Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Die Verantwortung des Abfallerzeugers im Fall La Pila bleibt umstritten

Share on facebook
Share on twitter
Share on linkedin
Share on print

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

«Eine komplexe Geschichte», sagt Andreas Stöckli, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Freiburg, als er sich über die Akten im Fall La Pila beugt. Und er hat nicht unrecht: Dies ist wohl einer der kompliziertesten Haftpflichtfälle, die den Kanton Freiburg je beschäftigt haben. Verschiedene Leserbriefe in den FN haben es an den Tag gebracht: Kritische Bürgerinnen und Bürger beschäftigt in diesem Zusammenhang die Frage, ob wirklich der Steuerzahler statt des Verursachers – beziehungsweise dessen Rechtsnachfolgers – zur Kasse gebeten werden müsse.

Vor allem Stadt in der Pflicht

Aber gerade die Beantwortung dieser wichtigen Frage bereitet auch einem gestandenen Juristen wie Andreas Stöckli Kopfzerbrechen. «Relevant sind hier die Bestimmungen im Artikel 32d des Umweltschutzgesetzes», sagt er. Nach diesem Artikel hat der Verursacher die Kosten für notwendige Massnahmen zur Untersuchung, Überwachung und Sanierung belasteter Standorte zu tragen. Die Rechtsprechung erfasse als Verursacher sowohl den sogenannten Zustandsstörer als auch den Verhaltensstörer. Der Zustandsstörer sei grundsätzlich der Eigentümer des belasteten Standorts, in diesem Fall der Kanton. Der Verhaltensstörer sei insbesondere der Betreiber der Deponie, die Stadt Freiburg. Denn sie sei grundsätzlich dafür verantwortlich gewesen, wer in La Pila welche Abfälle deponiert habe. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Verhaltensstörer dazukommen.

In der juristischen Praxis haben in der Regel der oder die Verhaltensstörer – also hier insbesondere die Stadt – 70 bis 90 Prozent der Kosten zu tragen, der Zustandsstörer 10 bis 30 Prozent –, wobei das Bundesgericht unter gewissen Voraussetzungen von einer Kostenauferlegung absehe. Allerdings könne nach der Gesetzgebung des Kantons Freiburg ein Teil der Kosten zulasten der Gemeinden von einem kantonalen Fonds übernommen werden. Für eine Sanierung könne zudem eine Abgeltung durch den Bund, im vorliegenden Fall wohl in der Höhe von 40  Prozent der Kosten, verlangt werden – wobei unklar sei, ob diese Mittel nur der öffentlichen Hand zugutekommen.

Kein eindeutiger Entscheid

Aber was ist mit der Condensateurs Fribourg SA? Das heute unter diesem Namen nicht mehr bestehende Unternehmen wird im Zusammenhang mit der Deponie La Pila immer wieder als Lieferant der giftigen Abfälle genannt – zuletzt in einem Artikel, der diese Woche im «Tages-Anzeiger» und in anderen Zeitungen des Tamedia-Konzerns erschienen ist. «Das Bundesgericht hat sich bisher – soweit ersichtlich – noch nicht eindeutig und ausführlich zur Frage geäussert, ob auch der Abfallerzeuger als Verursacher anzusehen ist und demnach kostenpflichtig ist», so Stöckli weiter. Es gebe einen Entscheid aus dem Jahr 2016 (1C_524/2014, 1C_526/2014), in dem das Bundesgericht die Auffassung vertrete, dass «derjenige, der den Abfall deponiert, als Verhaltensstörer angesehen werden muss, wenn die Handlung der Deponierung einen unmittelbaren Grund der Verschmutzung darstellt».

Ob damit auch der Abfallerzeuger gemeint ist, sei indes nicht restlos klar. Das laut Stöckli «einschlägige und von kantonalen Gerichten zum Teil übernommene» Gutachten von Pierre Tschannen und Martin Frick zum «Verursacherbegriff nach Artikel 32d des Umweltschutzgesetzes» hält dazu fest, dass auch der Abfallerzeuger in gewissen Fällen verantwortlich gemacht werden könne. Letzteres gilt laut Stöckli insbesondere dann, wenn der erzeugte Abfall eine qualifizierte Gefährlichkeit aufweise. «Bei Sonderabfällen dürfte dies regelmässig gegeben sein», sagt der Rechtsprofessor. Er weist aber darauf hin, dass diese Frage in der Lehre immer noch umstritten sei.

