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«Die Zukunft Europas wird von der Zukunft der Ukraine abhängen»

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Der Ukraine-Konflikt spitzt sich zu. Der Ukrainische Verein in der Schweiz hat seinen Sitz in Freiburg. Der Präsident des Vereins, Andrej Lushnycky, lebt seit knapp 30 Jahren in Freiburg. Die FN haben sich mit ihm über die aktuelle Entwicklung unterhalten. 

Gefechte im Osten der Ukraine, Truppenverlagerungen, Gipfeltreffen der Grossmächte, Sondersitzungen und Sanktionen: Die Lage im Konfliktgebiet spitzt sich zu, die Meldungen überschlagen sich. Die FN haben mit dem Präsidenten des Ukrainischen Vereins in der Schweiz, Andrej Lushnycky, über die Lage gesprochen. Er ist seit 1998 Präsident des Vereins und lebt in Freiburg.

Welches sind die Aufgaben des Ukrainischen Vereins in der Schweiz in der aktuellen Situation?

Andrej Lushnycky: Wir haben zum Beispiel eine Kundgebung in Zürich organisiert, um den Menschen zu erklären, was in der Ukraine derzeit passiert. Wir organisieren Konferenzen wie das Ukrainische Forum oder kulturelle Anlässe, und wir pflegen Kontakte zu Universitäten und zu Presseagenturen. Bereits 1930 haben sich Studierende aus der Ukraine in der Schweiz zusammengetan, die Gründung des Vereins erfolgte 1945 nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gab damals Studierende, die nicht zurückkonnten, andere waren Vertriebene oder Staatenlose, weil sie aus Gebieten stammten, deren Zugehörigkeit gewechselt hatte. Als Beispiel zum Verständnis: Meine Familie stammt aus der West-Ukraine, Galizien genannt, aus Lemberg. Mein Grossvater kam 1902 zur Welt als Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Während seines Lebens wechselte er sieben Mal seine Nationalität, ohne sein Zuhause zu verlassen, und das innert nur vier Jahren. Das ist für uns in der Schweiz unvorstellbar. Es ist wichtig, dies zu berücksichtigen, wenn wir über die Ukraine sprechen. Die Ukraine war eines der grössten Schlachtfelder im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg.

Was sagen Sie zu der neusten Entwicklung in dem Konflikt?

In Bezug auf den jüngsten Einmarsch Russlands in ukrainisches Territorium durch die Anerkennung der Unabhängigkeit der Gebiete Donezk und Luhansk verurteilen wir die schwere Verletzung des Völkerrechts durch Russland aufs Schärfste. Russland hat die Maske fallen gelassen, und die ganze Welt kann nun das wahre Gesicht eines Regimes sehen, das brodelnde Wut für die Rechtsstaatlichkeit, für demokratische Institutionen, für Werte, Fakten und Geschichte zeigt. Die Heuchelei ist nun enthüllt. Anstatt einen starken Machthaber zu sehen, der sein Land in eine bessere Zukunft führt, können wir einen sehen, der Gewalt und Tod gegen seine Nachbarn anwendet, um sich an historische Fiktionen zu klammern – einer, der die Realität verdreht und sich selbst in die Ecke zu manipuliert. Russland ist zum Land der «Zukunftslosigkeit» geworden.

Können Sie aktuelle Brennpunkte festmachen?

Wir kämpfen an vielen Fronten: Wir haben die Besetzung der Krim seit 2014. Es gibt den Informations- beziehungsweise Desinformationskrieg, es gibt einen ökonomischen Krieg, weil niemand mehr investieren will in der Ukraine, wir haben Cyberkriminalität, und es gibt einen Energiekrieg. Und dann haben wir den politischen Krieg innerhalb des Landes mit der sogenannten Fünften Kolonne, die auf der Seite des Feindes steht. Und wir haben 150’000 russische Soldaten an der Grenze. 

Wo liegt der Unterschied zwischen russischer und ukrainischer Kultur? 

Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist die Ukraine unabhängig, also seit über 30 Jahren. Aber wir betrachten die Geschichte, die Kultur und die Politik immer noch durch die Brille von Russland. Das ist das falsche Narrativ. Das ist durch die Dominanz Russlands in der Sowjetunion entstanden. Wenn jemand sagt, er sei nicht Russe, sondern Ukrainer, heisst es oft: Du bist ein Nationalist. Das ist das Paradoxe in unserer Gesellschaft. Wenn du stolz auf die Schweiz bist, bist du ein Patriot. Aber wenn jemand stolz ist auf ein Land wie die Ukraine, haben wir die Tendenz zu sagen, dass das ein Nationalist ist. Aber alle haben ein Recht darauf – oder sogar die Pflicht, stolz auf ihr Land zu sein. Und jedes Land hat das Recht und die Pflicht, seine eigene Geschichte zu schreiben. Und diese Geschichte müssen die anderen Länder respektieren.

In Mariupol zeigen Demonstranten ihre Verbundenheit mit der Ukraine.
Keystone-SDA

Kommt das für Sie auch in der Diskussion in Europa zu wenig zur Geltung?

In den Zeitungen werden Sowjetunion und Russland oft vermischt. Das ist schlampig, und das schmerzt das ukrainische Volk. Wir waren Sowjets, aber nicht Russen. Die Ukraine war eines der Gründungsmitglieder der Union. Das ist das eine. Das andere ist, dass die russische Regierung viel Geld ausgibt, um die Wahrnehmung und Geschichtsschreibung in ihrem Sinne zu fördern.

Können Sie weitere Unterschiede erklären, ist die Sprache anders?

Die ukrainische Sprache unterscheidet sich stark von der russischen. Ukrainisch war in der Geschichte rund 60 Mal verboten. Die Ukrainer wollen ihre Sprache zurück, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es ist von einem Linguizid an der ukrainischen Sprache die Rede. Zudem hat das ukrainische Volk eine Tradition für Demokratie, die Russen hingegen nicht. Das ist die grösste Angst von Putin und dem Regime: dass die Demokratiebewegung nach Russland überschwappt und dass das kleptokratische und autokratische System zerbröckelt. Putin ist in seinem Denken sowjetisch, alles muss kontrolliert sein. In der Ukraine haben im Jahr 1990 über 90 Prozent für die Unabhängigkeit gestimmt. Seit Putin an der Macht ist, gab es in der Ukraine fünf Präsidenten. In der Ukraine gibt es Wahlen, Pressefreiheit, die Bevölkerung kann ohne Visum nach Europa reisen – das ist eine Bedrohung für Russland. Wir vom Verein wollen zeigen, dass die Ukraine eine junge Nation ist, aber ein alter Staat. Wir haben auch unsere ureigenen Bräuche, Traditionen und Folklore. 

Sind die Medien in der Ukraine tatsächlich unabhängig?

Unglücklicherweise hat die Ukraine ein Problem: Zahlreiche Medien sind im Besitz von Oligarchen. In der Gegend von Donbass sind die ukrainischen Medien blockiert. Die Menschen dieses Teils der Ukraine, rund 800’000, haben bereits die russische Staatsangehörigkeit erhalten. Russland kann so das internationale Gesetz verdrehen und sagen, dass es seine Landsleute schützt. Russland ist sehr gut darin, Vereinbarungen zu seinen Gunsten zu drehen. Aber Russland hat keine Zukunft. Es geht Putin immer darum, die Vergangenheit zu glorifizieren: Er will die Sowjetunion zurück. Er sagte einmal, das grösste Desaster sei gewesen, die Sowjetunion aufzulösen. Aber für andere war die Sowjetunion das grösste Desaster. 

Wie geht es den Ukrainerinnen und Ukrainern, den Menschen auf dem Land und in der Stadt, wie sehen ihre Lebensumstände aus?

In den Dörfern gibt es kleine Bauernbetriebe, aber das ist ein Problem, davon können die Leute nicht gut leben. In den Städten sieht es anders aus. Wer nach Kiew reist, sieht eine europäische Stadt. Es ist verschieden. Auf dem Land sind die Menschen sehr arm. Alle, die in die Stadt gehen konnten, haben dies getan.

Ist der Wunsch verbreitet, das Land zu verlassen?

Viele Ukrainer sind schon gegangen. Es gibt eine Diaspora mit etwa 20 Millionen Ukrainern auf der ganzen Welt. In der Ukraine leben etwa 42 Millionen Menschen. Vor der Unabhängigkeit waren es 52 Millionen, in den Neunzigerjahren gab es grosse wirtschaftliche Probleme. Es gilt nicht zu vergessen, dass die Ukraine das grösste europäische Land ist und nicht Russland, das gehört zu Eurasien. In den letzten Jahren kamen viele zurück, um zu investieren. Sie haben im Westen eine Ausbildung und ein wenig Geld gemacht und wollen damit etwas aufbauen. Das ist wohl ein ziemlich normaler Prozess. Aber nun mit dem Krieg ist es schwierig. Schätzungen gehen davon aus, dass mit der Invasion der Russen bis zu fünf Millionen Menschen die Ukraine verlassen könnten. Es liegt somit im Interesse von Europa, sich über Flüchtlingsbewegungen Gedanken zu machen. Eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer leben bereits in Polen. In Italien sind es rund 400’000, dasselbe in Spanien. In der Schweiz sind es nur etwa 7000. 

Wie sehen Sie die Zukunft?

Die Zukunft Europas wird von der Zukunft der Ukraine abhängen. Was jetzt in der Ukraine passiert, ist entscheidend. Die Ukraine will Teil von Europa sein, das Volk glaubt an die EU und hat sich dafür ausgesprochen. Wie viele Länder der EU würden sich heute bei einer Abstimmung wohl für die EU aussprechen? In der Ukraine sind über 70 Prozent für einen Beitritt zur EU, und fast 60 Prozent sind für einen Beitritt zur Nato. Sie wollen frei sein, ein Gesundheitssystem aufbauen, die Kinder sollen zur Schule gehen und eine bessere Zukunft haben. Das ukrainische Volk zeigt sich enthusiastisch gegenüber der EU, und das kann der EU guttun. Sie haben die Hingabe mitzuhelfen, etwas aufzubauen. Sie haben die Energie. Das ist die Zukunft der Ukraine, und das sind die Jungen: Sie sind motiviert, haben Ideen und wollen etwas tun für ihr Land. 

Buch-Tipps

Weiterführende Literatur zum Thema

Für jene, die sich weiterführend für die Ukraine und den Konflikt mit Russland interessieren, gibt der Präsident des Ukrainischen Vereins in der Schweiz, Andrej Lushnycky, drei Buchtipps:

1) The Gates of Europe: A History of Ukraine
Von Serhii Plokhy (in englischer Sprache)

2) Bloodlands, Europa zwischen Hitler und Stalin
Von Timothy Snyder

3) Internat
Roman von Serhiy Zhadan

Der Ukrainische Verein in der Schweiz hat seinen Hauptsitz in Freiburg und Ableger in Basel, Bern, Genf, Luzern sowie Zürich. In Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, gibt es eine Repräsentanz des Vereins. emu

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