreis aufbauen», sagt die Düdingerin.

Keine Reue

Der Rücktritt ist eine Erlösung für Nadia Mülhauser. «Und doch frage ich mich manchmal, ob ich nicht zu früh aufgehört habe. Hätte ich nicht bis den Olympischen Spielen 2016 weitermachen sollen? Ich werde es nie wissen.»

Auch wenn das Leben als Kunstturn-Profi nicht immer einfach war, so bereuen die beiden Nadias nichts. «Das Kunstturnen war eine gute Lebensschule», sagt die 20-jährige Baeriswyl. «Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Disziplin und Kampfgeist kommen mir heute zugute.» Die 19-jährige Mülhauser nickt zustimmend. «Wenn du internationale Wettkämpfe bestreiten kannst, wirst du für die Trainingsstrapazen belohnt. Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft oder an den Pre-Olympics war fantastisch. Das sind Erinnerungen, die mir niemand mehr nehmen kann. Dennoch freue ich mich auf mein neues Leben», sagt Nadia Mülhauser, die demnächst eine KV-Lehre beginnt.

 

21. Januar 2012: «Road to London»–Die Olympiateilnahme blieb den beiden verwehrt. Bild ae/a29. April 2006: Die 10-jährige Nadia Mülhauser turnt an den Freiburger Meisterschaften. Bild cr/a26. April 2008: Nadia Baeriswyl als 13-Jährige an den Freiburger Meisterschaften. Bild cr/a

«In Magglingen fühlte ich mich oft sehr einsam.»

Nadia Mülhauser

Ehemalige Kunstturnerin

«Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Disziplin und Kampfgeist kommen mir heute zugute.»

Nadia Baeriswyl

Ehemalige Kunstturnerin

Zu den Personen

Nadia Baeriswyl und Nadia Mülhauser

Nadia Mülhauser (19)gehörte von 2011 bis 2014 dem Schweizer Nationalteam der Kunstturnerinnen an. Sie nahm an der WM 2013 in Antwerpen (Be) und 2014 in Nanning (China) teil, turnte an zwei EMs (2012, 2014) und gewann insgesamt acht nationale Medaillen.Nadia Baeriswyl (20)zählte von 2010 bis 2012 zur Schweizer Turnelite. An der Schweizer Meisterschaft 2011 wurde sie Sechste im Mehrkampf (2011), im Weltcup holte sie für die Schweiz vierte und fünfte Plätze.ms

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