Es gibt Ermessensspielraum

Was die endgültige Aufteilung der Kosten auf mehrere Verursacher betrifft, bleibt das Umweltschutzgesetz relativ offen. Dort heisst es nur, dass mehrere Verursacher die Kosten entsprechend ihren Anteilen an der Verursachung tragen. In erster Linie trage die Kosten, wer die Massnahmen durch sein Verhalten verursacht habe. Wer lediglich als Inhaber des Standorts, insbesondere als Eigentümer, beteiligt sei, trage keine Kosten, wenn er «bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt» von der Belastung keine Kenntnis haben konnte. «Das lässt den Behörden einen gewissen Ermessensspielraum, wenngleich in der Rechtsprechung Kriterien entwickelt worden sind», bemerkt Stöckli dazu. Er geht davon aus, dass sich die Beteiligten in solch komplexen Fällen miteinander an einen Tisch setzen und im Rahmen der rechtlichen Vorgaben gütliche Einigungen suchen. Dadurch könne der Rechtsfrieden beschleunigt hergestellt werden, zumal auch die Chance kleiner sei, dass der Rechtsweg beschritten werde. Ausserdem könne dadurch eine erhöhte Akzeptanz seitens der Beteiligten hergestellt werden. «Am Schluss steht dann aber die einseitige behördliche Anordnung über die Verteilung der Kosten», so Stöckli.

Zum jetzigen Zeitpunkt steht den Kostenforderungen grundsätzlich auch die Verjährung nicht entgegen. Gemäss Bundesgericht beginne die Verjährungsfrist erst mit der «Rechtskraft der abschliessenden Kostenverteilungsverfügung» zu laufen, so Stöckli. Ein allenfalls zögerliches Verhalten der Behörden hinsichtlich der Sanierung der Deponie habe deshalb keine Auswirkungen hinsichtlich der Verjährung der Kostenforderungen. Auch der Umstand, dass Artikel 32d des Umweltschutzgesetzes erst nach der Schliessung der Deponie in La Pila in Kraft getreten sei, stehe der Kostenpflicht nicht entgegen.

Und die Rechtsnachfolge?

Hoch interessant ist für Stöckli die Frage nach der Rechtsnachfolge der Condensateurs Fribourg SA, sofern denn eine Verantwortlichkeit derselben festgestellt werden könne. Hierbei sind verschiedene Konstellationen auseinanderzuhalten. Im Fall einer sogenannten Universalsukzession (Gesamtrechtsnachfolge) könne die Kostenpflicht des Verhaltensverursachers bei Vermögens- oder Geschäftsübernahme auf den Rechtsnachfolger übergehen. Zu diesem Schluss kommen sowohl das Bundesgericht als auch das Bundesamt für Umwelt in seinem Leitfaden zu Altlasten für die Kantone. Wenn ein Verursacher gar nicht mehr ermittelt werden könne oder zahlungsunfähig sei, sehe das Umweltschutzgesetz vor, dass das dort nicht näher spezifizierte «Gemeinwesen» die Kosten für eine Sanierung zu tragen habe. Gemäss dem kantonalen Gesetz über die belasteten Standorte sei dieses Gemeinwesen im Falle Freiburgs der Kanton. Eine andere Frage ist diejenige, ob die damaligen Verwaltungsräte und Aktionäre der Consendateurs Fribourg SA oder deren Erben persönlich haftbar gemacht werden können. Stöckli ist diesbezüglich skeptisch: Die umweltschutzrechtliche Haftbarkeit betreffe in erster Linie die Gesellschaft als juristische Person, nicht die Verwaltungsräte und erst recht nicht die Aktionäre. Völlig auszuschliessen sei es aber nicht, zumal das Bundesgericht diese Frage im Zusammenhang mit der Sanierungspflicht auch schon geprüft habe. Ob aufgrund der Kostenpflicht der Gesellschaft eine aktienrechtliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsräte entstehen könne, sei weiter höchst fraglich.

Die Massnahmen des Kantons zur Sicherstellung der Kosten bei allfälligen Drittverursachern lassen sich laut Stöckli auf das Umweltschutzgesetz abstützen. Sofern Drittverursacher ausgemacht werden können, beurteilt Stöckli die Erfolgschancen einer solchen Sicherstellung grundsätzlich positiv. Aber wie hoch ist das Risiko, dass aus dieser Affäre ein Justizfall wird, der unter Umständen über Jahre verschleppt wird, so dass es schliesslich doch der Steuerzahler ist, der zur Kasse gebeten wird? «Wenn man privaten Firmen in solchen Fällen derartige Kosten auferlegt, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass dagegen eine Beschwerde erhoben wird, wobei die Sache bis ans Bundesgericht weitergezogen werden kann – was einige Jahre in Anspruch nehmen kann», sagt Stöckli dazu.

