Mit Martin Laciga tritt ein ganz Grosser des Schweizer Beachvolleyballs ab. Dies zeigen allein schon die Begrifflichkeiten, mit denen Swiss Volley den 38-jährigen Kerzerser in der gestrigen Medienmitteilung belegt. Von «Beachvolleyball-Pionier» ist dort die Rede, von «Bilderbuchkarriere» oder vom «erfolgreichsten Beachvolleyball-Spieler der Schweiz». Der Direktor des Schweizer Beachvolleyball-Verbandes, Philippe Saxer, schlägt in die gleiche Kerbe: «Martin hat über zwei Jahrzehnte durch seine konstant gute Leistung überzeugt. Als Top-Athlet war er stets sehr ehrgeizig und diszipliniert. Er ist ein grosses Vorbild für die jungen Athleten.»
Als erster Europäer an der Weltspitze
Dies alles ist nicht die übliche Lobhudelei, wie sie nach Rücktritten schon einmal vorkommt. Die vergangenen zwei Jahre, in denen Martin Laciga mit seinem Partner Jonas Weingart die hoch gesteckten Ziele nie auch nur ansatzweise erreicht und auf der World Tour keine Rolle mehr gespielt hat, täuschen darüber hinweg, dass Laciga nicht nur zu den Grossen des schweizerischen, sondern gar des internationalen Beachvolleyballs zählt. 206 Turniere hat er auf der World Tour absolviert, mehr hat nur die brasilianische Legende Emanuel Rego geschafft. Gemeinsam mit seinem Bruder Paul stand Martin Laciga 1999 als erster Europäer an der Spitze der Weltrangliste, wurde dreimal Europameister und 1999 Vize-Weltmeister. Mit ihren Erfolgen waren die beiden Brüder Ende der neunziger Jahre die Wegbereiter für später ebenfalls erfolgreiche Schweizer Beachvolleyballer wie Patrick Heuscher, Stefan Kobel oder Sascha Heyer.
Weil der Stern des einstigen Pioniers zuletzt am Verglühen war, waren Martin Lacigas sportlichen Optionen begrenzt. Sein bisheriger Partner Weingart tat sich mit Philip Gabathuler zusammen, Jefferson Bellaguarda und Sascha Heyer traten nach der letzten Saison zurück und der Laupener Mats Kovatsch spielt neu mit Heyers bisherigem Partner Sébastien Chevallier. So wäre nur der ebenfalls bereits 36-jährige Patrick Heuscher als potenzieller Partner übrig geblieben. Ein Oldie-Duo zu bilden war jedoch für beide Seiten keine Option gewesen.
Knieschmerzen zu stark
Martin Laciga betont allerdings, dass die sportliche Baisse der letzten Jahre nicht der Grund für seinen Rücktritt sei. «Der Spass am Beachvolleyball ist ungebrochen, aber körperlich haben 20 Jahre Spitzensport ihre Spuren hinterlassen.» Dies vor allem an seinem Knie. In den letzten Monaten hat der Kerzerser sein Knie von verschiedenen Ärzten untersuchen und testen lassen. Die Belastungsgrenze sei zuletzt «fast schon lächerlich tief» gewesen, sagt Laciga. Auf der Beinpresse beispielsweise seien die Werte wegen der Schmerzen in beiden Knien zuletzt auf das Niveau von Hobbysportlern gesunken.
Schmerzen und Entzündungen im Knie sind für Martin Laciga nichts Neues. Bereits die letzten beiden Saisons stand er nur durch, weil er regelmässig Entzündungshemmer schluckte. Eine dritte Saison unter Schmerzmitteln wollte er seinem Körper nicht zumuten. «Das ist eine Zeitbombe. Die Entzündungshemmer sind Gift für den Körper. Früher oder später würde sich das rächen.»
«Nicht leicht, loszulassen»
Obwohl nach dem Ende der letzten Saison vieles für einen Rücktritt gesprochen hatte, liess sich Martin Laciga für den Entscheid lange Zeit. Bereits im September des vergangenen Jahres hatte er einen Rücktritt als Option ins Auge gefasst; erst gestern rang er sich zu einem offiziellen Rücktritt durch. «Der Abschied fällt mir schwer, es ist nicht leicht, loszulassen. 20 Jahre lang hat sich in meinem Leben fast alles um Beachvolleyball gedreht.» Lange Zeit gelassen habe er sich auch deshalb, weil er von vielen Leuten in seinem Umfeld gehört habe, er solle es doch noch einmal versuchen, er könne bestimmt noch gute Leistungen bringen–gut gemeinte Ratschläge, von denen sich ein Profisportler jedoch nicht beeinflussen lassen sollte. «Ich musste den Entscheid reifen lassen und sichergehen, dass ich ihn alleine fälle.»
