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Die eine Heimat gibt es nicht

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Geranien. Rote Geranien, fein säuberlich arrangiert in weissen Blumenkistchen. Sie empfangen die Besucherinnen und Besucher der neuen Ausstellung «Heimat – Eine Grenz­erfahrung» des Stapferhauses Lenzburg in dem grossen Saal zum Thema «Heimatland». Nicht um die Heimat als Gefühl geht es hier, sondern um Gesellschaft, Recht und Politik. Das rot-weisse Farbenspiel in den Blumenkästen ist kein Zufall. Hier lernen die Besucher unter anderem die Geschichte des Schweizer Passes kennen und erfahren, dass in der Schweiz 76 Prozent der Bevölkerung einen Pass mit weissem Kreuz auf rotem Grund haben. Alle anderen brauchen eine Aufenthaltsbewilligung, wenn sie länger als drei Monate bleiben oder einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen.

Das Geranium ziert hierzulande so viele Balkons, Terrassen und Parkanlagen, dass es quasi zur botanischen Verkörperung des Schweizertums geworden ist – obwohl es im 17. Jahrhundert aus Afrika in die Schweiz gelangt ist. Eine Blume also als Symbol der Heimat, als Inbegriff der Identität von Schweizerinnen und Schweizern? So einfach ist es natürlich nicht, wie beim Rundgang durch die Ausstellung rasch klar wird. Was für die einen das Geranium ist, ist für die anderen das Fondue oder der Cervelat-Salat, der Säntis oder der Bodensee, Stöckli-Ski oder der EHC Olten. Das sind nur einige der Antworten von tausend Personen, die das Stapferhaus für die Ausstellung zum Thema Heimat befragt hat. Die Mitarbeiter waren dafür auf zwölf Chilbis in der ganzen Schweiz unterwegs und haben die Menschen zum Gespräch aufs Riesenrad geladen – jenes Riesenrad, das jetzt auch Teil der Ausstellung ist und auf dem die Besucherinnen und Besucher ihrem eigenen Begriff von Heimat näherkommen können.

«Ich bin ein Stück von da»

Ist Heimat also ein Ort oder ein Gefühl? Ein Land oder eine Erinnerung? Ein Mensch oder eine Tradition? – Die Antworten der tausend befragten Männer und Frauen, Kinder und Erwachsenen, Einheimischen und Zugewanderten sind in der Ausstellung anhand von Video-Zusammenschnitten und grafischen Auswertungen zu entdecken (siehe Kästen rechts). Auf Menschen mit ganz besonderen Heimatgeschichten treffen die Besucher in sieben schmucken weissen Häuschen. Da ist etwa die 75-jährige Ursulina Joos, die ihr ganzes Leben im Bündner Bergdorf Tenna verbracht hat. «Ich bin ein Stück von da», sagt sie im Video. Im Gewohnten fühle sie sich wohl, und dem gelte es, Sorge zu tragen. Da ist die 60-jährige US-Amerikanerin Beth Ann Zurbuchen, die sich zwar durch und durch amerikanisch fühlt, aber dennoch stolz ist auf ihre Schweizer Wurzeln. «Durch die Migrationsgeschichte meiner Familie bin ich Teil von etwas Grösserem», sagt sie, während sie fachmännisch eine Glarner Schabziger-Suppe zubereitet. Und da ist der 28-jährige Ali Hassan, der nach seiner Flucht aus Eritrea und einer Odyssee durch den Jemen, die Türkei, Griechenland und Italien in einem Schweizer Asylheim gelandet ist und inzwischen in Unterentfelden eine zweite Heimat gefunden hat. Er erzählt von seiner Integration, davon, wie er die Sprache gelernt, Arbeit gefunden und Menschen kennengelernt habe – und er sagt: «Ich kenne heute keine Probleme mehr, weil ich das Wichtigste schon verloren habe.»

Von einer ganz neuen Art der Heimatlosigkeit spricht in der Ausstellung der deutsche Soziologe Harald Welzer. Die zunehmend globalisierte Welt biete bald nur noch wenigen privilegierten Menschen eine Heimat, sagt der 59-Jährige, den gut ausgebildeten und gut verdienenden nämlich, «die sich einen mentalen und finanzkräftigen Kosmopolitismus als mobile Heimat leisten können». Alle anderen würden an den Rand gedrängt, «in einen Zustand der Verlassenheit und Entmächtigung, in dem die Leerstellen mit der läppischen digitalen Simulation von Freundschaft und Netzwerken gefüllt werden». Welzer plädiert darum für eine Rückkehr zum Lokalen, zu einer Welt der Gemeinschaftsgärten und Genossenschaften. «Heimat ist analog», so der Soziologe. Auf die Frage, was Heimat für ihn persönlich sei, antwortet er: «Ein Haus am See und zwei schwarze Katzen.»

