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«Die Magie funktioniert immer noch»

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Seit zwanzig Jahren gibt es den Espace Jean Tinguely – Niki de Saint Phalle in Freiburg. Yvonne Lehnherr hat die Gründung als damalige Direktorin des Museums für Kunst und Geschichte hautnah miterlebt. Heute leitet Caroline Schuster Cordone, Vizedirektorin des Museums, den Espace. Die FN haben mit den beiden Frauen über den Espace und über das illustre Künstlerpaar gesprochen.

Vor gut zwanzig Jahren, am 21. März 1998, wurde der Espace Jean Tinguely – Niki de Saint Phalle eröffnet. Welche Erinnerungen haben Sie, Yvonne Lehnherr, an diesen Tag?

Yvonne Lehnherr: Ich erinnere mich sehr gut. Die Feierlichkeiten dauerten zwei Tage: Am ersten Tag fand die offizielle Eröffnung statt, am zweiten gab es ein grosses Volksfest mit Verpflegungsständen und Musik – Max Jendly spielte, das weiss ich noch. Die ganze Bevölkerung war eingeladen, und es kamen sehr viele Leute. Man merkte, dass die Freiburgerinnen und Freiburger auf den Espace gewartet hatten und sich über die Eröffnung freuten.

Von Jean Tinguelys Tod bis zur Eröffnung des Espace waren fast sieben Jahre vergangen …

Lehnherr: Ja, und es waren intensive Jahre. Anfang 1991 hatte das Museum für Kunst und Geschichte die Tinguely-Ausstellung «Moskau–Freiburg» gezeigt. Wenige Monate später, im August, verstarb Jean Tinguely und überliess Niki de Saint Phalle die Verantwortung über seinen Nachlass. 1993 zeigten wir eine Retrospektive über Niki de Saint Phalle. Damals eröffnete mir Niki, sie wolle dem Kanton Freiburg einen Teil von Jeannots Werken aus seinem Atelier «La Verrerie» schenken. Sie wollte, dass die Werke sicher verwahrt und dem Publikum zugänglich gemacht würden. Weil dafür im Museum kein Platz vorhanden war, mussten wir einen anderen Ort finden und kamen auf das ehemalige Tramdepot in unmittelbarer Nähe des Museums.

«Wir mussten vorwärtsmachen, denn ausser Nikis ­mündlichem Schenkungs­versprechen hatten wir nichts in der Hand.»

Yvonne Lehnherr

Ehemalige Direktorin des Museums für Kunst und Geschichte Freiburg

 
 

Damit waren aber nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg geschafft …

Lehnherr: Zunächst galt es, die Finanzierung zu sichern. Dazu gründeten wir eine Stiftung, in der Kanton, Stadt und Burgergemeinde Einsitz nahmen, aber auch der Mäzen Claude Blancpain, der von Anfang an eine treibende Kraft war und einen hohen Geldbetrag in Aussicht stellte, sollte der Espace zustande kommen. Die grösste logistische Herausforderung war, den «Altar des westlichen Überflusses und des totalitären Merkantilismus» permanent auszustellen. Verschiedene Architekten machten Vorschläge, um die neobarocke Hülle des alten Tramdepots mit der zeitgenössischen Kunst zu vereinen. Am Ende beauftragten wir Michel Waeber aus Bärfischen, der auch schon am Umbau des alten Schlachthofs für das Museum für Kunst und Geschichte beteiligt gewesen war. Wir mussten schnell vorwärtsmachen, denn ausser Nikis mündlichem Schenkungsversprechen hatten wir nichts in der Hand …

Das tönt nach einer unsicheren Angelegenheit …

Lehnherr: Ja, wir brauchten dringend eine Unterschrift von Niki. Ich weiss noch gut, wie ich 1995 zu ihr nach La Jolla in San Diego reiste. Ich hatte die Maquette für den Ausstellungsraum bei mir, im Flugzeug, auf den Knien – das vergesse ich nie mehr. Ich hatte Angst, die Maquette käme vielleicht nicht an, gäbe ich sie mit dem Gepäck auf – und tatsächlich ging mein Gepäck dann beim Umsteigen in San Francisco verloren, und ich erhielt es erst einige Tage später zurück. Ich tauchte also mit meiner Maquette bei Niki in La Jolla auf, und in den folgenden Tagen zeigte sie diese all ihren Besuchern. Am Ende meines Besuchs hielt ich den unterschriebenen Schenkungsvertrag in den Händen. Ausserdem hatte Niki eine detaillierte Liste angefertigt, welche Werke von Jean Tinguely Teil der Schenkung sein sollten. Dazu kamen zwei ihrer eigenen Werke: das Wandrelief «Remembering» und die Skulptur «Bandes des générations».

