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Die SVP-Initiative ist diskriminierend

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«Islam ist zum Reizwort geworden», sagte gestern Bundesrichter Peter Karlen. «Wer das Wort verwendet, kann Entrüstungsstürme auslösen.» Richter aber müssten unabhängig, neutral und unaufgeregt sein und sich durch das Reizwort Islam nicht reizen lassen. «Wir müssen die Thematik breiter angehen und in einen grösseren Kontext stellen.» Karlen hatte eine öffentliche Debatte des Bundesgerichts zur SVP-Initiative gegen die Eröffnung des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft sowie gegen die Ausbildung von Imamen an der Universität Freiburg verlangt; und so debattierte er gestern mit vier Kollegen vor einem grossen Publikum.

Grosser Rat: «Ungültig»

Der Aufbau des Zentrums für Islam und Gesellschaft hat vor bald zwei Jahren begonnen. Weil die SVP es nicht schaffte, das Zentrum im Grossen Rat zu verhindern, lancierte sie eine Initiative. Das Kantonsparlament wies diese im März dieses Jahres als ungültig ab, und die SVP zog den Entscheid vor das Bundesgericht (siehe auch blauer Kasten).

«Der Inhalt der Initiative ist nicht ganz einfach verständlich», sagte Richter Karlen, und legte seine Interpretation dar: Die Initianten wollten nicht sämtliche potenziellen Islamzentren verhindern, sondern nur das konkret in Freiburg geplante Zentrum. «Nicht mehr und nicht weniger.» Die Forderung, dass die Universität Freiburg keine Imame ausbilden dürfe, sei hingegen allgemein gehalten.

Das Diskriminierungsverbot

Das Diskriminierungsverbot stehe im Zentrum. «Es ist das Spiegelbild der Religionsfreiheit.» Der Staat dürfe nicht für eine Religion Partei ergreifen und auch nicht Menschen aufgrund ihrer religiösen Angehörigkeit unterschiedlich behandeln. Gleichzeitig sei kein Kanton gesetzlich verpflichtet, ein Islamzentrum zu führen, sagte Karlen. «Würde Freiburg das Zentrum wieder schliessen, würde dies die Verfassung also nicht verletzen.» Die Initiative sei damit nicht per se islamfeindlich.

Gründe unwichtig?

Dabei spiele es auch keine Rolle, ob die Argumente der Initianten islamfeindlich seien, so Karlen weiter. «Die Frage ist alleine, ob das Ansinnen gegen die Verfassung verstösst – die Gründe für die Initiative sind nicht ausschlaggebend.» Er plädierte darum dafür, die SVP-Initiative teilweise gutzuheissen – und zwar den Hauptteil, der sich gegen das Islamzentrum richtet. Der Teil, der ein Verbot der Imamausbildung verlange, sei hingegen als ungültig zu betrachten, da er diskriminierend sei.

Die anderen vier Richter – Gerichtspräsident Jean Fonjallaz, Thomas Merkli, François Chaix und Lorenz Kneubühler – konnten dieser Argumentation nicht folgen. «Der Initiativtext ist sehr wohl ausschlaggebend», sagte beispielsweise Kneubühler. Der Text sowie die Argumente der SVP richteten sich klar gegen ein Islamzentrum und den Islam, «das kann nicht anders verstanden werden». Es sei offenkundig, dass sich die Initiative gegen eine Glaubensgemeinschaft richte und damit gegen das Diskriminierungsverbot verstosse.

«Nur eine Religion avisiert»

Für Merkli war es zentral, «dass die Initiative auf der Ebene der kantonalen Verfassung eine Regel einführen will, die nur eine Religion avisiert – sie ist diskriminierend». Er wollte die Initiative auch nicht teilweise gutheissen. «Das kommt nur in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass die Unterzeichner die Vorlage auch dann unterschrieben hätten, wenn nur dieser Teil vorgelegt worden wäre.» Er könne sich jedoch gut vorstellen, dass «irgendein Zentrum» nicht so viele Emotionen hervorrufe wie die Ausbildung von Imamen. «Ein guter Teil der Unterzeichner hat wohl daran Anstoss genommen, nicht aber am Institut selber.» Da aber niemand genau wisse, warum die Leute unterschrieben hätten, sei es nicht möglich, die Beschwerde der SVP teilweise gutzuheissen.

Gerichtspräsident Fonjallaz nahm Bezug auf das «Reizwort Islam»: «Das Islamzentrum ist eine politische Antwort, um die Emotionen rund um diese Religion zu dämpfen.» Auch er betonte, dass die Argumentation der Initianten zu berücksichtigen sei. «Es gibt hier keine andere Interpretationsmöglichkeit: Die Initiative richtet sich gegen das Islamzentrum und nichts anderes.» Und er schloss: «Es ist nichts gegen den Entscheid des Grossen Rats einzuwenden, die Initiative für ungültig zu erklären.»

Dem folgte die Mehrheit der Richter: In der Abstimmung sprachen sich vier der fünf Richter dafür aus, die Initiative für ungültig zu erklären. Die SVP muss als unterlegene Partei die Verfahrenskosten von 1000 Franken tragen.

 

Chronologie

Bewegte Geschichte über sechs Jahre

Ab 2010 klärte eine Arbeitsgruppe des Bundes den Bedarf nach einem Zentrum zur Aus- und Weiterbildung für Muslime ab. Im November 2013 war klar, dass das Zentrum für Islam und Gesellschaft nach Freiburg kommt. Im März 2014 reichten bürgerliche Grossräte beim Staatsrat ein Mandat ein, um das Zentrum zu verhindern. Der Staatsrat befürwortet das Zentrum aber. Im September 2014 wurde im Grossen Rat das qualifizierte Mehr nicht erreicht. Anfang 2015 nahm das Zentrum den Betrieb auf. Kurz darauf lancierte die SVP die Initiative gegen das Zentrum. Im März 2016 folgte der Grosse Rat dem Staatsrat und erklärte die Initiative für ungültig.

njb

 

Reaktionen

«Eine Geburtenabteilung zu schliessen ist einfacher»

«Wir sind froh, sind wir bis vor Bundesgericht gegangen, das waren wir den Unterzeichnern der Initiative schuldig»: Das sagte Roland Mesot, nachdem die Bundesrichter ihr Urteil über die SVP-Initiative gegen das Islamzentrum an der Uni Freiburg gefällt hatten. Der Präsident der Freiburger SVP freute sich darüber, dass zumindest einer der fünf Richter die Beschwerde der SVP teilweise gutheissen wollte. «Wir sind nicht frustriert», sagte er. «Aber offenbar ist es einfacher, eine Geburtenabteilung zu schliessen, als gegen Forderungen einer Gemeinschaft wie der Muslime vorzugehen.»

«Mit diesem Urteil tritt nun Rechtssicherheit ein», sagte Astrid Epiney, Rektorin der Uni Freiburg, den FN. Das Zentrum leiste einen wichtigen Beitrag an bedeutende gesellschaftliche Herausforderungen. «So geht es der Frage nach, wie wir in der demokratischen Schweiz das Zusammenleben verschiedener Kulturen gestalten können.» Dies unterstreicht auch Hansjörg Schmid, Leiter des Islamzentrums. Das Zentrum habe ein sehr breites Zielpublikum. «Natürlich haben wir in unseren Weiterbildungen Imame, aber auch Lehrer und Sozialarbeiter – Leute, die in ihrer Berufspraxis mit Muslimen zu tun haben.» Nun müsse sich das Zentrum nicht mehr verteidigen und könne in Ruhe arbeiten, so Staatsrat Jean-Pierre Siggen (CVP).

njb

 

 

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