Der Fall Bonfol

Oft wird als Präzedenzfall der Fall des jurassischen Dorfs Bonfol erwähnt. In der dortigen Sondermülldeponie hatte die Basler Chemische Industrie (BCI) bis in die 1970er-Jahre hochgiftigen Chemiemüll aus ihren Fabriken gelagert. Im Fall Bonfol gab es jedoch laut Stöckli die Besonderheit, dass im Jahr 2005 zwischen dem Kanton Jura und der Basler Chemie eine Vereinbarung getroffen wurde, welche vorsah, dass weder der Kanton Jura noch die Gemeinde Bonfol Kosten der Sanierung zu übernehmen habe.

La Pila

Reaktion des Umweltdirektors

Der Staat will Aktiven von Verursachern sichern

Umweltdirektor Jean-François Steiert (SP) befasst sich schon seit seinem Amtsantritt mit dem Dossier La Pila. Allfällige Vorwürfe, dass die Kantonsregierung beim Dossier La Pila zu wenig aktiv sei, weist er in aller Form zurück. Die Öffentlichkeit habe wohl teils den Eindruck, es gehe bei diesem Dossier nur langsam voran. «Aber Tatsache ist: Es geht hier um ziemlich viel Geld – in der vom Grossen Rat bevorzugten Variante nach heutigen Einschätzungen um 90 bis 110 Millionen Franken.» Zudem seien alle involvierten Parteien mit «ziemlich viel juristischem Wissen» ausgestattet, «das sie eingekauft haben». Dies habe zur Folge, dass der Staatsrat versuche, eine möglichst solide Beschlusslage zu haben. Dabei gehe es um verschiedene Bereiche: die Sanierung als solche und parallel dazu die Frage der Verantwortung. Verschiedene, teils noch in Arbeit befindliche Gutachten sollen dabei als Grundlage für einen Entscheid zur Aufteilung der Verantwortlichkeiten dienen, den der Staatsrat bis Ende Jahr fällen wolle. Der Staat sei aber auch schon konkret aktiv geworden und habe bei möglichen Verursachern Massnahmen getroffen, um Aktiven zu sichern. Steiert bestätigte einen entsprechenden Bericht der Tamedia-Zeitungen. Gegenüber den FN ergänzte Steiert, dass es sich hierbei um ein «nicht gängiges Vorgehen» handle, welches in dieser Form ein Novum im Kanton Freiburg darstelle. Näher könne er sich dazu aus Verfahrensgründen aber nicht äussern, ebenso wenig zur Frage, welche Firmen seine Direktion als Rechtsnachfolger der Condensateurs Fribourg SA identifiziert habe. Immerhin konnte Steiert aber im Gespräch mit den FN festhalten, dass es technisch gesehen nicht ganz einfach sei, im Einzelnen nachzuweisen, welche Firma vor über 40 Jahren welche Abfälle deponiert habe.

jcg

Chronologie

Am meisten belasteter Standort im Kanton

Die Deponie La Pila in der Gemeinde Hauterive ist der am meisten belastete Standort im ganzen Kanton. Bis zum Jahr 1975 haben Firmen, aber auch private Haushalte über die Müllabfuhr der Stadt in dieser Anlage, die die Stadt Freiburg auf einem Gelände des Kantons betrieb, ihre Abfälle entsorgt. Hochproblematisch waren dabei aus heutiger Sicht vor allem die Kondensatoren des heute unter diesem Namen nicht mehr bestehenden Unternehmens Condensateurs Fribourg SA. Sie enthielten die giftigen und krebsauslösenden organischen Chlorverbindungen PCB (polychlorierte Biphenyle), welche auch heute noch in hohen Konzentrationen in La Pila vorhanden sind. Das Areal muss deshalb saniert werden, wobei die Gesamtkosten je nach Variante auf 90 bis 110 Millionen Franken geschätzt werden. Im Februar dieses Jahres präsentierte der Staatsrat vier Varianten für eine solche Sanierung: eine Totalsanierung, zwei Varianten einer Teilsanierung sowie eine Minimallösung, bei der nur das Material entfernt wird, das bei einer Rutschung freigesetzt werden könnte. In seiner Juni-Session diskutierte der Grosse Rat diese vier Varianten eingehend, ohne aber eine Entscheidung zum Thema zu treffen.

jcg

Kommentar (0)

Schreiben Sie einen Kommentar. Stornieren.

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Die Pflichtfelder sind mit * markiert.

Meistgelesen

Mehr zum Thema