Eine endgültige Antwort auf die Frage nach der Heimat bietet auch die Lenzburger Ausstellung nicht. Vielmehr kommt man am Ende des Rundgangs zum Schluss, dass es wohl so viele Antworten wie Menschen gibt. Eines ist Heimat aber auf jeden Fall, wie es im Untertitel der Ausstellung heisst: «Eine Grenzerfahrung».

Heimat in Worten

«Wenn man kein Navi braucht, um einkaufen zu gehen»

An zwölf Orten zwischen Lausanne und St. Gallen haben die Ausstellungsmacher insgesamt tausend Menschen gefragt, was für sie Heimat sei. Einige Antworten:

• «Heimat ist wie Liebe … ein Kribbeln.»

• «Wie wenn man nach einem langen Tag nach Hause kommt und sich ins Bett legt, genau so fühlt es sich an.»

• «Traditionen. Dass man eine Tracht anzieht und zum Tanzfest geht.»

• «Heimat bemerke ich erst, wenn ich sie nicht mehr habe. Sie ist ein Luxus.»

• «Wenn man so reden kann, wie einem der Schnabel gewachsen ist – und man verstanden wird.»

• «Schlitteln im Winter.»

• «Wenn ich Berge sehe.»

• «Wenn ich frisch poliertes Parkett rieche.»

• «Wenn ich am Wochenende rieche, dass meine Mutter Frühstück gemacht hat.»

• «Wenn ich meinen Enkel ans Schwingfest begleite.»

• «Die gelben Tafeln der Wanderwege: Man kann in der ganzen Schweiz herumlaufen, und sie bringen dich immer an den nächsten Ort.»

• «Wenn man kein Navi braucht, um einkaufen zu gehen.»

• «Volksmusik. Da kommen mir die Tränen.»

• «Kuhglocken und Kirchenglocken.»

• «Der Briefträger, der hupt, den man schon Jahre kennt.»

• «Schwimmen im Rhein.»

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Praktische Informationen

Vorverkauf für die Wochenenden

Die Ausstellung im Zeughaus Lenzburg dauert bis zum 25. März 2018. Alle zehn Minuten können maximal 24 Personen den Rundgang starten. Wegen des grossen Starterfolgs – allein in den ersten drei Wochen kamen 5500 Besucherinnen und Besucher – haben die Verantwortlichen nun für die Wochenenden einen Vorverkauf eingeführt: Wer will, kann auf der Homepage des Stapferhauses ein Ticket mit reservierter Einlasszeit kaufen. Nach wie vor gibt es aber auch am Samstag und Sonntag Tickets an der Tageskasse. Die Verantwortlichen empfehlen, für den Besuch der Ausstellung zweieinhalb bis drei Stunden einzuplanen.

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Di. bis So. 9 bis 17 Uhr, Do. 9 bis 20 Uhr. Infos und Vorverkauf: www.stapferhaus.ch

Heimat in Zahlen

Menschen, Landschaften und Traditionen wecken Heimatgefühle

Die tausend befragten Personen haben nicht nur von ihren Heimatgefühlen erzählt, sondern auch einen Fragebogen zum Thema ausgefüllt. Die statistische Auswertung ergab unter anderem Folgendes:

• Für 95 Prozent der Befragten bedeutet Heimat Menschen. Am wichtigsten ist die Familie, in die man geboren wurde (70 Prozent). 64 Prozent denken an Freunde, 42 Prozent an die selber gegründete Familie – und immerhin 10 Prozent an die Arbeitskollegen.

• 94 Prozent denken bei Heimat an Landschaften, wobei die Berge mit 60 Prozent die Rangliste anführen. Es folgen Seen (45 Prozent), Wiesen und Felder (42 Prozent), Wälder (35 Prozent), Dörfer (29 Prozent) und Städte (27 Prozent). Meeresstrände liegen mit 18 Prozent auf dem letzten Platz.

• Traditionen und Rituale bedeuten für 91 Prozent der Befragten Heimat, wobei am häufigsten Familienrituale genannt wurden (61 Prozent), am zweithäufigsten religiöse Traditionen wie Weihnachten (50 Prozent). Nur 30 Prozent dachten hingegen an persönliche Rituale wie den Morgenkaffee.

• Auf die Frage, ob die eigene Heimat bedroht sei, antworteten 51 Prozent mit Ja. Sie dachten dabei am häufigsten an Naturzerstörung und Überbauungen (35 respektive 28 Prozent). 27 Prozent fürchten fremde Kulturen, 21 Prozent die Globalisierung, 20 Prozent Kriminalität, 19 Prozent Terrorismus und 11 Prozent Krieg.

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