Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Die Tanne

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Nicht, dass man dem Kind besonderes Wissen zu Bäumen erzählt hätte, ausser natürlich, dass sie über Jahre wachsen, dabei die einen höher, andere breiter werden. Nichts Kurzlebiges, ein Baum, das wusste das Kind schon. An einem Tag sprach man von den Höhen. Und dieser Tag, ein gewöhnlicher, wie andere, wurde zum Baum-Tag, zum Erlebnis, so gross wie traurig zugleich für das Kind.

 

Wir müssen vernünftig sein, hatte der Grossvater gesagt. Das Dach unseres Hauses leidet, es beginnt das Holz zu faulen, das ist diese Tanne, sie ist zu hoch, sie legt ihre Äste schon auf die Ziegel. Sie muss weg, es geht nicht anders. Das Haus des Grossvaters war drei-stöckig, die Tanne wundervoll, so hoch gewachsen. Weg!, hatte das Kind gehört und sich gefragt, was damit gemeint sein könnte. Solange es sich erinnern konnte, stand die Tanne da, gleich neben dem Hauseingang. Dunkel, immergrün und mächtig. Über Generationen war sie vielen Familienmitgliedern bekannt, einem Hüter gleich. Haus und Baum waren eins, Garten- und Baumspiele ebenfalls, ganz zu schweigen von den Einflüssen dieses wundervollen Baumes auf des Kindes Zimmer. So heftig wie sanft war sie dort zu hören und zu riechen, je nach Witterung und Jahreszeit. Und ihr Licht! Das hatte es dem Kinde angetan. Einem stets bewegten Licht- und Schattenspiel gehörte eine Hälfte des Zimmers. Wiegendes, peitschendes, flirrendes, schwungvolles Tun filterten des Kindes Gedanken, und besonders bei schwierigen Geschehnissen brachte dies wieder Ruhe und ­Geborgenheit.

Kein Gedanke jemals, das Licht-, Klang-, Schattenleben könnte sich nicht mehr in diesem Zimmer abspielen. Die Tanne muss weg! Das kann nicht wahr sein! Die Tanne fällen. Fällen! Nein! Nie! Bitte nicht! Ich werde kämpfen, sagte das Kind. Mit wachsender Gewissheit spürte es in den nächsten Tagen seine kindliche Hilflosigkeit gegenüber der vernünftigen Übermacht der Erwachsenen. Wir werden vernünftig sein.

Dann war der Tag gekommen. Drei orangefarben gekleidete Männer stapften selbstsicheren Schrittes über den Gartenweg zum Haus unter die riesige Tanne. Schwere Maschinen trugen sie, enorme Sägen, Beile, Metallkabel, das Kind erstarrte in Weh und Wut: Die werden meinen Baum umbringen … Die nächsten Stunden waren erfüllt von Geheul und Lärm, Äste segelten wie schwere grüne Flügel zu Boden, Holzspäne spritzten, Beile wurden geschwungen, der Gitterzaun des Gartens zum angrenzenden Feld war fallvorbereitend aufgerollt worden … Das Kind hatte schon einmal gesehen, wie ein Grab geöffnet wurde. Im Wald gibt’s noch viele Tannen, weisst du, wir müssen vernünftig sein.

Und dann fiel sie! Erst nur ein leises Knacken, ein ungläubiges, schien dem Kind, als würde selbst der Baum nicht glauben wollen, dass man ihn umlegte, dann ein lautes Knacken, der Schrei der Tanne, dachte das Kind und schrie auch.

Und dann fiel sie! Langsam, als wäre sie noch angebunden, wo? Und plötzlich sausend, stöhnend, mit tausend Ästen wehend, schlagend, krachend auf das Nachbarfeld. Das Kind starrte auf das lange grosse Wesen am Boden.

An jenem Tag habe ich, das Kind, einiges gelernt: Dass es Mächte gibt, die grösser sind als man selbst. Dass es Unwiederbringliches gibt, als wie einer Ordnung angehörend, es ist und es ist nicht mehr. Dass ein einziger Moment wichtiger wird als tausend vorhergegangene. Dass Natur gross ist.

Vernunft ist die Mutter aller Dächer. Der Welt.

 

Sus Heiniger ist Kunstmalerin und lebt in Murten. Als FN-Gastkolumnistin schreibt sie regelmässig zu selbst gewählten Themen.

 

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema