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Ein Pechvogel und sein Schutzengel

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Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

Autor: Hannes Währer

Strafanstalt Bellechasse, Besuchsraum, März 2008: Jonathan Morger (40), sitzt krumm wie eine Banane am Tisch, die Augen halb geschlossen, wie Rollläden im Hochsommer. Vis-à-vis Lambert Bokhoven (72) aus Kleinguschelmuth, blitzende Augen, dröhnende Stimme. Die beiden sind sich einig: Morger muss raus aus dem Knast.

Das Leben verschlafen

Angefangen hat alles am 1. Dezember 2004. Morger sitzt im Zug von Kerzers nach Bern und gerät in Verlegenheit, weil er keinen gültigen Fahrschein vorweisen kann. Bei späteren Fahrten lässt er die Verlegenheit bleiben und gibt den Kontrolleuren routiniert seine Personalien an. Bis 2007 erhält er einen ganzen Stapel Bussen für Schwarzfahren. Und da er keine bezahlt, wird eine nach der andern in Haft umgewandelt. Schlussendlich kommen acht Monate zusammen. Während Morger sein Leben am heiterhellen Tag verschläft, ist Vater Staat wach. Im Frühling 2008 ist es so weit: Morger erhält das Aufgebot zum Absitzen.

Bussen absitzen

Wäre da nicht Lambert Bokhoven, dieser energiegeladene Rentner, störrisch wie ein Esel, ausgestattet mit einem kruden Gerechtigkeitssinn, dem eines einfach nicht in den Kopf will: Dass Morger, ein braver Schweizer Büezer, der als Jugendlicher in den Drogensumpf abrutschte, sich als Dreissigjähriger daraus herausgearbeitet hat, und dann – auch weil sein Ruf als Drögeler an ihm hängen blieb – arbeitslos und schliesslich fürsorgeabhängig wurde, ins Gefängnis soll. «Für Bussen! – wo doch die Hälfte aller Sexualstraftäter nie eine Zelle von innen sieht», ruft Bokhoven, begleitet von wilder Gestik aus.

Die beiden kennen sich als weitläufige Nachbarn seit Jahren. Bokhoven gehören einige Häuser, und während Morger arbeitslos ist, lässt er diesen jeweils gewisse Reparaturen ausführen. Und als Morger ihm eines Tages die gesamte Geschichte auftischt, erzählt, dass ihm schwedische Gardinen blühen, da beginnt sich Lambert Bokhoven zu verändern.

Das gerne polemisierende und bekennende Auns-Mitglied wird langsam zu Morgers Schutzengel, wird Kumpel, Vater, Budgetberater und Sozialarbeiter in einem. «Aber nur für Morger, denn der ist ok.»

Beamte spielen nicht mit

Bokhoven beginnt nun so etwas wie Krisendiplomatie, wird beim Amt für Strafvollzug in Freiburg vorstellig. Er versucht zu feilschen, wie auf dem Bazar, bietet erst 1000 Franken für eine Fristerstreckung bis zum Haftantritt, weil Morger seine Bussen abzahlen könnte, wenn er einen Job hätte. Aber die Beamten spielen nicht mit. Statt die Strafe später anzutreten, soll die Haftdauer verkürzt werden. Bokhoven erhöht den Einsatz – erfolglos. Zeitgleich telefoniert er von Pontius zu Pilatus, um seinem Schützling einen Job zu verschaffen, vergeblich: Morger muss nach Bellechasse, und er droht endgültig zu resignieren: «Wenn ich nach acht Monaten entlassen werde, bin ich ein Sozialfall.»

Danach steht Bokhoven wie unter Strom. «Zum Stigma des Drögelers kommt das des Knastbruders, damit ist Morger erledigt», meint er. Seine Versuche, für Morger Vorstellungsgespräche während der Haft zu organisieren, scheitern. Die bürokratischen Hürden scheinen zu hoch, die Chancen mit dem Absender Bellechasse zu klein. Da Bokhoven keinen andern Weg mehr sieht, beschliesst er die gesamte Restschuld von über 6000 Franken zu bezahlen. Das funktioniert, Morger wird entlassen.

Alles ausser die Arroganz

Murten, Sommer 2009: Bokhoven und Morger sitzen entspannt am Tisch und wettern über «den Staat». Morger im Overall, ist direkt von der Arbeit gekommen. «Und ja, er hat seine Schulden bei mir bald abbezahlt», versichert Bokhoven. Und Morger meint nachdenklich: «Ausser der Arroganz der Beamten könnte ich alles an der Geschichte schlucken.» Aber auf die Frage, was der Staat denn tun solle mit Leuten, die ihre Bussen partout nicht bezahlen, wissen weder er noch Bokhoven eine Antwort.

* Name von der Redaktion geändert.

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