Hier geht’s zur Bildergalerie.

Hat Niki de Saint Phalle die Entstehung des Espace danach mitverfolgt?

Lehnherr: Nur aus der Ferne. Sie war 1996 das letzte Mal in Freiburg. Danach konnte sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kommen, aber wir standen telefonisch in regem Kontakt. Bei der Einrichtung und der Eröffnung des Espace spielte Rico Weber, Nikis Freund und Assistent, eine grosse Rolle. Er war ihre rechte Hand. Sie liess ihm und uns freie Hand, ausser bei zwei Teilen ihres Wandreliefs, die sie unbedingt nebeneinander platziert haben wollte: eine Nana und eine Maschine, die sie selbst und Jean Tinguely verkörpern.

Rund um den Nachlass von Jean Tinguely hatte es auch Misstöne gegeben: Manche forderten den Erhalt der «Verrerie», andere sahen Freiburg in Konkurrenz mit dem Tinguely-Museum in Basel. Wie haben Sie diese Kontroversen erlebt?

Lehnherr: Die «Verrerie» zu erhalten, war eine Utopie. Das hätte vielleicht funktioniert, wenn Tinguely noch zwanzig Jahre gelebt hätte. Ein Museum muss unterhalten und betrieben werden, das braucht Geld und Personal. Ich sehe nicht, wie das in La Verrerie/Progens hätte gehen sollen. Das «Antimuseum» war eine Provokation Tinguelys, ein Spiel. Niki als seine Erbin musste nach seinem Tod Entscheidungen treffen, und sie entschied sich für grosszügige Schenkungen an Basel und an Freiburg. Sowohl das Tinguely-Museum in Basel als auch der Espace Tinguely in Freiburg hingen von diesen Schenkungen ab. Über die Teilung der Werke bestimmte Niki allein.

Was für Beziehungen hatten Sie damals mit Basel?

Lehnherr: Wir hatten immer gute und enge Beziehungen. Das Tinguely-Museum in Basel kam ja dank der Freundschaft von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle mit Paul und Maja Sacher zustande – Paul Sacher gehörte aber auch zu den Mäzenen hier in Freiburg. Und Margrit Hahnloser, die Gründungsdirektorin des Basler Museums, lebte damals in Freiburg und sitzt bis heute im Stiftungsrat des Espace.

Caroline Schuster Cordone: Wir arbeiten auch heute viel und eng mit dem Museum in Basel zusammen, bei Ausstellungen oder etwa auch bei der Leihgabe der Fahrskulptur «Safari» für den Umzug im Rahmen des Tinguely-Jahres 2016 in Freiburg.

«Niki und Jean haben ein zeitloses und visionäres Werk hinterlassen, das immer noch aktuell ist.»

Caroline Schuster Cordone

Vizedirektorin des Museums für Kunst und Geschichte Freiburg

 
 

Was denken Sie, was hätte Jean Tinguely zum Espace gesagt, wenn er dessen Eröffnung noch erlebt hätte?

Lehnherr: Ich glaube, er wäre zufrieden gewesen, wie sich das Ganze entwickelt hat und wie der Raum am Ende aussah. Er sagte ja in seinen letzten Lebensjahren, er wünsche sich, dass einige seiner Werke die Zeit überdauern und dass man sie in zehn, fünfzehn Jahren noch anschauen wird. Jetzt läuft der «Altar des westlichen Überflusses und des totalitären Merkantilismus» im Espace immer noch. Tinguely hätte sich darüber gefreut, denn er war sich der Kurzlebigkeit seiner Werke durchaus bewusst.

Schuster Cordone: Das ist ja auch eine tägliche Herausforderung für uns und vor allem für unsere Restauratoren: zu entscheiden, ob und wie intensiv man die kinetischen Skulpturen laufen lassen soll, welche Reparatureingriffe gerechtfertigt sind, welche Teile man ersetzen soll. Das ist bei dieser Art von Kunst ein ständiges Abwägen.

