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Die Endlosliste

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Gastkolumne

Autor: Hubert Schaller

Die Endlosliste

Vor kurzem entdeckte ich auf dem Schreibtisch meiner Tochter einen blauen Klebezettel, der mit «to do» überschrieben war. Darunter eine Reihe von Dingen, die man halt mit 18 so zu tun hat: Gel kaufen, Natel-Rechnung bezahlen, Englisch-Vortrag vorbereiten, Openair-Billett reservieren. So, so, dachte ich bei mir, nun beginnt das also schon in ihrem Alter. Ich meine, dass das Leben darin besteht, immer wieder neue To-do-Listen abzuarbeiten.

Meine eigene Liste habe ich mit 17 eingeführt. Sie ist immer noch schwerfällig mit «zu erledigen» überschrieben. Das soll sich ändern. Von heute an sind die Dinge, die auf meinem Zettel stehen, nicht mehr mühsam zu erledigen, sondern kurz und bündig to do. Dieser Entschluss stimmt mich heiter, bis mir einfällt, dass auf meiner Merkliste ja nicht bloss dringliche Sachen stehen wie: Mutter anrufen, Noten abgeben, neue Druckerpatrone kaufen, sondern auch mittel- und langfristig zu Erledigendes wie: Sommerpneus montieren, Katzen impfen, Bücherregal abstauben. Ja, es stehen sogar Dinge darauf, von denen ich ahne, dass ich sie niemals tun werde: Buch über Hintergründe der Finanzkrise lesen, alten Schulfreund anrufen, Bürosessel neu überziehen. Trotzdem halten sich diese Dinge hartnäckig auf der Liste und werden auch auf die neue übertragen, wenn die alte zu voll und unübersichtlich geworden ist. Selten ringe ich mich dazu durch, etwas nie Erledigtes endgültig von der Liste zu streichen. Eigentlich nur dann, wenn ich es durch etwas Neues ersetzen kann, das ich genauso wenig erledigen werde und das es doch immer wieder auf neue Listen schafft.

Die Kolonne der unerledigten Dinge ist nur auszuhalten, wenn man im Gegenzug immer wieder auch Sachen von der Liste streichen kann. Um das damit verbundene Siegergefühl möglichst oft auskosten zu können, bin ich dazu übergegangen, auch alltägliche Dinge aufzuschreiben, wie: Einkaufen, E-Mails beantworten, Einzahlungen erledigen. Lauter banale Dinge zwar, die aber dadurch aufgewogen werden, dass ich meine Checkliste um eine neue Kolonne erweitert habe: ins Kino gehen, an die Ostsee fahren, eine neue Weinsorte ausprobieren. Ich nenne sie die «Königswörter» auf meiner Liste. Es beruhigt mich, dass sie dort stehen.

Manchmal, wenn die Kolonne der unerledigten Pflichten zu lang geworden ist, lasse ich es zu, dass meine Liste immer tiefer unter einem Stapel von Papieren verschwindet. Irgendwann taucht sie dann wieder auf, und ich stelle erstaunt fest, dass sich gewisse Dinge in der Zwischenzeit wie von selbst erledigt haben.

Zugegeben, hie und da erlabe ich mich an der Vorstellung, meine To-do-Liste sei auf immer und ewig aus der Welt verschwunden. Aber dann bin ich doch wieder froh, dass sie da ist. Schliesslich steht mein Leben drauf. Und da gibt es so ein paar Dinge, die ich unbedingt noch von der Liste streichen möchte. Oder auch nicht.

Hubert Schaller unterrichtet Deutsch und Philosophie am Kollegium St. Michael. Er ist unter anderem Autor der Gedichtbände «Trommelfellschläge» (1986) und «Drùm» (2005). Als Kulturschaffender ist er in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

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