Zukunft ungewiss
Die berufliche Zukunft des Familienvaters ist noch ungewiss. Vor kurzem hat er ein Nachdiplom als Marketingmanager abgeschlossen. Gut möglich, dass er dem Beachvolleyball-Sport in irgendeiner Formerhalten bleibt. Einen Job auszuführen, der Marketing und Beachvolleyball verbindet, kann sich der gebürtige Aarberger gut vorstellen. Demnächst führt Laciga Gespräche mit dem internationalen Volleyballverband. Auch von Zeit zu Zeit beim Schweizer Fernsehen als Experte tätig zu sein, wie er es letztes Jahr bei den Olympischen Spielen war, kann er sich vorstellen. Einen Trainerposten zu übernehmen, hat Laciga momentan indes nicht imSinn.
Höhepunkte: Lacigas Hassliebe zu den Olympischen Spielen
Fragt man Martin Laciga nach den Höhepunkten seiner 18-jährigen Karriere, nennt er unter anderem die drei Teilnahmen an Olympischen Spielen. Diese werden Laciga jedoch nicht nur als Highlights in Erinnerung bleiben. «Einerseits waren es unvergessliche Erlebnisse. Andererseits bescherte mir Olympia grosse Enttäuschungen.» 1996, beim olympischen Debüt der Sportart in Atlanta, waren die Lacigas trotz erfüllter Kriterien noch Zuschauer. Vier Jahre später in Sydney erreichte das Interesse einen ersten Peak, Laciga/Laciga gehörten zu den Topfavoriten. Doch das Turnier am Bondi Beach endete im Viertelfinal, nach zehn katastrophalen Minuten und neun verlorenen Punkten in Serie (gespielt wurde im alten Modus und nur auf einen Gewinnsatz). Nicht nur die Fans konnten die Niederlage gegen die portugiesischen Aussenseiter Maia/Brenha trotz 11:6-Führung kaum fassen. «Ausgerechnet gegen uns machten sie das Spiel ihres Lebens», ärgert sich Laciga noch immer. «Das war unglaublich bitter.»
Auch in den folgenden Olympiaturnieren lief es nicht ganz nach Plan. «In Athen (mit Paul Laciga, Red.) und in Peking (mit Jan Schnider, Red.) trafen wir etwas zu früh auf die nachmaligen Olympiasieger.» Zwei fünfte Ränge, also zwei Olympiadiplome, und ein neunter Rang 2008 lesen sich im Palmarès gleichwohl nicht schlecht. Si/fm
Partner: Die erfolgreichste Zeit lief unter dem Motto «Schweigen und siegen»
In seiner Profikarriere spielte Martin Laciga mit fünf verschiedenen Partnern. Seine längste und erfolgreichste Zeit verbrachte er zwischen 1995 und 2004 mit seinem vier Jahre älteren Bruder Paul. Zeit ihrer Karriere war das spezielle Verhältnis der Lacigas ein Thema. Denn das Erfolgsrezept hiess, sich konsequent anzuschweigen. «Wir hatten uns dermassen in der Wolle, wir hätten uns fast geprügelt», sagte Paul Laciga einst der «Neuen Zürcher Zeitung». Zaghafte Versuche, die Situation zu diskutieren, scheiterten kläglich. Also beschlossen sie 1996, nur noch das Nötigste zu besprechen. Probleme mit der ebenso bizarren wie funktionalen Geschäftsbeziehung hätten eigentlich nur Aussenstehende, berichtete Paul Laciga. Wie 2007, als Paul seine Karriere beendete und nach dem Out vom WM-Publikum in Gstaad auf emotionale Weise verabschiedet wurde. Drei Meter daneben schulterte Martin seinen Rucksack und stapfte, mit Blick nach unten gerichtet, vom Center Court. Verstanden haben es nur die Lacigas.
Derweil der eher extrovertierte Paul Laciga mit der introvertierten und fordernden Art Martins klarkam, schafften das nicht alle von dessen folgenden Partnern. Jan Schnider, mit dem er 2008 im Olympiaturnier von Peking immerhin die Amerikaner Phil Dalhausser/Todd Rogers an den Rand einer Niederlage drängte, gab unmittelbar nach Beginn des zweiten gemeinsamen Jahres leicht entnervt auf. Mit dem Sarganserländer Markus Egger, seinem Abwehrspieler während zwei Saisons, feierte Martin Laciga 2005 in Stare Jablonki den sechsten und letzten Turniersieg auf der World Tour und war im selben Jahr die Nummer 1 des europäischen Rankings.
Mit dem eingebürgerten Brasilianer Jefferson Bellaguarda spielte Laciga dann (2009 und 2010) trotz Meinungsverschiedenheiten 14 Top-10-Klassierungen heraus. An der Seite von Jonas Weingart (bis Ende 2012) reichte es trotz grosser Anstrengungen nicht mehr, den Anschluss an die Weltspitze herzustellen. Letzte Enttäuschung in der langen Karriere war die verpasste Olympia-Qualifikation für London. Si
Martin Laciga
Die grössten Erfolge
• Weltnummer 1 und Vize-Weltmeister 1999.
• Drei Europameister-Titel zwischen 1998 und 2000.
• Auszeichnung zum Schweizer Teamsportler des Jahres 1999.
• Zwei fünfte Ränge bei den Olympischen Spielen 2000 und 2004.
• Sechs Turniersiege auf der World Tour zwischen 1998 und 2005.