Wie hat sich der Espace in den letzten zwanzig Jahren entwickelt?

Schuster Cordone: Der Espace hat sein Publikum sehr schnell gefunden, und die Zahlen sind über die Jahre stabil. Wir zählen zwischen 17 000 und 23 000 Eintritte pro Jahr. Wir haben viele auswärtige Besucherinnen und Besucher, auch aus der Deutschschweiz, darunter viele Frauen, die Niki de Saint Phalle kennen und bewundern. Auch Kinder und Jugendliche spricht der Espace besonders an, sie reagieren sehr unmittelbar auf die Werke, finden sofort einen Zugang. Tinguely sagte ja immer, Kinder seien sein liebstes Publikum, und diese Magie funktioniert immer noch.

Wie erklären Sie sich die ungebrochene Faszination von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle?

Schuster Cordone: Die beiden waren ein faszinierendes Paar, sowohl in ihrer Zusammenarbeit als auch in ihrer jeweiligen Eigenständigkeit. Der Espace ist übrigens der einzige Ort, an dem sie permanent zusammen ausgestellt sind. Sie berühren ein breites Publikum. Beide waren faszinierende Persönlichkeiten mit spannenden Lebensgeschichten. Ihre Kunst sprach viele Menschen an und inspirierte andere Künstlerinnen und Künstler. Jean Tinguelys Bedeutung war riesig, ab dem Ende der Fünfzigerjahre war er allgegenwärtig, ein Komet … Er hätte noch Unglaubliches vollbringen können, hätte er länger gelebt.

Lehnherr: Niki de Saint Phalles grosse Gabe war es, ihre Botschaften so zu vermitteln, dass alle sie verstanden, das Positive und das Negative, alles, was sie beschäftigte. Auffallend ist, dass Niki nach ihrem Tod immer präsent blieb, während es um Jean eine Zeit lang ruhig wurde, bevor man ihn wiederentdeckte. Heute interessiert sich eine neue Generation für beide.

Welche Bedeutung haben Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle in der heutigen Kunstwelt?

Schuster Cordone: Sie waren immer bedeutend und sind es heute noch mehr als vor ein paar Jahren. Es gibt regelmässig wichtige Ausstellungen in der Schweiz und im Ausland. Viele zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler erwähnen Niki und Jean als Quellen der Inspiration; sie beeinflussen also auch die Kunst von heute. Niki und Jean haben ein zeitloses und visionäres Werk hinterlassen, das immer noch aktuell ist. Tinguelys Werke etwa werden heute gerne in Ausstellungen gezeigt, in denen es um das Verhältnis von Mensch und Maschine oder um das Thema der Destruktion und Dynamik in der Kunst geht.

Programm

Weggefährten und Künstler erinnern sich

Heute Samstag findet im Espace Jean Tinguely – Niki de Saint Phalle ein Jubiläumstag für die ganze Bevölkerung statt. Auf dem Programm stehen Beiträge von verschiedenen Persönlichkeiten, die ihren Blick auf Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle mit dem Publikum teilen:

11 Uhr Eröffnung mit der Guggenmusik 3 canards.

11.45 Uhr Rückblick auf die Entstehung des Espace mit Yvonne Lehnherr und Margrit Hahnloser.

12.30 Uhr Zweisprachige Hommage an Tinguely und Saint Phalle mit einer Klasse der OS Tafers und einer Klasse der OS Belluard.

15 Uhr Weibliche Blicke auf Tinguely und Saint Phalle mit der Kunsthistorikerin Colette Guisolan-Dreyer, der Künstlerin Marinka Limat und der Journalistin Amaëlle O’Brien, die Jean Tinguely in ihrer Jugendzeit in Neyruz als Nachbarn kennenlernte.

16 Uhr Männliche Blicke auf Tinguely und Saint Phalle mit dem Künstler David Brülhart, dem Schauspieler Niklaus Talman, der Jean Tinguely persönlich kannte, und mit dem Mechaniker Roger Freiburghaus, dem Sohn des Geschäftsführers des Garage du Bourg, der von der Vergangenheit des Espace als Autogarage berichten wird.

19.15 Uhr Musikalisches Intermezzo.

19.45 Uhr Apéro.

cs

Details unter www.mahf.ch. Der Eintritt ist gratis.

