Autor: Urs Haenni
Musikliebhaber kommen am diesjährigen Freiburger Filmfestival voll auf ihre Kosten. Ob amerikanischer Blues, Jazz, jamaikanischer Rocksteady, kongolesischer Rumba, Rap oder die Musik der Tuareg aus dem afrikanischen Mali – in den Kinosälen des Festivals herrscht Musikgenuss pur.
Doch wie genau bringt man Musik effektvoll auf die Leinwand? Dieser Frage widmete sich unter anderem eine Debatte im Cap’Ciné, an welcher der Schweizer Stascha Bader («Rocksteady»), der Franzose Jacques Sarasin («On the Rumba River»), das marokkanische Jury-Mitglied Izza Genini («Gnaouas») und der Fotograf Guy Le Querrec teilnahmen.
Im Kino kann die Musik zu den Leuten sprechen
Sarasin hält das Kino für das geeignete Medium, Musik zu transportieren. «Das Fernsehen lässt der Musik nicht mehr die Zeit, zu den Leuten zu sprechen», sagte er. «Im Kino ist dies noch möglich.»
Stascha Bader meinte gar, dass Musik in der jetzigen Zeit gar nicht mehr richtig gespielt werde. «Heute entsteht Musik, indem sie im Studio zusammengestückelt wird.»
Musik meist in Dokumentarfilmen
Insofern bringt das Kino Musik wieder zurück zu den Wurzeln. Da kommen Musiker zusammen und spielen auch tatsächlich gemeinsam. Sowohl Bader als auch Sarasin sind in ihren Filmen einen ähnlichen Weg gegangen. Sie haben Musik aus Jamaica und Kongo wieder aufgegriffen, die fast schon vergessen war. Sie haben zumeist betagte Musiker aus der Epoche jener Musik ausfindig gemacht, sie zusammengebracht, und sie ihre Musik wieder spielen lassen.
Ein ähnliches Szenario, wie man es etwa von «Buena Vista Social Club» kennt, aber, wie Sarasin sagt, «man muss ja ein Szenario haben, mit dem man diese Musik wieder aufleben lassen kann.» Auffällig ist, dass Musik mehrheitlich in Dokumentarfilmen gezeigt wird. Am Freiburger Festival sind von den 14 «Black-Note»-Filmen nur fünf fiktional.
Was locker aussieht, ist eine grosse Leistung
Stascha Bader hatte sich vor seinem Film mit der Rocksteady-Musik, einer Vorgängerin des Reggae, erst in einer akademischen Arbeit auseinandergesetzt. Aus dem Film hat er dann ein Event oder ein Happening in Form eines öffentlichen Konzertes gemacht. Das Ziel des Filmemachers war es, die Musik unberührt zu lassen. Doch was im Film wie ein lockeres Musizieren aussah, war als Filmprojekt «eine riesige Energieleistung», wie Bader sagt. Man habe einen strengen Tagesablauf einhalten müssen, was paradox wirkt zum Anspruch, die «Musik frei fliessen» zu lassen. «Wir hatten die Musiker, die Toningenieure vom Studio, die Filmequipe mit zwei Kameras, einem Ton-Mann und Beleuchtung, und diese sollten sich möglichst nicht behindern», so Bader.
Bei «Rocksteady» fällt auf, dass die Musik sehr lebendig über die Leinwand kommt, indem Gesichter und Instrumente immer wieder in Nahaufnahme erscheinen. Für Izza Genini ist Folgendes wichtig: «Ich will die Musik immer in ihrem Kontext filmen. Ich setze Kommentare so sparsam wie möglich ein und lasse die Musik sprechen.»
Die magischen Momente auf dem Dreh
Jacques Sarasin sagt, es gebe keine einheitliche Art, Musik zu filmen. Es komme immer auf die Atmosphäre und den Rahmen an, der bestimme, beispielsweise mit welchen Farben man arbeite: «Es kommt dann immer wieder zu magischen Momenten. Da versteht vielleicht ein Kameramann die Sprache der Musik gar nicht, aber mitten in seiner Arbeit steht er plötzlich in einer totalen Symbiose mit den Musikern. Diese Gnadenmomente sind nicht möglich, wenn man die Musik nicht liebt.»
«Die Musik bringt mir Bilder»
Dabei spielt es scheinbar gar keine Rolle, ob der Filmemacher selber Musiker ist oder nicht. Stascha Bader macht selber Musik, Jacques Sarasin und Izza Genini hingegen nicht.
Die marokkanische Regisseurin sagt dazu: «Ich habe vielleicht nicht so ein feines Ohr. Aber ich habe doch eine eigene Beziehung zur Musik: Die Musik bringt mir Bilder.»