Genau vor 80 Jahren wurde Riggisberg massiv bombardiert. Der Riggisberger Walter Steiner hat das Ereignis erforscht. Ueli Eicher war damals keine zwei Jahre alt. Er erinnert sich.
Kurz nach Mitternacht brach in Riggisberg die Hölle los. Von Norden her nahte ein englischer Bomber. Die Bomben fielen 42 Minuten nach Mitternacht in der Nacht auf den 13. Juli 1943. Ueli Eicher, mit Jahrgang 1941, wohnte mit seiner Familie im Zentrum des Dorfes. Er erzählt den «Freiburger Nachrichten»:
Ich wurde mit meinem Freund in den Keller gesteckt und erhielt Schokolade.
Ueli Eicher
Pensionierter Lehrer
Der heute pensionierte Lehrer hat weitere Erinnerungen: «Am Morgen wurde ich aus dem Haus gelassen. Ich verbrannte mir die Finger an Trümmerteilen.» Die Familie Eicher lebte im Schulhaus. Nicht weit von diesem stand das Alemannenhaus. Dieses wurde von einer der 200 Bomben getroffen und zerstört. Was war genau geschehen?
Der pensionierte Bauingenieur Walter Steiner zeigt auf eine Europakarte, die er auf dem Tisch ausgebreitet hat. Auf ihr hat Steiner die Flugbahn von 297 britischen Bombern des Typs Lancaster eingezeichnet. Die viermotorigen Flieger hatten eine sieben Mann Besatzung. Sie verfügten über eine grosse Reichweite. Mit einer Bombenlast von 6350 Kilogramm kamen sie 2675 Kilometer weit. Sie konnten also von England bis nach Italien und wieder zurück in die Heimat fliegen. Sie stiegen am 12. Juli in Südengland auf. Das Ziel hiess Turin. Der Sammelpunkt der Flugzeuge war über dem See von Nancy im Frankreich. Etwas lief aber schief.
Mehrere Bomber verirrten sich
Walter Steiner erklärt: «Über Frankreich gab es damals ein Gewitter. Die Gewitter und der damit verbundene Westwind haben vermutlich mehrere Bomber von ihrer Flugroute abgedrängt.» Einer geriet auf seiner Irrfahrt ins Wallis und warf im Val d’Hérémence unter anderem eine Zwei-Tonnen-Bombe ab. Ein anderer kreiste längere Zeit über dem Genfersee und verängstigte dort in der Nacht die Menschen. Diese Flugzeuge stürzten schliesslich ab. Wie viele Bomber sich in dieser Nacht in die Schweiz verirrten, sei unklar, erklärt Steiner.

Foto Raphaël Rück
Die Route eines der Flugzeuge führte über den Neuenburgersee. Eine erste Bombe warf das Flugzeug über dem Bergli zwischen Ueberstorf und Flamatt ab. Die 500 Kilo schwere Sprengbombe landete in einem Feld und richtete ausser einem Krater keinen Schaden an. Es sei aber nicht klar, ob diese Bombe vom Riggisberger-Bomber stammte. Auch auf Geneveys-sur-Coffrane bei Neuenburg fielen in jener Nacht Bomben. Dieses Flugzeug könnte bis nach Ueberstorf gelangt sein, erklärt Walter Steiner.
Das Bombenkrater-Band
Nun weist er auf die Landkarte von Riggisberg, die vor ihm auf dem Tisch liegt. Dort zeigt er auf die Bombeneinschläge, die als roten Punkt eingetragen sind. Wie eine rote Linie führt die Zerstörungsspur von Norden her über das Ortszentrum ins südlich gelegene Moosmattquartier. Blut floss glücklicherweise nicht. Doch Walter Steiner gibt zu bedenken: «In dieser Nacht starb in Riggisberg ein Mann an einem Herzinfarkt.»

Bild zvg
Das Flugzeug flog weiter zur Schynige Platte, wo es ebenfalls Bomben abwarf. Dann verliert sich die Spur des Fliegers. Er kehrte vermutlich nach England zurück.

Foto Royal Air Force, Public domain, via Wikimedia Commons
Vermutlich erkannte der Pilot in der Nacht, dass er sich den Alpen näherte. Er warf die Bomben ab, um Gewicht zu sparen und so schneller aufsteigen zu können, um über die Bergkreten zu kommen. Er hatte, so schätzt Walter Steiner, Angst, dass er mit dem schwer beladenen Flugzeug sonst in die Alpen gekracht wäre.
Nächtliches Inferno in Riggisberg
Das Flugzeug warf über Riggisberg etwa 1,5 Tonnen Bomben ab, darunter rund 200 Stabbrandbomben, etliche Splitterbomben, rund 24 Phosphorbrandbomben und eine Sprengbombe. Viele Scheiben in den Häusern zerbarsten. Verschiedene Häuser wurden zerstört, darunter das Alemannenhaus. Heute steht dort neben einem Neubau der Riggisberger Gedenkstein an das Bombardement.

Foto Raphaël Rück
Ueli Eicher mit Jahrgang 1941 erinnert sich weiter. Als die Sirenen heulten, habe der Vater zum Fenster hinaus geschaut und die fallenden Bomben gesehen. Vom Luftdruck sei er an die Rückwand der Stube geschleudert worden. Dem Jungen erzählten die Angehörigen später, dass der damalige Gemeindeammann, Fritz von Niederhäusern, genannt Brächtlis Fritz, mit dem Gewehr vor sein Haus getreten sei. Ueli Eicher erklärt warum:
Die Angst, dass die Deutschen in der Schweiz landen, war allgemein verbreitet. Die Leute wussten nicht, ob es sich in dieser Nacht um eine deutsche Invasion handelte.
Ueli Eicher
Pensionierter Lehrer
Heute könne man sich nicht vorstellen, welche Stimmung der Angst damals im Volk herrschte.

Foto zvg
Welthistorischer Kontext
Klares Signal an Italien
An 12. Juli 1943 starteten in Südengland 297 Bomber. 253 erreichten Turin und bombardierten die Stadt. 792 Menschen kamen dabei ums Leben. Der Geschichtsforscher und Bauingenieur Walter Steiner hat sich überlegt, warum es zu diesem Bombardement kann. Seine Antwort: Am 10. Juli starteten die Alliierten die Operation Husky. Truppen aus Grossbritannien, Kanada und den USA landeten in Sizilien. Der Angriff auf Turin sollte den Italienern zeigen: «Wir greifen euch auch aus dem Norden an.» ges
Kommentar (0)
Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.
Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.