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Die Farben des Regens

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Ein bisschen Geburtstag feiern wollten wir. Das alljährliche Feiern zum Ereignis, das Licht der Welt erblickt zu haben, wollten wir gerne so begehen, dass wir ebendieses Licht der Welt in einer gewissen Verwandlung zum Üblichen schauen könnten und den Ruf «Morgen dann!», der auf zu erwartendes Glücken eines kommenden Tages vertrösten sollte, nicht hören. An deinen Geburtstagen rufst du das nie!

Wir erhalten gerade noch das letzte Zimmer in dem Hotel, für das wir uns entschieden haben. Ein 100-jähriges Haus, wo uns auch eine wunderbare Panoramaterrasse erwarten würde, das wissen wir, auf 1200 Meter über Meer.

Die kleine Geburtstags­feier soll luftig und licht werden, wenn wir die ganze Alpenkette schauen und die Majestät des Mont Blanc, der in direkter Luftlinie vor dem Hotel steht, sogar auf grosse Distanz erkennen.

Aus Spass an den kommenden Stunden nennen wir uns Herr und Frau Lavendel, weil das den Blick etwas verändert, wenn man nicht seinen gewohnten Namen trägt.

Im Stück von Samuel Beckett heisst einer der zwei Männer, die einen nie ankommenden dritten erwarten, Estragon, und das hat mir schon immer gefallen und den Eindruck gemacht, so ein organischer Name könnte besondere Weltsicht bergen.

Herr und Frau Lavendel beziehen nach einer kurzen Anreise auf das Juraplateau das Hotelzimmer und erhalten für den Abend einen Tisch im Speisesaal.

Unser fünfjähriger Enkel schaute sich gern den Regenradar auf dem Internet an während seiner Ferien bei uns und war immer sehr angetan von der Skala, die die Niederschlagsstärken anzeigt mit verschiedenen Farben. Rot-Blau-Gelbtöne für entsprechende Prognosen. «Morgen wird es violett regnen!», rief er einmal begeistert. Der wildeste, heftigste Regen hat auf der Skala die Farbe violett. Mir kam dabei auch der Gedanke an Lavendel, und dass man diese Farbe in einem Namen ausprobieren müsste, um eine entsprechende Regenschwemme nachempfinden zu können.

Um die Nachtessenszeit füllt sich der Hotelsaal. In kurzer Zeit scheinen alle Plätze belegt. Alle, die ankommen wollten, und alle, die ankommen sollten, waren versammelt und warteten. Ein gemeinsames Warten auf Gleiches und Persönliches. Auf ein Feiergefühl? Auf einen Tisch mit Gutsicht? Auf eine Menükarte? Auf eine Nachfrage zum Befinden? Auf ein Serviertwerden.

Alle im Saal warten schlussendlich auf ein Essen, auf ein Getränk. Der Saal ist hoch, die Fenster zur Panoramaterrasse ebenfalls. Die Wartenden blicken jetzt vom Innern immer wieder nach draussen. Der Mont Blanc verschwindet im Dunst. Es ist heiss, schwül, die Hitze beginnt zu pochen im Speisesaal. Wolken sind aufgezogen. Einige Gäste wechseln von der Terrasse an freie Innentische. Man traut dem Wetter nicht mehr ganz. Es ist fast still geworden im Saal, oder wirkt das nur so, weil draussen immer weniger Bewegung zu sehen ist in den Sonnenschirmen und der schmalen Tannengruppe im Fenster ganz rechts?

Es schraubt sich eine Ruhe immer stärker in die Aussenumgebung. Das Alpenpanorama ist weggewischt. Vor allen Fenstern klebt dieselbe milchbeige Farbe. Eine Dame aus dem Service geht auf der Terrasse hin und her, ordnet Dinge. Ihr Oberkörper erscheint in den Fenstern immer wieder, im einen, im andern, geräuschlos von innen gesehen. Als würde sie schwimmen im milchigen Dunst. Viele Gäste schauen zu und warten.

Gespenstisch schön füllt das weisse Licht von der Terrasse den Saal, hüllt ihn in Schweigen – Aquarium, denke ich. Alle warten, nichts bewegt sich mehr vor den Fenstern. Die Dame hat alle Sonnenschirme zugeklappt und ist verschwunden. Im Innern sind die Lebenssehnen der Gäste jetzt angespannt im Warten.

Warten. Einige Augen-Blicke begegnen sich von Tisch zu Tisch. Der Saal atmet gemeinsam ein.

Und dann regnet es violett! Sehr violett, nachdem ein plötzlich heftiger Wind eingesetzt hatte, an allen Schirmen riss, die Terrassentür krachend zuschwang und durch den Esssaal pfiff. Grossartiges Brausen und Rauschen und alles zu oder alles offen ins Universum. Die Bewegung war in die Welt zurückgekehrt.

Der Saal atmet gemeinsam aus. Warten auf die bestellte Mahlzeit.

Herr und Frau Lavendel wurden eins mit dem Violett des Regens und begannen zu duften.

Sie erschraken beinah, als das Essen kam.

Sus Heiniger ist Kunstmalerin und lebt in Murten. Als Kulturschaffende ist sie in einem FN-Kolumnistenkollektiv tätig, das in regelmässigem Rhythmus frei gewählte Themen bearbeitet.

Kolumne

«Aus Spass nennen wir uns Herr und Frau Lavendel, weil das den Blick etwas verändert, wenn man nicht seinen gewohnten Namen trägt.»

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