«Ping Pong! Das war das Spiel»

Als Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle sich 1955 in Paris kennenlernten, waren beide verheiratet: er mit der Schweizer Künstlerin Eva Aeppli, sie mit dem amerikanischen Schriftsteller Harry Mathews. Zwischen den beiden Paaren entwickelte sich eine Freundschaft, zwischen Niki und Jean einige Jahre später eine Liebesbeziehung. In seine Arbeit habe sie sich sofort verliebt, schrieb Niki später in einem Brief an Jean, in den «schönen, dunklen, gefährlich aussehenden Mann» erst auf den zweiten Blick. 1960 zog Niki – sie war inzwischen 30, Jean 35  Jahre alt – anstelle von Eva Aeppli in Jeans Pariser Wohnung.

Von da an entwickelte sich zwischen Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle eine explosive und intensive Liebes- und Lebensbeziehung, die bis zu Tinguelys Tod 1991 dauerte. «Ein unsichtbarer Faden hat uns über mehr als dreissig Jahre verbunden», sagte Niki de Saint Phalle einmal. Dieser Faden war die gemeinsame Liebe zur Kunst, ihre überbordende Kreativität, in der sie sich gegenseitig anspornten, und der grosse Respekt füreinander. Mehrmals trennten sie sich und fanden wieder zusammen; nicht immer lebten sie zusammen, doch per Telefon, Brief und Fax standen sie immer in Kontakt. Gemeinsam schufen sie monumentale Skulpturen, etwa Nikis Riesen-Nana «Hon» für das Moderna Museet in Stockholm im Jahr 1966. Damals stiess auch der Freiburger Rico Weber zum Team um Niki und Jean und wurde zum Freund auf Lebenszeit. 1969 begann das Trio zusammen mit anderen Helfern mit der Arbeit an der Monumentalskulptur «Le Cyclop» in Milly-la-Forêt. «Es war eines der grössten Abenteuer in unserem Leben», schrieb Niki 1993 im Text «Aventure Suisse». Ein anderes gemeinsames Abenteuer begann zehn Jahre später mit dem Bau von Nikis Tarot-Garten in der Toskana. Jean half seiner gesundheitlich angeschlagenen Frau – die beiden hatten 1971 geheiratet – beim Bau der Tragkonstruktionen. «Ich halte sie für die grösste Bildhauerin aller Zeiten», sagte er damals über sie.

Einmal mehr erwiesen sich die beiden als unschlagbares Team, obwohl ihre Paarbeziehung alles andere als einfach war. Jean führte zu jener Zeit längst eine Beziehung mit der Fotografin Micheline Gygax, die er 1968 in seinem Haus in Neyruz untergebracht hatte; Niki hatte in St. Moritz, wo sie sich von ihrer Lungenkrankheit erholte, einen zwanzig Jahre jüngeren Dichter kennengelernt, mit dem sie während vier Jahren zusammen war. Dass sie sich gegenseitig diese Freiheiten liessen, war ein weiterer Grund dafür, dass das Band zwischen Niki und Jean niemals riss. In «Aventure Suisse» verrät Niki sogar, wie sie mit Micheline Gygax gemeinsame Sache machte: Sie hätten sich gegenseitig vorgewarnt, wenn Tinguely bei der einen gestartet sei, um zur anderen zu fahren. «Wir waren beide dankbar, ihn nicht ständig um uns zu haben, diesen aussergewöhnlichen Mann, mit dem zusammenzuleben allerdings sehr schwierig war.»

Kam es darauf an, waren Niki und Jean jedoch immer füreinander da. Als Niki 1975 durch die ständige Arbeit mit dem giftigen Polyester erkrankte, sorgte Jean dafür, dass sie die beste Pflege bekam. Zehn Jahre später kümmerte sich Niki um Jean, als dieser sich von seiner Herzoperation erholte. Im Juni 1991 starb Micheline Gygax, und wenig später erlitt Tinguely einen Hirnschlag. Niki eilte sofort an sein Krankenbett im Inselspital in Bern, wo sie bis zu seinem Tod am 30. August ausharrte.

«Ping Pong! Das war das Spiel», schrieb Niki de Saint Phalle 1993. «Der eine regte den anderen an, zum Grösseren, zum Verrückteren. Die Kunst war die grosse Liebe im Leben Jeans und in meinem Leben. Die Kunst und der Respekt füreinander, sie sind der rote Faden in unserem Leben.»

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