Autor: Marc Kipfer
Nach den Wahlen vom Sonntag war in Murten auch gestern noch Verwunderung spürbar. Die Grünliberale Partei (GLP), die im Seebezirk erst Mitte Oktober gegründet wurde, gewann sieben Generalratssitze und mit Jann Fahrni einen Gemeinderatssitz auf Kosten der FDP (siehe FN vom Montag). FDP-Präsidentin Christine Jakob sagt, sie könne nicht mit Sicherheit sagen, was für die Kräfteverschiebung ausschlaggebend war. «Die GLP hatte es bestimmt etwas einfacher, weil sie bisher in der Gemeindepolitik nicht existierte», argumentiert sie. Ein gewisser Neulingsbonus habe mitgespielt. Und Jakob glaubt, auch die Situation in Japan habe der GLP zu Stimmen verholfen: «Ich habe von Wählern gehört, die nun gegen Atomkraftwerke, also Grün gewählt haben.»
Dieser Meinung ist auch Richard Blättler, Präsident der CVP Murten. «Der Neulingsbonus war gross, und von Japan hat die GLP zusätzlich profitiert», glaubt er. Zudem habe das grüne Element in Murten bisher gefehlt.
Von Zuzügern gewählt
SVP-Präsident Fritz Gaberell sieht im Wahlresultat der GLP eine Mischung verschiedener Faktoren. «Zum Teil hat vielleicht Japan mitgespielt, zum Teil zeigte sich sicher auch ein gewisser Verdruss über die renommierten Parteien», analysiert er die Situation. Die SVP nimmt er davon aus, denn sie ist nebst der GLP die einzige Partei, die im Generalrat Sitze gewinnen konnte. Die Schnellstarterin GLP habe aber ein noch besseres Resultat der SVP verhindert, glaubt Gaberell.
Für SP-Präsidentin Bernadette Hänni hat die GLP ein zuvor bestehendes Vakuum gefüllt: jenes für ökologisch eingestellte Bürger, die nicht die SP wählen wollten. «Dabei hat teilweise das neue SP-Parteiprogramm eine Rolle gespielt», geht sie mit ihrer nationalen Partei ins Gericht. «Das Programm wurde falsch kommuniziert, und einige Leute haben mir gesagt, dass sie sich deswegen von uns abwenden», erklärt Hänni.
Die GLP-Liste sei mit guten Kandidaten gefüllt gewesen, sagt die SP-Präsidentin. «Das sind lauter junge, gut ausgebildete Leute, viele Familienväter, also Menschen, die mitten im Leben stehen.» In Murten wachse eine neue Bevölkerung mit vielen Zuzügern heran, und das Resultat der GLP sei ein Ausdruck davon. Die Tatsache, dass die GLP viele Stimmen von SP-Wählern erhalten hat, kommentiert Hänni mit der Feststellung, die Politik von GLP und SP stünden sich in Murten «sehr nahe».
«Rechts der Mitte»
Wie sieht dies die GLP selber? «Wir stehen rechts der Mitte, sehen uns aber als Zentrumspartei», sagt der Medienverantwortliche Lorenz Fivian. Auch er glaubt, dass viele Zuzüger die GLP gewählt haben. «Wir starten ohne Altlasten», bestreitet er den Neulingsbonus nicht. Ein Faktum sei aber auch, dass es grüne Politik in Murten zuvor nicht gegeben habe. Die Frage, ob auch Japan zum Erfolg beigetragen habe, findet Fivian unangenehm: «Wir möchten nicht von einem solchen Unglück profitieren.»