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Die letzte Kolumne

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Seit Beginn meiner Karriere sammelt meine Mutter ALLE Artikel über mich. Sie schneidet oder druckt sie aus und klebt sie in ein Fotoalbum. Seit mehr als 25  Jahren. Es stehen mittlerweile zehn vollgeklebte Alben im Schrank! Neulich habe ich einige davon durchgeblättert. Und wenn man seine Karriere so ausführlich gesammelt und dokumentiert nachlesen kann, so darf man getrost auch mal einen Tag lang auf der faulen Haut liegen, denn laut Mutters gesammelten Werke über ihren geliebten Sohn ist dieser in den letzten Jahrzehnten kein fauler Hund gewesen (wie man ihn fälschlicherweise zu Hause oft nennt).

Obwohl – eine weltweite Karriere ist es ja nun auch wieder nicht, die da fein säuberlich in diesen Alben klebt. Die Hälfte aller Artikel stammt nämlich aus dieser Zeitung hier, aus den «Freiburger Nachrichten». Von zahlreichen Konzerten, «Kampf der Chöre» und meinem Abenteuer als Kreuzfahrtkapitän über persönliche Einblicke in den Familienalltag bis zur Gründung einer Akademie: Es scheint, als habe ich tatsächlich alle Schritte und Misstritte in meinem Leben mit euch geteilt – ja, sogar teilen wollen … Was seid ihr eigentlich für mich? Ihr seid ja bloss irgendwelche anonymen Leser und Leserinnen, die ihr irgendwo einen Text über mich lest, weiterblättert und mich wegwerft. Ich kenne euch gar nicht. Oder täusche ich mich? Seid ihr womöglich meine Freunde? Auf jeden Fall endet ein Zusammentreffen mit irgendeinem Deutschfreiburger am Ende der Welt so, dass wir schlussendlich miteinander verwandt sind … Familie also. Da hält man zusammen, durch dick und dünn.

Auf der allerersten Seite im Album Nummer eins hat meine Mutter aber keine Kolumne eingeklebt. Meine Karriere fängt mit einem hässlichen, mittlerweile vergilbten FN-Bild aus dem Jahre 1992 an: «Party Project – erstes Konzert im Sternen Cordast». Ich, 17 Jahre alt, stehend in der hintersten Reihe, mit runder Brille, Akne im Gesicht, im weissen Unterhemd und mit halblangen Lockenhaaren. Doch ich hatte anscheinend Blut geleckt, denn ein bisschen später fand man in der gleichen Zeitung alle paar Monate einen Artikel über mich. «Fri-Son Open-Stage mit Darmcabined», «Fritz Langs Metropolis vertont», «Gustav und sein Kummerorchester» – ich habe sogar einen Artikel mit der Schlagzeile «Der beste Lehrer», obwohl ich einige Jahre vorher fast vom Lehrerseminar geflogen wäre …

Jeder meiner schöpferischen Fürze hat es in die FN geschafft. Und wisst ihr was? Nicht nur meine. Man muss nicht tot sein, um es in die FN zu schaffen. Alle da draussen, die irgendetwas in ihren Kellern bosgen, basteln, kritzeln und johlen, kriegen dort ihre kleine oder grosse Schlagzeile. Denn unsere Lokalzeitung ist die wichtigste Starthelferin und Verbündete für alle Kulturschaffenden aus Deutschfreiburg. Sie bietet vielen Künstlerinnen und Künstlern eine erste öffentliche Plattform. Junge oder Verkannte oder solche, die sich über Jahrzehnte in ihren kreativen Höhlen verkrochen haben, werden von ihr ermutigt, gestärkt, unterstützt und begleitet. Und verdammt noch mal, wer würde denn über all diese verschrobenen Menschen neben und unter uns berichten, wenn nicht unsere Lokalzeitung? «20 Minuten»? Der «Blick» etwa? Forget it. Da müsst ihr schon eure Hühner schänden oder die Grossmutter erstechen. Ohne unsere FN würde niemand mehr über uns berichten. Also, ehrt und abonniert sie bitteschön, liebe Gratis-Auflage-Leser und -innen am Donnerstag.

Ja, auch meine bescheidene Karriere hat in dieser Zeitung ihren Anfang genommen und mich zum treuen Abonnenten gemacht. Unsere gegenseitige Liebe ging sogar so weit, dass man mich als Kolumnisten haben wollte. Mich?! Einen Songschreiber? Man gab mir die Möglichkeit, mich aus dem starren Korsett der Song-Lyrik zu befreien, und hat mich motiviert, längere Texte als drei Strophen und einen Refrain zu schreiben. Zugegeben, das alles war etwas dilettantisch und ist es auch heute noch. Aber hey, es hat mich uhuere stolz gemacht, dass man mich zum gleichen erlauchten Kreis der auserwählten FN-Kolumnisten zählte wie meinen ehemaligen Deutschlehrer Hubert Schaller – er, der mir nach dem hundertsten Aufsatz auf die Schulter klopfte und väterlich meinte: «Jetzt kann man es langsam lesen, weiter so, mein Junge». Komischerweise gab es immer wieder Leute, die mir Nachrichten geschrieben und sich bedankt haben für meine erfrischenden Texte. Eine studierte Literaturfreundin aus Züri meinte mal, meine Art zu Schreiben klänge wie eine erbärmliche Version von Nick Hornby, Benjamin von Stuckrad-Barre oder Christian Kracht, sie seien alle Vertreter der sogenannten «Popliteratur». Popliteratur – das klang nach Musik. Und ja, ich fand heraus, dass Texte einen Sound, eine Melodie, eine Dramaturgie haben und haben sollten. Wie ein Song. Und Popliteratur macht das ganz bewusst. Dort darf man alles, ausser gewöhnlich sein. Das hat mir gefallen. Denn wenn man alles darf, dann darf man auch holprig, wirr, vulgär, unfertig und so richtig dilettantisch schreiben. Und genau das habe ich dann auch zwölf Jahre lang gemacht, vor allem für die FN, aber später auch dann und wann für andere Zeitschriften oder Online-Blogs. Manchmal ist es mir gelungen, manchmal nicht. Bei euch durfte ich mich ja verbessern, durfte ausprobieren, über die Grenzen gehen, mal gut, mal schlecht sein, weil ihr meine Freunde – nein, meine Familie seid.

Ich möchte mich bei euch und vor allem bei den «Freiburger Nachrichten» ganz herzlich für diese Grossherzigkeit bedanken, die ich in all den Jahren erfahren durfte. Nach tollen Jahren als Kolumnen-Schreiberling für die FN ist es nun aber an der Zeit aufzuhören. Es gibt keinen wirklichen Grund. Einfach so. Weil alles mal genug ist – ausser die Liebe, und diese bleibt mir dieser Zeitung und euch allen ewig erhalten.

In meiner allerersten Kolumne mit dem Titel «Die heilige FN» habe ich Folgendes resümiert: «Geschichte wird auch bei uns geschrieben, man muss sie nur als solche erkennen.» Diese Geschichte endet hier. Adjö.

Anmerkung: Das Buch «Gustav – Kolumnen» erscheint 2020.

Pascal Vonlanthen alias Gustav ist Musiker und lebt in Freiburg. Als FN-Gastkolumnist schrieb er seit 2008 über selbst gewählte Themen. Dies ist sein letzter Beitrag.

 

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