Autor: Marc Kipfer
Der unscheinbare Satz im aktuellen Informationsblatt der Gemeinde Murten klingt wie eine Drohung: «Falls es nicht möglich wäre, die Organisation der Brocante zu übergeben, würde auf deren Durchführung verzichtet», teilt die Gemeinde ihren Einwohnern mit.
Die Brocante vor dem Aus? Der Auslöser für den gemeinderätlichen Alarmruf ist ein Rücktritt: Die 72-jährige Annemarie Wehrli aus Lugnorre zieht sich auf Ende des laufenden Jahres von der Leitung der Brocante zurück. Nach 16 Jahren und 80 organisierten Märkten will Wehrli Platz für eine neue Führung schaffen.
Bisher keine sichere Zusage
Die Stadtverwaltung, die an der Brocante finanziell und organisatorisch beteiligt ist, versucht derzeit, die Lücke zu füllen, die Wehrli hinterlässt. Selber will die Stadt den traditionellen Markt nicht veranstalten, im Gegenteil: Wie Annemarie Wehrli den FN mitteilt, will die Gemeinde den Anlass komplett in private Hände übergeben. Gemäss dem Artikel im Informationsblatt vom Dezember wird für diese Aufgabe entweder eine Einzelperson oder eine Organisation gesucht. «Verschiedene Gespräche wurden bereits geführt, eine Zusage hat die Stadt bisher nicht erhalten», heisst es.
Die bisherige Organisatorin zeigt sich von dieser Mitteilung überrascht. «Ich habe für meinen Rücktritt gerade diesen Zeitpunkt gewählt, weil mehrere Leute ihr Interesse an diesem Amt geäussert haben», erklärt Wehrli; also habe sie aufgehört, obwohl sie den Brocante-Virus noch immer in sich trage. An einen möglichen Untergang des traditionellen Markts mag Wehrli nicht denken: «Das darf nicht passieren», sagt sie mit Nachdruck.
Annemarie Wehrli hatte die Organisation der Brocante vor 16 Jahren eher aus Zufall übernommen. «Ich teilte das Amt zuerst mit einem Kollegen, aber die Stadt duldete damals noch keine Teamarbeit», erinnert sie sich. Also führte sie das Amt alleine weiter. Unter ihrer Ägide verdoppelte sich die Grösse des Marktes, die Räume zwischen den Ständen wurden enger. Vor allem in letzter Zeit spürte Wehrli einigen Widerstand gegen die Brocante. «Es gibt Anwohner, die mit grossen Pflanzen absichtlich den Platz versperren», bedauert sie. Manche hätten zu ihr gesagt: Toll, dass es die Brocante gibt, aber nicht vor meinem Haus. «Unter Druck setzen liess ich mich dabei nie», sagt Wehrli, die mit den Anwohnern oft einen Kompromiss aushandelte. «In den ganzen Jahren hatte ich viel Freude an dieser Aufgabe», betont die 72-Jährige, die in Murten jeweils selber einen Stand mit alten Textilien betrieben hat.
«Gleiche Chance für alle»
Wehrlis Nachfolge möchte die Stadtpräsidentin Christiane Feldmann möglichst bald regeln: «Wir haben die Stelle im Informationsblatt ausgeschrieben, damit alle Interessierten die gleichen Chancen erhalten», erklärt sie. Für die Akzeptanz der Brocante wäre es laut Feldmann von Vorteil, wenn jemand aus der Anwohnerschaft den Job übernehmen würde. Denn wegen den gesperrten Strassen und Parkplätzen sei der Markt tatsächlich manchen Stedtlibewohnern ein Dorn im Auge.
Dass es in der Ausschreibung heisst, die Brocante würde ohne neuen Chef wegfallen, kommt laut der Stadtpräsidentin nicht von ungefähr: «Es wird immer schwieriger, Posten zu besetzen, die derart arbeitsaufwendig und zudem praktisch ehrenamtlich sind.»