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Die göttliche Ordnung ist ganz schön paradox

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wort zum sonntag

Die göttliche Ordnung ist ganz schön paradox

Autor: Hildegard Schmittfull

Immer wenn sich eine Gruppe oder ein Volk neu zusammenfindet, kommt der Zeitpunkt, an dem Regeln für das Zusammenleben notwendig werden, in denen jene Überzeugungen formuliert werden, auf deren Basis sich die Gruppe findet. Dieser Moment wird uns in der ersten Lesung vermittelt. Das Volk Israel, so ist in den vorausgehenden Kapiteln zu lesen, hat eine herausfordernde Zeit hinter sich: Knechtschaft in Ägypten, Ausbruch und Aufbruch, Durchzug durch das Rote Meer, Wüstenwanderung, Hunger und Durst. Not und Unsicherheit sind das tägliche Brot des Volkes. Verlorenheit und Krise gefährden das Zusammenleben.

Da schliesst Gott mit dem Volk einen Bund. Es ist der grosse Moment der Gottesbegegnung von Moses am Sinai, begleitet von kosmischen Phänomenen. Es blitzt und donnert, der Berg ist rauchverhüllt. Moses empfängt von Gott die Bundesgabe für das Volk, die zehn Gebote, denen der Satz vorangestellt ist: «Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus dem Sklavenhaus herausgeführt hat!»

Im Horizont dieser Selbstoffenbarung Gottes wollen die Gebote verstanden werden. «Ich will deine Freiheit, mein Volk, und ich will, dass du der Freiheit nicht verlustig gehst», so die Botschaft. Es ist nicht nur ein Geschenk an das Volk Israel, wie wir inzwischen wissen, es ist eines an die ganze Menschheit. Genau genommen ist es die älteste Charta der Menschenrechte, ein Gesetz, das nicht knechten, sondern befreien will. Es verkörpert menschliche und göttliche Ordnung und schützt den einzelnen Menschen und die ganze Gemeinschaft.

Fast paradox dazu nimmt sich die Botschaft des Evangeliums von der sogenannten Tempelreinigung dazu aus. Wir begegnen einem ungewohnten Jesus. Er, der sich barmherzig und verzeihend jedem Notleidenden zuwendet, gerät in einen «heiligen Zorn» und vertreibt kompromisslos Händler und Geldwechsler mitsamt allem Getier aus dem Tempel. Der Ort der Heiligkeit ist zur Markthalle verkommen.

Die Worte, die Jesus in den Mund gelegt sind und diese Handlung deuten, sind von den Jüngern erst später nach Jesu Tod formuliert worden: «Reisst diesen Tempel nieder, und ich werde ihn in drei Tagen wieder aufrichten.»

In der Geschichte des ersten Testamentes geht es um eine neue Ordnung für das Volk, hier in dieser Geschichte soll eine nicht mehr zeitgemässe Ordnung eingerissen werden. Jesus prophezeit eine Zeitenwende. Die Zeit des Tempels, das religiöse Zentrum für die Juden schlechthin, geht zu Ende. Ganz langsam lernen die Jünger um Jesus, dass es um ein neues Paradigma geht. Paulus verkündet dieses neue Paradigma mit den Worten: «Wisst ihr nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und dass der Heilige Geist in euch wohnt? Der Tempel ist heilig, und der seid ihr.» Gottes Wohnung ist nicht mehr im Aussen, sondern im Innern, sie ist unsere Gemeinschaft.

Es gibt eine Zeit des Aufbaus und eine Zeit des Niedergangs. Das ist Leben. Es scheint paradox und widersprüchlich. In einem bestimmten Licht betrachtet, sehen wir jedoch die Realität nicht mehr aufgespalten, sondern als eins. Das Neue kann nicht kommen, ohne dass etwas Altes stirbt. Das ist die Weisheit und Kraft, die Jesus, der Gekreuzigte, selbst personifiziert. Denen, die nicht verstehen, ist es Ärgernis und Torheit.

Stellen wir uns vor, die Menschheit, die gerade dabei ist, zu einem Organismus zusammenzuwachsen, erinnert sich an das Geschehen am Sinai, wird sich der Verheissung bewusst, horcht auf die Stimme Gottes und beginnt darüber nachzudenken, was die göttliche Ordnung für unsere jetzige Situation sein könnte.

Fragen wir uns, womit Jesus heute uns als Kirche provozieren würde, damit wir aufwachen und erkennen: Tod und Auferstehung als Zentrum des christlichen Glaubens verlieren nicht ihre zündende Kraft für eine Welt im Wandel. Unsere Kirche muss dieses Mysterium an ihrem Leib selbst geschehen lassen.

Damit wäre der christliche Glaube geradezu prädestiniert, eine Vision zu vermitteln und Deutung zu geben für das, was wir in der Welt erleben, auch für die Notwendigkeit, Altes loszulassen und vertrauensvoll auf das Neue zu- zugehen.

Hildegard Schmittfull ist Theologin und Kontemplationslehrerin und lebt in Teufen AR.

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